Zwischen Mensch und Maschine: Was macht eigentlich ein Human Robot Relations Manager?
Martha hat ein Problem mit Torben. Eigentlich sollte seine Designabteilung schon längst eine Auswahl an Skizzen für die neue CO2-Capture-Anlage für den Hausgebrauch vorgelegt haben. Die soll nämlich auf der neuen IoT-Messe, die erstmals in einem unabhängigen Metaverse ausgerichtet wird, von Martha und ihrem PR-Team vorgestellt werden. Nur: Torben hat sich verzettelt und mit seinem Team 20 statt drei Entwürfe erstellt. Die alle durchzusehen, dafür hat Martha keine Zeit.
Torben ist sich keiner Schuld bewusst. Er habe seine Anweisungen direkt von Jonas bekommen, laut dem er „erst mal machen“ sollte. Jonas ist ein neuer Kollege in Marthas Team, frisch aus dem Training und mit wenig praktischer Erfahrung in den Nuancen zwischenmenschlicher Kommunikation. Außerdem ist Jonas eine KI mit fortschrittlicher Spracherkennung, trainiert an Tausenden Seiten Fachliteratur, in einem angenehm nichtssagenden Exoskelett.
Und Torben? Torben ist ein auf technische Zeichnungen spezialisierter Cobot, also ein kollaborativer Roboter, und über das Intranet mit all seinen Maschinenkollegen vernetzt. Der aber ohne klare Arbeitsanweisungen zu unnötiger Überperformance neigt.
Diesen Kuddelmuddel aus unklarer Befehlskette, API-Kinderkrankheiten und fehlendem Feedback-Loop zu entwirren, bei der Ermittlung von Zuständigkeiten zu helfen und die Wogen zwischen menschlichen und synthetischen Arbeitskräften wieder zu glätten, das könnte in Zukunft Aufgabe von Human-Robot-Relations-Manager:innen sein. Personaler:innen also, die vermitteln und bei der Sensibilisierung für neue Arbeitsprozesse mit nicht-menschlichen Kollegen helfen. Die neben Fähigkeiten in Beziehungsmanagement und Krisenkommunikation auch noch ein grundsätzliches Verständnis für IT-Prozesse mitbringen.
Von Mensch zu Maschine zu Mensch
Vermittler:innen, egal ob von Wissen oder zwischen Menschen, gibt es in Personalabteilungen heute schon. So wie Simone Euba, die als Senior People Partner bei Personio arbeitet, einem führenden Hersteller von HR-Software. Der Weg, der Euba zu ihrem jetzigen Job geführt hat, ist halbwegs klassisch. „Ich habe Wirtschaftspädagogik studiert. Für mich war es essenziell, ganz am Anfang meines beruflichen Werdegangs mein arbeitsrechtliches Know-how auf eine fundierte Basis zu bringen“, erklärt sie. „Hierzu habe ich an der Uni Mannheim ein Zusatzstudium absolviert: Fachreferentin für Arbeitsrecht.“ Ihr Profil weiter geschärft hat Euba durch das Growth-Mindset-Konzept, das Fehler als Chance für Wachstum begreift, das Klarheitsprinzip nach Brene Brown und die generelle Idee der Allyship zur Unterstützung und Förderung diverser Stimmen für eine inklusivere Unternehmenskultur.
Für manche dürfte bei Eubas Berufsbezeichnung erst mal ein Fragezeichen über dem Kopf aufploppen. Senior People Partner – klingt nach schwammigem Jargon. Die Aufgaben von Euba seien allerdings klar definiert: „80 Prozent unserer Zeit verbringen wir mit der Beratung beziehungsweise dem Coaching von Führungskräften zu deren Anliegen – dazu gehören Themen wie Performance-Management, Leadership-Development, Changemanagement, Talententwicklung, mentale Gesundheit der Mitarbeitenden oder Konfliktberatung innerhalb der Teams.“ Weiterhin gehöre die Analyse von Daten, die die eigene Software generiert und die Ableitung von Aufgaben daraus zu einer der Kernaufgaben eines People Partners bei Personio.
Um dieses Berufsprofil auszufüllen, muss man nicht zwingend Pädagogik studieren. „Widerstands- und Konfliktfähigkeit, Empathie und transparente Kommunikation“ helfen laut Euba trotzdem. Artverwandte Studiengänge sind beispielsweise Wirtschaftspsychologie, spezialisierte Betriebswirtschaft oder, ganz klassisch, Personalmanagement. Den einen richtigen Weg in die HR-Abteilung gibt es nicht. Wer ihn allerdings einmal gefunden hat, kann laut Analysen von Stepstone als People Partner mit einem Mediangehalt von etwa 56.000 Euro brutto pro Jahr rechnen, das je nach Standort mehr oder weniger stärkeren Schwankungen unterliegt.
Bei Personio hält man es für denkbar, dass sich das Jobprofil People Partner zu Human-Robot-Relations-Manager:innen weiterentwickeln könnte. Das müsse aber an klare Voraussetzungen gebunden sein: „Moderne Technologien wie KI werden einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie wir zukünftig arbeiten. Deshalb ist es wichtig, die möglichen Sorgen und Ängste der Mitarbeitenden ernst zu nehmen und konsequent anzugehen. Ein umfassendes technisches Verständnis und eine starke Qualifikation als Mediator sind hier nötig“, heißt es vom Unternehmen. Die detaillierte Auseinandersetzung mit den technischen Grundlagen und Funktionalitäten von KI-Technologien sei dazu elementar und erfordere unter anderem eine enge Zusammenarbeit mit dem IT-Team.
Es braucht Schulungen
Kevin Gruca, Talent Acquisition Manager bei dem HR-Kommunikationssoftware-Startup Haiilo, sieht als zentrale Zusatzkompetenzen für die potenzielle Weiterbildung zu Human-Robot-Relations-Manager:innen „Tech-Skills im Bedarf, im Verständnis und in der Anwendung“ sowie technisch-emotionale Intelligenz und Veränderungsbereitschaft. Die Bedeutung der Moderationsfähigkeit von Personaler:innen und der Schulung von Mitarbeiter:innen unterstreicht auch Anne-Katrin Neyer. Sie leitet den Lehrstuhl für Personalwirtschaft und Business Governance an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg.
„Ich würde sagen, KI als Teil eines Teams kann letztendlich nur dann funktionieren, wenn alle Mitarbeitenden im Vorfeld entsprechend geschult werden“, so Neyer. „Um Innovationen zu fördern, braucht es aus meiner Sicht ein starkes Team, das eben in der Lage ist, gemeinsam komplexe Dinge zu bearbeiten und mit der Maschine in den Austausch zu gehen. Und dieser Prozess, der muss natürlich moderiert werden.“
Für Neyer müsse die Beschäftigung mit KI allerdings schon weitaus früher anfangen als im Unternehmen selbst, dann sei es in vielen Fällen schon zu spät. Es müsse „wohlwissentlich aller ethischen, rechtlichen, datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen“ Raum für Experimente mit entsprechenden Tools wie ChatGPT geben, um Menschen in der Breite der Gesellschaft abzuholen. Die Basis für die Entstehung des Jobs der Human-Robot-Relations-Manager:innen wäre also ein höheres Grundverständnis von den Prozessen, die KI-Tools zugrunde liegen – eben das Wissen darum, was eine KI oder ein Cobot kann, und was nicht.
Der Klang von Zukunftsmusik
Experteneinschätzungen und das schon existierende Berufsbild des People Partners lassen aktuell den Schluss zu: In naher Zukunft wird es vermutlich keine HR-Rolle geben, die sich rein mit dem Beziehungsmanagement von synthetischen und menschlichen Arbeitskräften auseinandersetzt. Dafür würde es erst einen flächendeckenden Einsatz zumindest teilweise autonomer KI und Roboter brauchen, und der liegt hierzulande mit Blick auf die mangelnde Digitalisierung in Unternehmen noch in weiterer Ferne.
Selbst in der Industrie, die schon jetzt in der Fertigung und Automatisierung von Fleißarbeit Cobots einsetzt, braucht es diese Spezialistenrolle noch nicht. „Meiner Meinung nach ist das abhängig von der Größe und der Komplexität der Teams“, ergänzt Kevin Gruca. „Sofern relevante Kompetenzen vorhanden sind oder beigebracht werden können, könnten diese Aufgaben auch durch HR-Professionals in Zusammenarbeit mit IT-Experten erfüllt werden.“
Aber sich in die Richtung der Robot-Relations-Manager:innen weiterzubilden – das kann schon jetzt sinnvoll sein. Etwa, indem Menschen lernen, KI und deren Funktionen zu erklären. Fehlende Kenntnisse oder ein mangelndes Verständnis der Funktionalität von KI können schnell dazu führen, dass neue Entwicklungen im ersten Moment beängstigend wirken. Umso wichtiger wird es sein, umfassende Aufklärung zu betreiben, und insbesondere die Funktionsweise und Basis, aufgrund derer die KI-Kollegen und Cobots ihre Entscheidungen treffen, transparent und offen darzulegen.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem spezialisierte Human-Robot-Relations-Manager:innen notwendig werden würde, wäre also genug Zeit, beispielsweise das Profil eines People Partner zu erweitern, bereits aktive Personaler:innen entsprechend zu schulen und weiterzubilden. Genau wie eine Angestellte wie Martha, der vielleicht nur das Verständnis für die Abläufe von Torben und Jonas fehlt. Denn je mehr Wissen über die Prozesse, die KI und Co. antreiben, vor der Einführung vermittelt wird und je effizienter Vorurteile schon im Vorfeld abgebaut werden können, desto eher lässt sich diese Zusatzaufgabe von technikaffinen HR-Professionals selbst erledigen.