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Vorgehen wirft Fragen auf: Land Hessen verkauft Krypto für 100 Millionen Euro

Nach dem Land NRW darf sich nun auch das Land Hessen über namhafte Einnahmen aus der Veräußerung von Kryptowährungen freuen. Rund 100 Millionen Euro sollen die Krypto-Assets aus Darknet-Aktivitäten gebracht haben.

3 Min. Lesezeit
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Hessen hatte zehn verschiedene Kryptowährungen zu verwerten. (Foto: Chinnapong / Shutterstock)

Es bleiben Fragen offen. Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) freut sich über einen Vorgang, der „einzigartig in der Bundesrepublik“ sei und zu dem es „keine Blaupause“ gegeben habe. Das Frankfurter Bankhaus Scheich Wertpapierspezialist AG habe zuvor beschlagnahmte Kryptowährungen im Auftrag des Landes verkauft.

Privates Bankhaus erzielt Erlös für Landeskasse

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Dabei konnte ein Erlös von 100 Millionen Euro erzielt werden und das sei „ein außerordentlich großer Erfolg für das Land Hessen.“ Auch künftig werde Hessen Krypto-Assets auf diesem Weg verwerten, so die Ministerin. Das Vorgehen zeige, dass die 2019 geschaffene Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der hessischen Generalstaatsanwaltschaft (ZIT) nicht nur innovativ ermittele, sondern auch bei der Sicherung beschlagnahmter Mittel für den Landeshaushalt neue Wege gehe, sagt Kühne-Hörmann.

Die zuständige Oberstaatsanwältin Jana Ringwald erzählt, in der Vergangenheit als ZIT sogar „selbst getradet“ zu haben. Dabei sei es aber nicht um so hohe Summen wie im aktuellen Verfahren gegangen.

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NRW, Hessen und die Strafvollstreckungsordnung

Die Freude der Ermittlungsbehörden scheint zwar nachvollziehbar, beißt sich aber deutlich mit der Vorgehensweise des Landes NRW. Auch dort gibt es eine staatsanwaltschaftliche Zentralstelle, nämlich die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC NRW). Die wird von Oberstaatsanwalt Markus Hartmann geleitet, der indes ganz andere Bedingungen für eine rechtsgültige Verwertung kennt.

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NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) musste sich zur ersten Bitcoin-Auktion seines Landes nämlich die Frage stellen lassen, warum die Krypto-Assets nicht schlicht zu tagesaktuellen Kursen gehandelt würden. Und seine Antwort erstaunt im aktuellen Kontext doch ein wenig. Die bestand nämlich in einem Verweis auf die einschlägigen strafprozessualen Gesetze, allen voran die Strafvollstreckungsordnung des Bundes. Diese Strafvollstreckungsordnung definiere ein vollständig transparentes Versteigerungsverfahren als Voraussetzung für eine rechtmäßige Verwertung, so der Minister. Das solle mögliche Insidergeschäfte ausschließen und auch ansonsten jeden potenziellen Makel vom Verfahren nehmen.

Nur nachrangig – also, wenn eine Versteigerung aus zu belegenden Gründen nicht möglich ist – könne auch freihändig verwertet werden. Das dürfte in der Regel den Handel an einer Börse zu den dann tagesaktuellen Kursen bedeuten. Ebendiese erforderliche Transparenz und die Einhaltung der Strafgesetze waren laut Biesenbach die Gründe, wieso das Land NRW mit justiz-auktion.de sogar eine eigene Versteigerungsplattform ins Leben gerufen habe – die übrigens prinzipiell auch anderen Bundesländern zur Nutzung offensteht.

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Für das Land Hessen gilt aber offenbar eigenes Trading und der Abschluss einer Vereinbarung mit einer Privatbank als ebenso rechtsgültig. Das Bankhaus Scheich bestätigt, das eigene Vorgehen sei rechtssicher, erklärt aber nicht wieso. Sollte es dem Bankhaus hier tatsächlich gelungen sein, durch „das Beschreiten von Neuland“ einen „neuen Marktstandard für die Verwertung staatlich beschlagnahmter Kryptowerte geschaffen“ zu haben, wie deren Anwälte versprechen, dürfte sich die hausbackene Justiz-Auktion in NRW bald erledigt haben.

Verwertung ohne entsprechende Entscheidung?

Die zweite Frage, die sich ergibt, erfordert einen Blick auf die Herkunft der Krypto-Assets. So sollen die insgesamt zehn verschiedenen Kryptowährungen bei einem Ermittlungsverfahren gegen eine Bande von Online-Drogenhändlern beschlagnahmt worden sein. Die hatten zwischen Frühjahr 2016 und Frühjahr 2019 den kriminellen Online-Marktplatz „Wallstreet Market“ im Darknet betrieben. Der galt seinerzeit als zweitgrößte Plattform weltweit für illegale Waren. In Hunderttausenden Fällen sollen dort Drogen und andere verbotene Produkte gehandelt worden sein.

In einem Strafverfahren waren letztlich drei Beschuldigte vom Landgericht Frankfurt jeweils zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Mittwoch in Frankfurt (Main) mit. Die sichergestellten Werte seien direkt in den Besitz des Landes Hessen übergegangen, ohne dass darüber entschieden werden musste.

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Letzteres erstaunt. Ob es sich um eine fehlerhafte Formulierung handelt, ist unklar. Typischerweise werden in entsprechenden Urteilen selbstverständlich genau solche Entscheidungen getroffen. Dabei ist sogar im Detail darauf zu achten, die beschlagnahmten Werte korrekt summarisch zu erfassen, denn sonst kann passieren, was dem schwedischen Staat im Sommer passiert war: Weil eine beschlagnahmte Menge an Bitcoin nicht als Bitcoin, sondern mit ihrem Fiat-Gegenwert zum Zeitpunkt des Urteils bezeichnet worden war, musste der Staat dem verurteilten Drogendealer nach Verbüßung seiner Haft alle Bitcoin zurückgeben, die den zuvor im Urteil genannten Wert in Kronen überstiegen. Der Dealer wurde zum Millionär.

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