
Darum tun sich viele Neobanken und Fintechs so schwer mit dem Geldverdienen. (Bild: Panchenko Vladimir / Shutterstock)
Es gibt sowohl in Deutschland als auch weltweit eine wachsende Zahl an Neobanken, die mit einer Vielzahl an meist App-basierten Services um Nutzer:innen werben und gerade bei technikaffinen Kund:innen gut ankommen. Doch eine Studie der Unternehmensberatung Simon Kucher hat jetzt gezeigt, dass gerade mal 2 der 25 größten Neobanken weltweit profitabel arbeiten. Dass so viele nicht kostendeckend agieren, hat einerseits mit dem aktuellen Zinsniveau zu tun, dass es den Banken nicht mehr so leicht wie früher erlaubt, fehlende Erlösmodelle mit Zinseinnahmen zu kompensieren – doch es gibt auch einige Muster, die weltweit ähnlich sind.
Derzeit gibt es weltweit rund 400 Neobanken, die zusammen fast eine Milliarde Kundenkonten betreuen. Alleine in Deutschland gibt es sieben bis acht Millionen Neobanking-Kunden, die natürlich in vielen Fällen hier nur eines von mehreren Konten haben. Gemäß dem Ranking sind Neobanken in Deutschland im aktuellen Länder-Vergleich mit Platz 8 von 60 ganz gut aufgestellt, wobei die Platzierung insbesondere auf den vergleichsweise frühen Markteintritt der hiesigen Banken zurückzuführen sei. Dennoch haben die meisten Schwellenländer die deutschen Banken bei Innovationsgeschwindigkeit und Ertragsstärke hinter sich gelassen.
Das Ergebnis der Analyse klingt alarmierend, überrascht wohl aber viele Marktbeobachter:innen nicht. Bemerkenswert aber auch: Rein rechnerisch erzielt die Mehrheit der Neobanken unter 28 Euro Jahresumsatz pro Kunde. Dieses finanzielle Dilemma betrifft demnach auch renommierte Neobanken. Dem Spaß am Gründen tut das allerdings keinen Abbruch: Die Unternehmensberatung zählt für 2020 noch 94 neue Neobanken, wohingegen auch 2021 immerhin noch 59 Neugründungen hinzukamen.
5 Gründe für die Probleme der Neobanken
Rund eine Milliarde Kundenkonten gibts weltweit bei den Neobanken, die vor allem auf digitale Geschäftsprozesse, Automatisierung und Apps setzen und damit den Nerv vieler digitalaffiner Menschen treffen. Der Global Neobanking Radar von Simon-Kucher & Partners hat das Potenzial für nachhaltiges Wachstum von Neobanken weltweit bewertet und kommt dabei zu den immer gleichen Fehlern und Gründen, warum das mit dem Geldverdienen noch nicht klappt.
Da ist zunächst einmal das Fehlen von Fokussierung auf bestimmte Märkte – entweder den Heimatmarkt oder einen Markt, der Erfolg verspricht, weil dort das Bankwesen noch nicht so etabliert (man könnte auch sagen übersättigt) ist wie etwa in den mitteleuropäischen Märkten. Viel der Neobanken bauen, so fasst es die Analyse zusammen, zu schnell neue Märkte auf – auch auf die Gefahr hin, dass sie dort nicht erfolgreich sind, weil beispielsweise die dortigen Regularien anders sind als gewohnt. Ein weiteres Thema ist die Innovationskraft nach dem MVP. Ist ein Produkt erst einmal entwickelt, ruht man sich den Worten von Simon Kucher & Partner zufolge zu schnell auf den Erfolgen aus, anstatt weiter nach den nächsten Trends zu suchen und das Banking-Produkt weiterzuentwickeln.
Ein dritter Punkt betrifft das Wachstum, das den Analysten zufolge zu sehr auf Kundenzuwachs bedacht ist, ohne auf Profitabilität zu achten. Schuld hieran sei oft das Venture-Capital getriebene Denken, das rund fünf bis sieben Jahre nach dem eigentlichen Start oftmals zu einem unsanften Erwachen führt. Und überhaupt fehlen vielen der Neobanken nachhaltig belastbare Erlösmodelle. Denn Kund:innen in einen kostenfreien Einsteiger-Plan zu bringen, verdient nunmal noch kein Geld. Hier geschickt Upselling zu betreiben, falle vielen Unternehmen schwer. Und nicht zuletzt, das zeigt sich insbesondere in den Emerging Markets sowie den Nicht-EU-Märkten, unterschätzen viele Neobanken die Komplexität des Bankgeschäfts und die damit verbundene Regulatorik. Auch das ist ein Thema, bei dem man – wie auch bei einigen der anderen Punkte – schnell an deutsche Neobanken denken muss.
Auch etablierte Banken gründen Neobanken
Interessant ist in diesem Kontext, dass es gerade die etablierten Bankkonzerne sind, die das Thema mit besetzen wollen und verantwortlich für jede dritte Neugründung sind. Sogenannte „Innovation Speedboats“ oder reine Digitalbanken, gegründet von Finanzdienstleistern oder konventionellen Banken. Kein Zweifel: Die Banken haben verstanden, dass die Fintech-Welt ihnen nicht weniger Konkurrenz macht, wenn sie das Thema zu ignorieren versuchen. Wenn du sie nicht besiegen kannst, mache sie dir zum Freund (oder werde selbst zum Teilzeit-Fintech).
Grundsätzlich ist das auch vernünftig – denn die etablierten Banken brauchen – zumindest für bestimmte Kundengruppen – neue Segmente und automatisierte, da billigere Geschäftsmodelle. „Der Sprung von ‚Get Reach‘ zu ‚Get Rich‘ braucht einen Bewusstseinswandel – und viele Neobanken sind insbesondere im sechsten oder siebten Betriebsjahr soweit, dass sie entweder scheitern oder dauerhaft Bestand haben“, glaubt Christoph Stegmeier, Senior Partner bei Simon Kucher. Denn insbesondere dann, wenn Venture Capital im Spiel ist, sorgen angespannte Erlössituationen dafür, dass Projekte auf den Prüfstand gestellt werden.