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Ratgeber

Wie du innerhalb von 2 Tagen ein Unternehmen in Estland gründest

Wer schon mal ein Unternehmen gegründet hat oder kurz davor steht, weiß, wie aufwändig das ist. Handelsregistereinträge, Notare, Bankkonten und der Papierkrieg mit den Behörden machen die Firmengründung zu einer zweiwöchigen Angelegenheit. Wie es dagegen in maximal zwei Tagen geht, zeigt das Beispiel aus Estland.

Von Jake Pietras
7 Min.
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(Foto: Enterprise Estonia)

In dem kleinen nordischen EU-Land mit gerade einmal 1,3 Millionen Einwohnern geht die Firmengründung nämlich digital. Genau wie die Handelsregistereinträge, die Anmeldung eines Bankkontos, die Meldung bei allen notwendigen Behörden und all das – ohne das Haus verlassen oder überhaupt in Estland sein zu müssen! Wie Estland das geschafft hat, was in Deutschland immer noch mit viel Papier, Wartezeiten und Kosten verbunden ist? Volldigitalisierung, Interoperabilität und ein bisschen Druck.

Historisch-digital gewachsen

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Der entstand nach dem Fall der UDSSR, als sich das Land vom ehemaligen Kalter-Krieg-Player souverän abspaltete. Estland stand vor der Mammutaufgabe der Neustrukturierung des Landes, vor allem in der Bürokratie. Die unglaublich aufwändigen Prozesse der vorigen Jahrzehnte waren keine Option mehr für einen Neuanfang, also begann das Land damit, die Daten seiner Bürger zentral und für die Behörden übergreifend zugänglich zu erfassen.

Diese Interoperabilitätsplattform namens X-Road macht es seitdem möglich, Bürger-, Firmen- und Behördendaten zwischen allen Parteien auszutauschen. Dieses auch von der Bundesregierung Deutschland mühsam in der Umsetzung befindliche Prinzip ist in Estland übrigens vor rund 19 Jahren eingeführt worden.

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Es schuf die Basis für papierlose Einkommenssteuererklärungen, die in drei Minuten vom Smartphone aus erledigt werden können; für E-Voting, ebenfalls vom Smartphone aus, und für die Erledigung von Bankgeschäften, Neuwagenanmeldungen, die elektronische Patientenakte und nahezu allen Behördengänge, zu denen auch die Firmengründung gehört.

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Besonders für Digitalnomaden und Serviceanbieter ist die e-Residency interessant (Foto: Enterprise Estonia)

Besonders für Digitalnomaden und Serviceanbieter ist die E-Residency interessant. (Foto: Enterprise Estonia)

Maximaler Datenschutz und Einsicht für Bürger

Ein besonders junges und fortschrittlich denkendes Kabinett hatte die Infrastruktur damals auf den Weg gebracht. Bereits seit Jahren zahlen die Esten mit ihrem Personalausweis im Geschäft, nutzen ihn als Krankenversicherungskarte, sammeln Bonuspunkte bei Einkäufen und signieren Verträge mit diesem Ausweis digital. Ihr wisst schon: Das, was nach der Einführung des elektronischen Personalausweises nPa in Deutschland seit Jahren möglich sein sollte.

Für alle, die gerade denken, dass das im Grunde der totale Überwachungsstaat ist, wie in George Orwells Roman 1984 beschrieben: Der Datenschutz und Zugriff auf persönliche Daten ist dank einer Blockchain-Lösung stark reglementiert. Jeder einzelne Bürger kann online einsehen, wer wann welche Information eingeholt hat, und das bei Wunsch per Klick sperren. Auch bei staatlichen Behörden, die Datenpunkte ohnehin nur ein Mal anfragen dürfen. Das ist meilenweit dem voraus, was eine maximal intransparente Schufa, GEZ (ich weiß, dass die anders heißen), Behörden oder Unternehmen in Deutschland und auch anderen Ländern tun. Interoperabilität und Datentransparenz sei Dank.

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E-Bürgerschaft beantragen

Um auch Ausländer in den Genuss dieser Vorteile kommen zu lassen, hat die estnische Regierung vor rund sechs Jahren ein sehr interessantes Modell entwickelt, dass sich E-Residency nennt. Diese elektronische Bürgerschaft steht nahezu jedem Menschen weltweit zur Verfügung. Bürger einiger weniger Risikostaaten kommen leider nicht in den Genuss und massiv Kriminelle dürften bei der Beantragung ebenfalls von der Grenzpolizei Estlands ausgesiebt werden.

Das e-Residency-Kit: Kartenleser und ID-Karte (Foto: Enterprise Estonia)

Das E-Residency-Kit: Kartenleser und ID-Karte. (Foto: Enterprise Estonia)

Wie werde ich digitaler Bürger Estlands?

Alle anderen können sich aber nach einem relativ einfachen Anmeldeprozess über eine Website, darüber freuen, digitaler Bürger des Landes Estland zu werden. Neben einem biometrischen Foto und einigen persönlichen Angaben erhebt Estland 100 Euro plus eine Versandgebühr von 20 Euro. Die fällt an, falls ihr das E-Residency-Kit nicht in Estland, sondern in einer Botschaft im (estnischen) Ausland abholen wollt – was vermutlich der häufigste Fall sein wird.

So sieht ein glücklicher e-Resident aus (Foto: Jake Pietras / t3n.de)

So sieht ein glücklicher E-Resident in der Botschaft aus. (Foto: Jake Pietras / t3n.de)

In meinem Fall hat das etwa vier Wochen gedauert und ich konnte meinen Ausweis in der estnischen Botschaft in Brüssel abholen, die für mich am nächsten war. Warum Estland das Dokument nicht per Post verschickt? Weil es sich zum einen um ein offizielles Dokument handelt, das persönlich abgeholt werden muss. Zum zweiten werden bei der Übergabe, wie beim deutschen Personalausweis auch, Fingerabdrücke gespeichert. Insgesamt dauert der Prozess also länger als 48 Stunden, sofern ihr das erste Unternehmen gründet. Die Gründung an sich ist dann aber wirklich in maximal zwei Tagen digital erledigt und die meiste Zeit wartet ihr auch nur (siehe unten).

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Was habe ich davon, digitaler Bürger zu sein?

Das Kit enthält einen Ausweis, der euch als digitaler Bürger Estlands ausweist und einen Chip enthält, mit dem ihr euch identifizieren könnt. Das passiert über den dem Kit beigelegten USB-Stick, der zum Kartenleser ausgeklappt wird und dann mit jedem Mac, PC oder Smartphone verwendet werden kann, gegebenenfalls eben mit Adapter. Alternativ könnt ihr eure Identität aber auch mit der App Smart-ID koppeln und sie dann statt dem Ausweis nutzen. „Auf dem Chip ist die digitale Identität gespeichert und man ist damit in der Lage, alle Dienste in Anspruch zu nehmen, die auch ein ‚analoger‘ Bürger Estlands nutzen kann. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, denn wir sprechen hier nicht von einer doppelten Staatsbürgerschaft“, so Ott Vatter, Managing Director des E-Residency-Programms im Gespräch.

Das e-Residency-Kit (Foto: Enterprise Estonia)

Das E-Residency-Kit. (Foto: Enterprise Estonia)

Der Ausweis besitzt zwar die gleiche Funktion, wie der estnische Personalausweis, da ihr aber kein Staatsbürger seid, könnt ihr mit dem Ausweis weder in Länder ein- oder ausreisen, ihn als Zahlungsmittel nutzen, noch Dienste in Anspruch nehmen, für die ihr Este sein müsst. Wählen, beispielsweise. Das wollt ihr aber vermutlich eh nicht, zumal der interessanteste Vorteil eh ein anderer ist: Ihr dürft mit der E-Bürgerschaft ein Unternehmen in Estland gründen. Und könnt rechtsverbindliche Verträge digital mit zwei, drei Mausklicks oder dem Smartphone unterschreiben.

Die Rechtsformen und Firmengründung in Estland

Es handelt sich dabei nicht um ein Pseudo-Unternehmen mit einer Rechtsform nur für Ausländer, sondern eines, das genauso ordentlich in Register eingetragen und verwaltet wird wie estnische Firmen. Die Rechtsform ist dabei von eurem Vorhaben abhängig und kann als haftungsbeschränkte Partnergesellschaft oder als Pendant der GmbH gewählt werden. Die wird international oft „Limited“ bezeichnet, heißt in Estland OÜ und setzt im Gegensatz zu Deutschland ein Stammkapital von mindestens 2.500 Euro insgesamt voraus. Sämtliche möglichen Rechtsformen findet ihr hier.

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Wenn ihr euren Businessplan fertig habt oder zumindest relativ gut wisst, was ihr vorhabt, und eine Rechtsform gewählt habt, geht’s an die Firmengründung. Und interessanterweise ist das der unaufwändigste Teil eurer Journey, wenn ihr Unternehmer werden wollt. Denn Estland hat einige Unternehmen zertifiziert, die euch gegen eine Gebühr sämtliche Aufgaben, wie Handelsregisteranmeldungen und die Buchführung, abnehmen sowie den staatlich vorgeschriebenen Repräsentanten eures Unternehmens im Land stellen. Inklusive ordentlicher Firmenadresse, Telefonservice und optional Büroräume, falls ihr das möchtet.

Unternehmensgründung-as-a-Service

Ja, ihr könnt das auch alles zu Fuß machen, aber der Aufwand dürfte kaum die sehr moderaten Kosten rechtfertigen, den Dienstleister wie Xolo, 1Office oder E-Residency Hub veranschlagen. Letztere möchten beispielsweise einmalig 215 Euro zum Aufsetzen des Unternehmens, wobei Estland davon 190 Euro veranschlagt.

Eine Firmenadresse und ein Ansprechpartner kosten euch 20 Euro pro Monat und je nachdem, ob ihr die Buchführung, Assistenten oder die Steuerabwicklung braucht, seid ihr ab 10 Euro pro Monat dabei. Alternativen und Unternehmen, die sich auf andere Dinge spezialisieren, findet ihr in einer Übersicht hier.

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Keine Unternehmenssteuer für E-Residents

Wer sich nun ernsthaft überlegt, in Estlands digitales Ökosystem einzusteigen, wie ich es getan habe, darf sich im Zuge über folgende Vorteile freuen:

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Ihr zahlt keine Steuern! Ok, das war ein bisschen plakativ, aber nicht ganz falsch. Denn de facto zahlt ihr auf sämtliche Einnahmen keine Unternehmens- oder irgendwelche Spaßsteuern, die ihr wieder in eurer Business reinvestiert. Was das Ganze natürlich für Startups interessant macht, die jeden Euro für ihr Wachstum nutzen müssen. Kauft ihr also Büroausstattung, tätigt Dienstreisen, kauft Cloud-Services oder Server müssen diese Einnahmen nicht versteuert werden. Auch nicht, wenn das Geld nur so auf dem Firmenkonto rumliegt.

Was ist mit Einkünften?

Da man sich aber das eine oder andere Brötchen schmieren möchte, muss man das Geld aber dann doch irgendwann anfassen und dann muss natürlich versteuert werden. Estland erhebt dann eine Steuer von 20 Prozent und ihr gebt das an euch ausbezahlte Geld als Einkommen auf eurer Steuererklärung an. Im Grunde sehr simpel und zudem kein Steuerparadies, wie man hätte vermuten können.

Vom finanzielles Aspekt abgesehen, ist ein estnisches Unternehmen natürlich in der EU und kann somit von den Gesetzen und der Reputation profitieren. Was für Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern interessant sein dürfte, die nicht an die Fronten des Handelskrieges zwischen den USA und China möchten.

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Lohnt sich die E-Residency für mich?

Die E-Residency bietet sich vor allen Dingen dann an, wenn man ein Unternehmen oder Startup lean und ohne viel administrativen Aufwand gründen und führen möchte. Besonders Serviceprovider mit digitalen Produkten, aber auch Dropshipping oder Beratungstätigkeiten sind hier besonders beliebte Beispiele, wie mir Katrin Vaga, PR-Chefin für E-Residency mitteilte. Die meisten E-Bürger Estlands sind übrigens Deutsche, darunter auch Angela Merkel.

Wer die Idee der digitalen Staatsbürgerschaft cool findet, aber kein Unternehmen gründen möchte, kann die E-Residency natürlich ebenfalls beantragen und unterstützt damit Estland als Hidden Champion im Rennen um den Titel „Silicon Valley Europas“. Das Land hält mit Transferwise, Xolo, Veriff oder Starship eine Menge Perlen und eine sehr lebhafte und gut geförderte Startup-Kultur parat.

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