So funktioniert gutes Feedback – für beide Seiten
„Darf ich dir Feedback geben?“ Wenn ein Kollege so etwas fragt, dann ist der erste Impuls: „Aber klar, bitte.“ Doch so ganz ernst gemeint, ist dieses Bitten um Feedback in der Regel nicht. Denn vermutlich wird hier nicht nur Lob, sondern auch Kritik ausgesprochen. Und tief in uns drin widerstrebt es uns, dieses negative Feedback anzuhören. Kritik ruft Abwehr hervor. Eigentlich wollen wir nur gelobt – und nicht beurteilt werden. Und dennoch ist Kritik wichtig. Nicht nur für die persönliche Entwicklung, sondern auch um die Qualität der Prozesse im Unternehmen zu verbessern – und so letztlich die Zukunftsfähigkeit des eigenen Arbeitsplatzes zu sichern. Damit Feedback zielführend ist, müssen beide Seiten – sowohl der Feedback-Geber als auch derjenige, der das Feedback empfängt – ein paar Dinge beachten. Geschäftsführer-Coach Bernd Geropp stellt drei Regeln besonders heraus:
1. Entwickle die richtige Einstellung: Feedback ist ein Geschenk
Der Mitarbeiter kommt nach dem Meeting zum Chef: „Ähm, Chef, in der Besprechung eben, da haben Sie sich nicht so gut verhalten. Das, was Sie da mit der Mittagspause gesagt haben, kam bei den Kollegen nicht so gut an.“ Diese Rückmeldung, dass hier etwas schiefgelaufen ist – und zwar an einen Ranghöheren – erfordert Mut. Sie ist ein Geschenk an den Chef, denn er erhält die Fremdsicht auf sein Verhalten. Für dieses Geschenk sollte er sich bedanken. Wenn er die Rückmeldung hingegen als Angriff wertet und sich verteidigt, dann nimmt er das Geschenk nicht an. Damit werde nicht nur die Tür für eine mögliche Verbesserung der Situation zugeschlagen, sondern zudem riskiert, dass der Mitarbeiter in Zukunft seinen Mund halten wird. Vollkommen okay hingegen seien Verständnisfragen. Sie haben eine konstruktive Stoßrichtung und eröffnen ein Gespräch über eine mögliche Kurskorrektur. Grundvoraussetzung dafür, dass dieser Deal funktioniert, ist, dass das Feedback wertschätzend erbracht wird. Feedback anzunehmen, bedeutet übrigens nicht, mit der Rückmeldung einverstanden zu sein. Selbst wenn du anderer Meinung bist, kannst du aus der Kritik lernen. Höre genau hin. Du wirst mindestens etwas über dein Gegenüber lernen. Denn Feedback sagt über den Feedback-Gebenden häufig mehr aus als über denjenigen, der das Feedback bekommt.
2. Kritisiere nur unter vier Augen
Niemand wird gern kritisiert – egal, wie wertschätzend die Kritik rüberkommt. Wenn man sich auf dieses dünne Eis begibt, dann sollte die Situation so vertrauensvoll wie möglich gestaltet sein. Erfolgt das Feedback vor anderen, dann werde derjenige, an den die Rückmeldung adressiert ist, diese in der Regel als Angriff auf seine Reputation werten und sofort in die Verteidigungshaltung gehen. Wenn das passiert, kann Feedback nichts Gutes mehr bewirken. Im Gegenteil. Nicht nur, dass sämtliche Beteiligten unangenehm berührt sind. Der Empfänger der Kritik wird nun erst recht auf seinem Standpunkt beharren, um das Gesicht gegenüber dem Umfeld nicht zu verlieren. Achte daher darauf, dass du Feedback stets unter vier Augen gibst.
3. Kritisiere konkret
„Herr Meier, Ihre Berichte sind immer viel zu lang.“ Mit dieser pauschalen Rückmeldung des Vorgesetzten kann Herr Meier wenig anfangen. Im Gegenteil, er wird versuchen, sie gedanklich zu entkräften. Wenn er sich beispielsweise an den Zwischenbericht vor drei Monaten erinnert, dann hatte dieser nur drei Seiten. Also, dass seine Berichte immer viel zu lang seien, könne ja wohl gar nicht sein. Wird der Vorgesetzte jedoch konkret, nach dem Motto: „Herr Meier, Ihr aktueller Abschlussbericht hat 200 Seiten. Diese Detailtiefe braucht der Kunde gar nicht. Für die Zukunft: 20 Seiten reichen vollkommen aus“, dann erwächst daraus für den Mitarbeiter eine echte Hilfestellung. Dass Rückmeldung konkret sein müsse, gelte auch bei Lob. Statt pauschal den „duften Job“ zu loben, den Frau Müller macht, sollte der Vorgesetzte die konkrete Situation beschreiben, in der sie dem Unternehmen einen besonderen Dienst erwiesen hat: „Wie Sie bei unserem Großkunden xy das Problem neulich gelöst haben, Respekt. Das hat nicht nur bei unserem Kunden, sondern auch bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“ Damit kann Frau Müller etwas anfangen. Derart konkrete Rückmeldungen sind insofern eine Hilfe, als sie dem Mitarbeiter eine gute Orientierung geben, worauf es im Unternehmen ankommt.
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Könnt ihr diese Tipps allen Personalverantwortlichen bitte ins Hirn hämmern? Oder sollen wir eine Partei gründen, die allein den Zweck hat, alle Vorgesetzten grundgesetztlich dazu zu verpflichten, diese Regeln einzuhalten? Ich wäre dabei.
Denn allein die Frage „Darf ich dir Feedback geben?“ kommt mir wie ein Traum vor. Gutes Feedback von Kollegen und Vorgesetzten zu bekommen, ist meiner Erfahrung nach leider eine Seltenheit. Selbst in Situationen, in denen ein Vorgesetzter wohlmeinende Kritik äußern wollte, war sie so pauschal und inkompetent, dass ich rein gar nichts daraus lernen konnte. Meiner Erfahrung nach ist es eher Alltag, dass die Chefs die drei Tipps exakt gegenteilig umsetzen: Pauschal, oft beleidigend (gerne mit Psychoanalysen á la „Hattest du das Problem auch schon in früheren Positionen?“) und natürlich wird auf dem Gang oder der Türschwelle lautstark kritisiert.
Lieber durch Kritik gerettet, als durch Lob ruiniert.
Glück ist kein Zustand,
sondern eine Tätigkeit.
Richtiges FEEDBACK geben
ist eine Tätigkeit.
Die Vergabe von Feedback am Arbeitsplatz ist auch für die weitere Arbeitsweise extrem wichtig. Grade bei harscher Kritik ist ein kleiner zeitlicher Abstand zum sachlichen Analysieren der Kritik vorteilhaft. Wird jemand in der Runde kritisiert, sollten sich Kritiker und Kritisierter vermutlich am besten unter 4 Augen treffen und das Problem sachlich besprechen.