Die Wissenschaft hat ein Problem: Zwar gibt es viele Studien darüber, welchen Einfluss Smartphone-Nutzung auf unser Befinden hat, die verlassen sich in aller Regel aber auf die selbstgeschätzte Bildschirmzeit der Studienteilnehmer. Eine Forschergruppe der Stanford University argumentiert jedoch, dass diese Angaben viel zu ungenau seien. „‚Auf Facebook verbrachte Zeit‘ könnte daraus bestehen, herauszufinden, was deine Freunde tun, an einem Geschäftstreffen teilzunehmen, einzukaufen, Spenden zu sammeln, einen Nachrichtenartikel zu lesen, jemanden zu schikanieren oder sogar zu stalken. Das sind sehr unterschiedliche Aktivitäten, die wahrscheinlich sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Gesundheit und das Verhalten einer Person haben“, erklärt das Forscherteam in einem Artikel, der im US-amerikanischen Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde.
Um das Problem zu lösen und genauere Daten über die tatsächliche Smartphone-Nutzung zu erhalten, haben die Stanford-Forscher das Human Screenome Project ins Leben gerufen. Die zugrunde liegende Software soll alle paar Sekunden einen Screenshot anfertigen und über eine verschlüsselte Verbindung an die Forscher schicken. So erhoffen sich die Wissenschaftler einen deutlich genaueren Einblick in unser Nutzungsverhalten. „Letztendlich werden die Forscherinnen und Forscher in der Lage sein, die Einflüsse auf physiologische und psychologische Zustände, die soziologische Dynamik von zwischenmenschlichen und Gruppenbeziehungen über Tage und Wochen hinweg und sogar kulturelle und historische Veränderungen, die über Monate und Jahre hinweg entstehen, von Moment zu Moment zu untersuchen“, hoffen die Wissenschaftler.
Human Screenome Project: Was Forscher aus den Daten lesen können
Für ihre Studien haben die Forscher bereits rund 30 Millionen Screenshots von mehr als 600 Testpersonen gesammelt. Um zu zeigen, was sich aus diesen Daten lesen lässt, haben die Wissenschaftler einen Vergleich der Smartphone-Nutzung zweier Teenager veröffentlicht. Zwar hängt Teenager A im Schnitt nur 3,67 Stunden pro Tag am Smartphone, während Teenager B es auf 4,68 Stunden bringt, doch dafür verteilt sich seine tägliche Nutzung auf insgesamt 186 kurze Smartphone-Sessions. Die Smartphone-Zeit von Teenager B verteilt sich hingegen auf 26 etwa doppelt so lange Sessions. Die von den Forschern gemessene Fragmentierung der Gesamtbildschirmzeit könnte unterschiedliche Auswirkungen auf die beiden Heranwachsenden haben.
„Der Ansatz, den wir vorschlagen, ist komplex, aber nicht mehr als die Bewertung von genetischen Prädiktoren für psychische und physische Zustände und Verhaltensweisen“, erklären die Wissenschaftler und erinnern daran, dass Analysen von Gesamteinheiten ähnlicher Einzelelemente von der Genforschung über die Neurowissenschaften bis hin zur Partikelphysik erfolgreich eingesetzt werden. „Jetzt, wo sich so viel von unserem Leben auf unseren Bildschirmen abspielt, könnte sich diese Strategie als genauso wertvoll für das Studium der Medienwissenschaften erweisen.“