1+1=1 – wie sich die Fusion der beiden größten deutschsprachigen Affiliate-Netzwerke auf die Branche auswirkt

(Grafik: Awin)
Nichtsdestotrotz – was passieren wird und welche Auswirkungen entstehen, wird mit Spannung erwartet. Bisher ist noch nicht viel bekannt und die Faktenlage ist eher dürftig, aber dennoch lässt sich eine Prognose über zukünftige Entwicklungen abgeben.
Was geschah bisher?
Um Prognosen abgeben zu können, muss zunächst die Geschichte bekannt sein. Wie kam es also zur Fusion? Affiliate-Marketing ist bereits in den neunziger Jahren entstanden und seitdem auf Erfolgskurs. In Deutschland und Europa entstanden große und kleine Affiliate-Netzwerke, die sich auf die Fahne geschrieben haben, Affiliates (Werbepartner, auch als Publisher oder Partner bezeichnet) und Merchants (Werbetreibende, auch als Advertiser oder Partnerprogrammbetreiber) zusammenzubringen. Affiliate-Netzwerke fungieren dabei als Partnerbörsen, die zum einen die technischen Lösungen bieten und sich zum anderen um Zahlungsmodalitäten kümmern. Zählt man kleine und große, Nischen- und Metanetzwerke zusammen, sollte in Europa eine dreistellige Anzahl an Marktteilnehmern zusammenkommen. Wirklich große und beständige Player gibt es aber wenige. Dazu zählen neben Affilinet und Awin Anbieter wie Tradedoubler, Tradetracker, Webgains, Belboon oder Adcell.
Aber zurück zu den beiden Platzhirschen: Affilinet wurde im Jahre 1997 gegründet. Drei Jahre später entstand in Berlin das Startup Zanox. Nachdem Affilinet über die Jahre in verschiedene Hände fiel, wurde es 2014 in den United-Internet-Konzern eingegliedert, wo es auch bis 2017 verblieb. Zanox blieb sieben Jahre unabhängig, bis es 2007 durch Axel Springer gekauft und an die Börse gebracht wurde. So haben beide Unternehmen vergleichbare Entwicklungen durchgemacht, bis sie 2017 verschmelzen sollten.
Viele Jahre waren Affilinet und Zanox die beiden größten und relevantesten Vertreter in Deutschland. Während Affilinet vor allem seine Position im deutschsprachigen Raum ausbaute, strebte Zanox besonders in den letzten Jahren eine internationalere Ausrichtung an. So verband sich Zanox 2010 mit den britischen Plattformen Affiliate Window und wurde später zu Awin. Die neue Firma Awin akquirierte anschließend noch das amerikanische Affiliate-Netzwerk Shareasale und ging eine strategische Partnerschaft mit einem australischen Netzwerk ein. Um schlussendlich auch im europäischen Markt die Oberhand zu haben, wurde zusätzlich der größte Konkurrent Affilinet eingegliedert. Das Ende der Geschichte: Awin ist weltweit der größte Player im Affiliate-Marketing.
Interesse am Affiliate-Marketing? Hier entlang: Der Guide zum Einstieg ins Affiliate-Marketing!
Was ist bisher über die Fusion bekannt?
Viel ist, um ehrlich zu sein, nicht bekannt. Axel Springer wird an der neuen Gesellschaft 80 Prozent der Anteile halten, während United Internet 20 Prozent besitzen wird. Das wird sich auch darin widerspiegeln, dass die neue Firma als Awin auftritt, während die Marke Affilinet von der Bildfläche verschwinden wird. Die Kartellbehörden haben der Fusion bereits zugestimmt und die ersten Gespräche über die operativen Schritte laufen. Die Antwort des Kartellamts wurde mit Spannung erwartet, da Awin nach der Fusion als Quasi-Monopol im Affiliate-Marketing agieren könnte. Von Anfang an wurde aber damit gerechnet, dass – wegen der geringeren Marktgröße im Affiliate-Marketing – für Konkurrenzbetrachtungen eher die Big Player Google, Facebook und Amazon herangezogen werden, was sich als korrekt herausstellte.
Bekannt ist mittlerweile, dass die Oberfläche von Affilinet „eingestampft“ und Affilinet-Partnerprogramme zu Awin migriert werden. Da Awin seinerseits aber noch mit der Migration der Programme von seiner alten Plattform Zanox beschäftigt ist, wird man hier sicherlich vor 2019 nicht mit entsprechenden Schritten rechnen müssen. Am Ende wird – bis auf hoffentlich viele KollegInnen – vermutlich gar nicht so viel von Affilinet übrigbleiben. Die gute Nachricht: Die Affilinet-Büros in München sollen zunächst gehalten werden.
In einer Pressemitteilung vom 15. November 2017 wurde noch einmal verkündet, dass die Gespräche zwischen den beiden Netzwerken bereits stattfinden und erste Pläne geschmiedet werden, Affilinet in Awin zu integrieren. So soll 2018 zunächst die Personalsituation geklärt werden und anschließend die technische Migration beginnen. Dies ist die aktuelle offizielle Stellungnahme zum Thema.
Was bedeutet das für die Affiliate-Branche?
Die Meldung des Zusammenschlusses kam für viele überraschend. Während auf den ersten Blick die negativen Folgen überwiegen, werden sich aber natürlich auch positive Entwicklungen ergeben.
Affiliate-Netzwerke
Objektiv betrachtet fällt mit der Fusion erst einmal eines der größten deutschsprachigen Affiliate-Netzwerke weg. Dies bedeutet für Merchants weniger Auswahl und für die anderen Netzwerke weniger Konkurrenz. Als neuer Platzhirsch kann Awin zu einem gewissen Maße die Preise auf dem Markt diktieren. Auf der anderen Seite bietet die Situation auch Chancen für die kleineren Netzwerke in Europa. Diese müssen jedoch gegen die technische Innovationskraft des neuen Awin ankämpfen oder durch andere Vorteile glänzen. Auch Inhouse-Lösungen wie Ingenious Technologies, Easymarketing oder auch Performance Horizon könnten mehr Zulauf bekommen – je nachdem welche Strategie Awin fährt.
Merchants
Für jene Merchants, die bis dato ein Partnerprogramm bei Affilinet, aber nicht bei Awin oder Zanox betreiben, steht eine technische Migration ins Haus. Diese werden aber sicherlich erst Ende 2018 oder Anfang 2019 beginnen. Damit einher geht das Austauschen von Pixeln und Anpassungen von ausgewählten Werbemitteln. Für Merchants, die individuelle Lösungen mit Affilinet erarbeitet haben, wird der Aufwand etwas größer. Doch dazu später mehr. Zu hoffen ist, dass Awin alle Erfahrungen aus der Migration von Programmen der Zanox-Oberfläche mitnimmt und in den Prozess einfließen lässt. Betreibt der Merchant die Programme exklusiv bei Awin, dann hat die Fusion keine technischen Auswirkungen. Nicht zu vernachlässigen ist, dass es für Merchants, die bei beiden Netzwerken aktiv sind, eine teils erhebliche Einsparung von Aufwand geben wird, da das Partnerprogramm dann nur noch an einer Stelle gepflegt werden muss. Außerdem können Awin-Merchants zukünftig auf eine größere Auswahl an Affiliates zurückgreifen und haben Vorteile bei einer etwaigen Internationalisierung. Wahrscheinlich werden bald noch zusätzliche Services angeboten.
Interessant wird es bei den Konditionen. Nicht wenige Merchants (auch Publisher und Agenturen) haben Sondervereinbarungen mit Affilinet geschlossen. Beim Börsengang des neuen Unternehmens werden diese alle auf den Prüfstand gestellt werden. Speziell mit großen Konzernen könnten sich erneut spannende Verhandlungen ergeben. Hatten diese in der Vergangenheit eine sehr gute Verhandlungsposition, da sie die beiden Netzwerke dazu zwingen konnten, sich gegenseitig in den Konditionen zu unterbieten, fällt diese Möglichkeit zukünftig weg. Möglicherweise könnte dies dazu führen, dass einige Merchants oder auch Konzerne eigene Lösungen entwickeln (z.B. Inhouse-Netzwerke), um unabhängiger zu sein. Für Merchants, die zum jetzigen Zeitpunkt Programme bei Affilinet und Awin betreiben, könnten – je nach Vereinbarung – die Kosten aber auch sinken, da nur noch ein Netzwerk bezahlt werden muss.
Affilinet bietet mit seinen Performance-Ads Merchants bereits die Möglichkeit des Real-Time-Advertisings. Durch die größere Anzahl an Publishern sowie noch mehr technischer Expertise können hier spannende Möglichkeiten entstehen, die über das klassische Affiliate-Marketing hinausgehen.
Publisher
Publisher sind zumeist flexibel in der Wahl des Netzwerkes. Die meisten Affiliates besitzen ohnehin Konten bei beiden Netzwerken und müssen zur Migration lediglich ihre Trackinglinks austauschen. Auch sie sparen sich Arbeit ein, da Statistiken nur noch in einem Netzwerk abgerufen werden müssen. Auch die Recherche von Advertisern sowie die Suche von Werbemitteln wird vereinfacht und es muss eine API-Anbindung weniger gewartet werden. Doch die Kehrseite der Medaille ist: Affiliates werden damit auch abhängiger von einem Netzwerk. Eventuell nutzen einige die Möglichkeit, um sich bezüglich der Netzwerke breiter aufzustellen. Denkbar ist auch, dass Publisher vermehrt Direktkooperationen eingehen wollen. Negativ könnte sich die Fusion vor allem bei größeren Affiliates auswirken, welche aktuell noch Sondervereinbarungen – möglicherweise inklusive der Zahlung von Kickbacks – genießen. Denn auch diese Vereinbarungen könnten dann neu verhandelt werden.
Agenturen
Spannend wird es auch für Agenturen. Eine Agentur wird in der Regel engagiert, wenn intern nicht die notwendigen Ressourcen zum Betreiben des Netzwerkes vorhanden sind oder Know-how sowie ein engmaschiges Netzwerk fehlen. Durch die Fusion fällt ein Teil der typischen Agenturarbeit weg, da Prozesse wie Partnerfreigabe, Werbemittel Anlegen oder Bearbeiten von Provisionen nur noch in einem Netzwerk stattfinden. Damit könnte es sein, dass sich einige Merchants plötzlich der etwas geringeren Arbeitslast gewachsen sehen und die Betreuung des Programmes selbstständig übernehmen.
Weiterhin hat Awin mit einem Büro in Köln bereits erste Schritte unternommen, Agenturleistungen zu übernehmen. Sollte Awin weiter in diese Richtung gehen, könnte sich eine neue Konkurrenzsituation ergeben. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass besonders Kombinationen aus Merchant, Netzwerk und Agentur erfolgreich sein können. Zudem haben viele Agenturen ihre Prozesse optimal auf Kunden abgestimmt und damit definitiv einen Wissensvorteil gegenüber dem Netzwerk als Betreuer.
Awin & Affilinet
Nicht zuletzt bleibt natürlich die Frage, wie sich das neue Netzwerk entwickeln wird. Eine wesentlich größere Anzahl an Publishern bietet weitere Vermarktungsmöglichkeiten. Weitere Merchants wiederum bieten finanziellen Spielraum, um Projekte voranzutreiben. Die neue Awin-Plattform soll bereits jetzt gut für die Zukunft aufgestellt sein, sodass auch leidige Themen wie Attribution und Gutscheinmarketing in neue Bahnen gelenkt und deren Mehrwert endlich gehoben werden kann. Grundsätzlich bietet vor allem das vereinte Wissen und die Erfahrung beider Netzwerke viel Potenzial dafür, die Branche voranzubringen.
Mit dem neuen Netzwerk könnten Versuche unternommen werden, sich gegenüber den US-Konkurrenten Google und Facebook zu platzieren und eine ernstzunehmende Alternative, zum Beispiel mittels Real-Time-Advertising, bereitzustellen.
Auch die Teams und Strukturen werden sich ändern. So ist beispielsweise noch unklar, ob das Modell einer Agenturbetreuung – wie es bei Affilinet zu finden ist – auch bei Awin Anwendung finden wird. Weiterhin gibt es nun zwei Technik- und Verwaltungseinheiten, welche aufgeteilt werden müssen.
Weitere Player
Natürlich sind auch andere Akteure von der Fusion betroffen. Darunter fallen beispielsweise Toolanbieter, die Daten aus beiden Netzwerken aggregieren, oder Entwickler von WordPress-Plugins.
Fazit
Auch wenn die Meldung zunächst ein Schock war, bietet die Fusion viel Potenzial, das die Affiliate-Branche voranbringen und attraktiver für noch mehr Anbieter machen kann – Stichwort Innovationen, Attribution und Co. Das geballte Wissen der beiden Netzwerke kann neue Tools und Technologien hervorbringen, die auch außerhalb des klassischen Affiliate-Marketings an Relevanz gewinnen
Neben den positiven Erwartungen bleiben jedoch auch Bedenken. Zum derzeitigen Zeitpunkt sind nicht viele Informationen bekannt. Aber auch bereits verkündete Details, wie beispielsweise dass die Affilinet-Oberfläche nicht weiter genutzt wird, lässt einigen Affiliate-Marketing-Akteuren das Herz bluten.
Bleibt zu hoffen, dass die positiven Aspekte der Fusion überwiegen und das Affiliate-Marketing neuen Aufwind bekommt.