Gründeralltag: Von Selbstverwirklichung und Selbstverpflichtung
Warum verzichten hochqualifizierte Absolventen bewusst auf ein sicheres Berufsleben und gründen ein Startup? Was ist dieses Etwas, das die Gründer täglich anspornt, immer noch mehr zu geben – und das auch über harte Zeiten im Gründerleben hinwegträgt? Zwei Jungunternehmer und eine Investorin berichten von ihren Erfahrungen.
„Ursprünglich hatte ich schon die Idee, nach meiner Promotion in der Mathematik einen sicheren Job zu nehmen, mir keine Sorgen machen zu müssen“, so Teresa Beck. Doch dann bot sich der damals 27-Jährigen am Karlsruher Institut für Technologie die Chance, beim Spin-off Gosilico einzusteigen. Das Startup beschleunigt mit seiner Simulations-Software die Entwicklung von Produktionsprozessen für Biopharmazeutika. „Mich hat der Gedanke äußerst gereizt, nun mal Mathematik zu machen, die wirklich gebraucht wird und sogar auf großes industrielles Interesse stößt“, fügt Beck hinzu. Die Nachfrage in der Branche ist enorm, weltweit führende Pharmakonzerne sind an der Lösung von Gosilico interessiert.
Durch eine frühere Zusammenarbeit bei einem universitären Software-Projekt kannte Teresa Beck bereits einen der Gründer von Gosilico, Tobias Hahn. „Mir war klar: Wenn Tobias ein Startup anpackt, dann hat das Hand und Fuß. Weil er keine Luftschlösser baut; er ist einer der grundvernünftigsten Menschen, die ich kenne, und es hat immer Spaß gemacht, mit ihm zusammenzuarbeiten.“ Damit stand für Beck der Entschluss fest.
Auch für Marlon Braumann war es vor allem das Team, das ihn zur Gründung bewog. Gemeinsam mit drei weiteren Mitstreitern zog er ein Startup in Karlsruhe und anschließend in Berlin hoch: Store2be, einen Online-Marktplatz zur temporären Anmietung von Aktions- und Verkaufsflächen. „Natürlich war meine Hingabe auch für die Idee sehr stark, allerdings überwog die Begeisterung für das Team. Uns allen war ja klar, dass wir unsere Idee auf dem Weg ohnehin noch einige Male anpassen werden“, erinnert sich Braumann an die ersten Gründungsschritte vor zwei Jahren.
„Hingabe für ein Startup, also quasi das Bekenntnis zur Gründung und zur gemeinsamen Vision, ist ein essentieller Erfolgsfaktor“, so Corinna Jahn. Sie investiert mit ihrer privaten Beteiligungsgesellschaft Adjusted Ventures in junge Wachstumsunternehmen.
Commitment: Was ist der Gradmesser für das Bekenntnis zum Startup?
Wie aber äußert sich die Hingabe, das Commitment, diese Selbstverpflichtung, im Gründeralltag? Zeigt es sich darin, möglichst viel und hart zu arbeiten, wie man es von vielen Startups kennt? „Bei Startups kommt es insbesondere auf eine sehr gute Execution an, also die operative Umsetzung, um im Markt schnell genug und nachhaltig Fuß fassen zu können“, meint Corinna Jahn. Dabei bestehe die Gefahr, in eine Art Aktionismus zu verfallen, der gefährlich werden könne: „Wenn nicht ständig mit der Strategie abgeglichen und auf Fokussierung Wert gelegt wird, kann ein Team leicht vom Weg abkommen, sich verzetteln und im schlimmsten Fall ausbrennen, ohne weiter in Richtung Ziel zu kommen. Hier muss das Team Selbstdisziplin üben, eingeschworen zusammenhalten und sich auf das Wesentliche konzentrieren“, so Jahn.
Auch für Teresa Beck ist viel Arbeit allein kein Gradmesser: „Es geht keinem von uns darum, das Unternehmen schnell möglichst groß zu machen, sondern etwas Nachhaltiges zu schaffen und auch die Gesamterfahrung mitzunehmen.“ Doch auch, wenn nicht immer bis in die Nacht gearbeitet wird – um Verzicht und Entbehrungen kommt wohl kein Gründer herum. „Meine Zeit ist komplett durchgetaktet, weil ich versuche, meinen Job, Sport, Schlaf und Freunde in jeweils möglichst großer Dosis unterzubringen. Die Zeit des ‚Nichtstuns‘, die mal nicht durchgeplant ist, opfere ich regelmäßig“, gibt Marlon Braumann zu.
„Und natürlich verzichtet man gewissermaßen auf Sicherheit und ein super Gehalt“, ergänzt Beck. Sie, promovierte Mathematikerin, und ihre Mitgründer, promovierte Biotechnologen, hätten durchaus attraktive Gehaltsperspektiven beispielsweise in der Pharmaindustrie gehabt. „Aber um das Gehalt geht’s ja letztlich nicht, wenn man eine Firma gründet. Sondern darum, Erfahrungen zu machen und zu wachsen.“ Auch Braumann, promovierter Betriebswirt, bestätigt: „Eine der wertvollsten Erfahrungen, die man erleben kann.“
Kein Startup ohne finanzielle Verpflichtung
Doch der Verzicht auf ein Spitzengehalt ist schließlich nicht das einzige finanzielle Zugeständnis, das von Gründern gefordert wird – zumindest dann nicht, wenn zusätzlich Vesting-Klauseln festgelegt wurden: Diese Klauseln stehen üblicherweise im Beteiligungsvertrag, wenn ein Investor ins Spiel kommt. Trennt sich einer der Gründer während der Vesting-Periode vom Startup, so muss er, je nach Ausgestaltung der Klauseln, einen Großteil seiner Geschäftsanteile günstig abgeben.
„Das Gründerteam ist ein zentraler Faktor, wenn es um den Erfolg eines jungen Unternehmens geht“, meint Corinna Jahn. „Bei Invests ist es daher für uns entscheidend, die Gründer auch längerfristig an das Startup zu binden, sodass diese auch entsprechend das unternehmerische Risiko mittragen. Gründer, die wirklich commited sind und an ihre Vision glauben, haben damit in der Regel auch kein Problem. Schließlich haben wir alle ein gemeinsames großes Ziel, auf das wir zusammen hinarbeiten: einen erfolgreichen Exit.“
Doch wie verhindern Gründerteams ein Auseinanderdriften? „Wir sprechen in Klausurtagungen immer wieder darüber, wo jeder Einzelne von uns Gründern sich in zehn Jahren sieht – nicht nur im Unternehmen, sondern: Wo man hinwill in seinem Leben“, so Teresa Beck. „Das sind dann oftmals sehr anstrengende Tagungen und auch emotionale Momente, wenn man erkennt, das eigene Ziel liegt nicht im Einklang mit dem Unternehmen, und man muss einen Kompromiss finden. Das sind aber alles Aspekte, die man erst realisiert, wenn man wirklich darüber spricht – was ich auch anderen Gründerteams unbedingt empfehlen würde.“