Gespendete Gebärmutter: Wie eine Transplantation beim Kinderwunsch hilft
Am 4. September 2014 kam in Göteborg ein Baby namens Vincent zur Welt. Er war das erste Kind weltweit, das im Bauch seiner Mutter in einer – von einer Familienfreundin – gespendeten Gebärmutter herangewachsen war. Seine Mutter Malin hatte aufgrund einer angeborenen Fehlbildung keinen eigenen Uterus, wie Ärzt:innen das Organ im Fachjargon nennen. Künstliche Befruchtungsmethoden, die weltweit Millionen Frauen zu Schwangerschaften verholfen haben, eigneten sich bei ihr daher nicht.
Mittlerweile sind weltweit mehr als 70 Kinder wie Vincent dank einer gespendeten Gebärmutter auf die Welt gekommen. Fast ein Drittel, nämlich 22, wurden im Baylor University Medical Center in Dallas geboren, das sich auf Uterustransplantationen spezialisiert hat. Jetzt zeigen Studienergebnisse von Baylor-Ärzt:innen um Liza Johannesson, medizinische Direktorin des Uterustransplantationsprogramms, wie weit das neue Gebiet in nur kurzer Zeit gekommen ist.
Details zu den 20 Frauen mit Spender-Gebärmutter
Im Fachblatt „Journal of the American Medical Association“ (JAMA) berichten die Chirurgen über die Erfahrungen mit ihren ersten 20 Gebärmutter-Empfängerinnen in den USA. 18 Patientinnen fehlte das Organ von Geburt an. Zwei weiteren Frauen entfernten Ärzt:innen den Uterus aus medizinischen Gründen. 14 der 20 Patientinnen wurden nach dem Erhalt einer Gebärmutter schwanger. 13 entbanden ein Kind und eine Empfängerin sogar zwei Kinder. Die Kinder kamen per Kaiserschnitt zur Welt, nachdem die Frauen durch künstliche Befruchtung der eigenen Eizellen schwanger geworden waren. „Alle Babys waren gesund und hatten die richtige Gestationsgröße“, sagt die aus Schweden stammende Johannesson.
Der Weg zum Erfolg war steil. Sechs Patientinnen erlitten trotz passender Gewebemerkmale innerhalb von zwei Wochen nach der Verpflanzung ein Versagen des Organs. Fünf von ihnen gehörten zu den ersten zehn Patientinnen. Die Ärzt:innen identifizieren verschiedene Ursachen für das Versagen und behoben sie. So enthielten etwa einige Gefäße der ersten gespendeten Organe Fettablagerungen, die die Blutversorgung der Gebärmutter wohl zu sehr verschlechtert haben könnten. In Schweden, wo Johannesson nach langjährigen Tierversuchen an der Einführung der Behandlung bei Menschen und auch an der weltweit ersten Studie zu Gebärmuttertransplantationen beteiligt war, sei die Gefäßgesundheit selbst bei älteren Spenderinnen besser gewesen.
Genaue Untersuchung vor der Uterus-Transplantation
Deshalb prüfen die Chirurgen inzwischen den Zustand der Gefäße, die mit dem Organ verpflanzt werden sollen, strenger mit bildgebenden Verfahren. Zudem erhalten Spenderinnen wie Empfängerinnen mehr gerinnungshemmende Mittel, um das Risiko einer Mangeldurchblutung des Organs durch Gefäßverschlüsse zu minimieren.
Auch bei der Operationstechnik hat sich einiges geändert. Die Organentnahme erfolgt statt über einen großen Schnitt jetzt minimalinvasiv und robotergestützt. Beim Einsetzen „benutzen wir einen feineren Faden, um die dünnen Gefäßwände zu schonen und verbinden die Gefäßansätze der Gebärmutter und die Gefäße der Empfängerin unter einem anderen Winkel, um zu verhindern, dass sie unter Spannung stehen oder einknicken“, erzählt Johannesson. Die Veränderungen zeigten Wirkung. Bei den zweiten zehn Patientinnen trat nur noch ein einziges Organversagen auf. „Und bei den nächsten 15 Transplantationen [die nicht Teil der Studie waren], gab es gar kein Versagen mehr“, berichtet die Chirurgin.
Trotzdem ist jede Gebärmutterverpflanzung immer nur vorübergehend. „Wir versuchen, die Zeit, die die Gebärmutter in der Empfängerin verbleibt, auf fünf Jahre zu begrenzen“, sagt Johannesson, denn die Frauen sollen die immunsupprimierenden Mittel, die das Immunsystem am Abstoßen hindern sollen, so schnell wie möglich wieder absetzen können. Schließlich bedeuten sie eine ständige Anfälligkeit für eine breite Palette von Krankheiten wie Infektionen.
Gründe, warum die Gebärmutter fehlt
Johannesson hofft, dass Uterus-Transplantationen möglichst vielen Frauen helfen können. Die meisten der bisher behandelten Patientinnen fehlte aufgrund des sogenannten Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms (MRKH) die Gebärmutter. Das bedeutet, dass sie ohne Uterus geboren werden und es betrifft weltweit eine von 5.000 Frauen. In Deutschland leben etwa 8.000 Frauen mit dem Syndrom, jedes Jahr kommen 60 bis 80 Mädchen damit auf die Welt. Die Gebärmutter kann zudem auch wegen anderen genetisch bedingten Entwicklungsstörungen fehlen oder krankheitsbedingt entfernt worden sein.
Die Betroffenen hatten lange Zeit keine Möglichkeit, selbst schwanger zu werden. Ihnen blieben Adoptionen oder mithilfe von Leihmüttern Kinder zu bekommen, sofern Letzteres in ihrem Land legal ist. Erst 2012 führten die schwedischen Ärzte um Mats Brännström und Liza Johannesson die erste erfolgreiche Gebärmutterverpflanzung durch. Das Göteborger Sahlgrenska Universitätskrankenhaus wurde das erste auf solche Eingriffe spezialisierte Zentrum, von denen es inzwischen weltweit eine ganze Reihe gibt. Johannesson wechselte 2016 zu Baylor und baute das erste US-Zentrum auf.
Wie weit ist die Gebärmutter-Transplantation in Deutschland?
Im selben Jahr führte Sara Brucker von der Universitäts-Frauenklinik Tübingen die erste Gebärmutter-Transplantation in Deutschland durch. Die Gynäkologin hatte für MRKH-Patientinnen eine Operationsmethode für das Anlegen einer Scheide entwickelt, die bei diesem Syndrom oft ebenfalls fehlt, und die Technik auch dem schwedischen Team vorgeführt. Die Göteborger Gynäkologen und Chirurgen wiederum trainieren Brucker in der Operationsmethode für Gebärmutter-Transplantationen, die die Behandlung nach Deutschland holt.
Inzwischen hat das von ihr aufgebaute Tübinger Gebärmuttertransplantationszentrum, das einzige seiner Art in Deutschland, sieben erfolgreiche Operationen auf seinem Konto. Drei der ersten vier Frauen, die vor der Corona-Pandemie operiert wurden, haben je ein gesundes Kind und die vierte sogar auch ein zweites zur Welt gebracht. Die letzten drei warteten darauf, „schwanger werden zu können“.
Allerdings: „Wir haben mehr Anfragen, als wir erfüllen können“, sagt Brucker. Zum einen seien die Operationen nur bei fünf Prozent der Transplantationspaare medizinisch vertretbar. Zum anderen sind in Deutschland nur Lebendspenden von Verwandten erlaubt, während die USA etwa auch altruistische Spenden von Nichtverwandten zulassen.
Große Bereitschaft, die Gebärmutter zu spenden
Johannesson war überrascht, wie viele Frauen bereit waren, Fremden das Organ zu spenden und die anfangs noch zehnstündige Operation mit langer Einheilungszeit auf sich zu nehmen: „Die meisten sagten, dass die Schwangerschaft und die Geburt ihr Leben so sehr verändert haben, dass sie deshalb dieses Organ – und nicht nur das, sondern auch die Erfahrung – jemandem spenden wollten.“
Die Möglichkeit der Gebärmutterverpflanzung erfüllt nicht nur MRKH-Betroffene mit Hoffnung. Die meisten Anfragen bekommt Johannesson von Frauen, die das Organ erst später krankheitsbedingt oder nach Geburtskomplikationen verloren haben. Dazu kommen Patientinnen, denen das Organ aus anderen genetisch bedingten Gründen fehlt und nicht zuletzt Transfrauen.
Um die Operation noch sicherer und einfacher zu machen, hat die Internationale Gesellschaft für Uterustransplantationen (ISUTx), deren Präsidentin Brucker ist, eine Datenbank für Erfahrungen aus aller Welt aufgebaut. „Es gibt noch viel zu erforschen“, sagt sie.
Auf dem diesjährigen ISUTx-Kongress sprach derweil auch der inzwischen zehnjährige, golfbegeisterte Vincent: „Ich bin sehr froh, dass ich wegen all den mutigen Menschen in diesem Raum hier bin.“ Brucker war wie alle Anwesenden gerührt: „Das war ein schöner Moment.“