IPv6: Warum der neue Standard mehr bietet als 340 Sextillionen IP-Adressen
Die Adressräume im IPv4-Bereich werden immer knapper. Zwar sind die verfügbaren IP-Adressen noch nicht erschöpft, die letzten verfügbaren Bereiche wurden aber schon an die jeweiligen Organisationen zugewiesen. Doch die Adressknappheit ist nicht der einzige Grund, warum ein neuer Standard in Form von IPv6 verabschiedet und eingeführt werden musste.
IPv6: Gar nicht mal so neu
Für viele ist der Begriff IPv6 erst letztes Jahr in den Fokus gerückt. Dabei ist der neue Standard schon 1998 verabschiedet worden. Im Netz kursieren viele Informationen und Stimmen dazu, oft auch kritische. Besonders Privatanwender, die plötzlich in ihrer „Bewegungsfreiheit“ eingeschränkt sind, weil ihre Anschlüsse nicht mehr durch DynDNS-Dienste aus dem Internet erreichbar sind, beklagen sich lautstark über die ungewollte IPv6-Umstellung. Auch Datenschützer kritisieren die neue Adressierungsmethode.
Der Wechsel von IPv4 auf IPv6 scheint auf den ersten Blick tatsächlich ein wenig seltsam. „Warum wird eine Version übersprungen?“, fragen sich einige. Das aber ist gar nicht der Fall, es gibt IPv5 nämlich durchaus. Hierbei handelt es sich jedoch um ein experimentelles Protokoll, das für die Echtzeitübertragung entwickelt wurde. Es wurde insbesondere für Video- und Audiodaten entwickelt, wurde jedoch niemals für den öffentlichen Betrieb eingesetzt.
IPv6: Unendliche Adressweiten
Einer der Hauptgründe für die Einführung von IPv6 ist die schwindende Anzahl der verfügbaren IPv4-Adressen, die zwingend erforderlich sind, um die Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Jedes Gerät, das an der Netzkommunikation teilnehmen soll, benötigt eine eindeutige IP-Adresse. Das heißt: Jeder Server, jeder Computer, jedes Smartphone und alle anderen erdenklichen Geräte bis hin zum modernen Thermostat (Internet of Things) muss erreichbar sein. Da mit IPv4 mit einer Länge von nur 32 Bit nur rund 4,3 Milliarden Adressen vergeben werden können, reicht dieser Adressraum bei der steigenden Anzahl internetfähiger Geräte nicht mehr aus.
Natürlich gibt es Technologien wie NAT, durch die mehrere Geräte sich eine IP-Adresse teilen können und weiterhin erreichbar sind. Auf die Nachteile dieser Technik komme ich aber später noch zu sprechen. IPv6 hingegen bietet mit einer Länge von 128 Bit eine schier gigantische Menge an IP-Adressen. Genauer gesagt können 3,4 mal 10 hoch 38 (340 Sextillionen) verschiedene IP-Adressen zugewiesen werden. So kann jedes Gerät auf der Welt eine IP-Adresse bekommen. Rein theoretisch können pro Quadratmeter Fläche auf der Erde rund 1500 IP-Adressen genutzt werden.
Feste IPs entlasten das gesamte Netz
Mit IPv6 kann die Network-Address-Translation weitgehend vermieden werden. Das so genannte NAT umfasst Verfahren, mit denen Adressinformationen in Datenpaketen durch andere ersetzt werden, um verschiedene Netze zu verbinden. Zuhause finden wir NAT-Technologie in jedem Router. So wird es mehreren Geräten möglich, über nur eine IP-Adresse mit der Außenwelt zu kommunizieren.
Auch in großen Rechenzentren müssen solche Übersetzungsvorgänge stattfinden, was mitunter zu sehr hohen Rechenlasten und entsprechenden Kosten führt. IPv6 ermöglicht ein weitgehendes Wegfallen von NAT-Technolgien und macht so eine schnellere und effizientere Weiterleitung von Datenpaketen möglich, was langfristig zu einer schnelleren Infrastruktur führen könnte.
Effizienteres Routing und echte Ende-zu-Ende-Kommunikation
Ein wesentlicher Vorteil von IPv6 ist das verbesserte Routing. Durch einen angepassten IP-Header wird die Identifikation von Datenströmen vereinfacht. Routing-Tabellen werden mit dem neuen Protokoll somit drastisch vereinfacht.
Jedes Gerät kann im IPv6-Universum eine feste, einzigartige IP-Adresse haben. Sobald IPv6 vollständig implementiert ist, wird jeder Host theoretisch (wenn wir Firewalls und sonstige Konfigurationen ausklammern) in der Lage sein, einen anderen direkt über das Internet zu erreichen.
Auch in Sicherheitsaspekten ist IPv6 IPv4 überlegen. Während für die Verschlüsselung der Kommunikation über IPv4-Lösungen wie SSL, VPN und so weiter nötig werden, beinhaltet IPv6 IPSec als Verschlüsselungsstandard, sodass eine bessere Datensicherheit im Vergleich zu IPv4 gewährleistet werden kann. Leider ist der IPSec-Zusatz mittlerweile optional, sodass Anbieter sich auch gegen die Implementation entscheiden können.
Vorteile für mobile Geräte
Auch für mobile Geräte bringt IPV6 Vorteile mit sich. So können mobile Devices wie Smartphones von einem weltweiten Roaming profitieren, ohne dabei ihre IP-Adresse zu verlieren. So kann die Datenübertragung zu diesen Geräten effizienter gestaltet werden, was vor allem bei Echtzeitanwendungen wie Voice Over IP zum Tragen kommen sollte.
Durch den Aufbau von IPv6 wird eine hierarchische Vergabe von IP-Adressen möglich. Dadurch wird eine automatische Konfiguration in IPv6-Netzen möglich, wodurch Technologien wie DHCP nicht mehr benötigt werden, das Fehlen eines DHCP-Servers nicht in Funkstille endet und das Management von Netzwerken deutlich erleichtert wird. Sollte eine feste Adressvergabe nötig sein, ist sie weiterhin über DHCPv6 möglich.
Verbesserte Priorisierung
IPv4 bietet einige Priorisierungsmechanismen für eine schnellere Übertragung von Daten. Um von diesen profitieren zu können, müssen jedoch sowohl beide Endgeräte, als auch alle weiteren Netzwerkkomponenten, die in der Kommunikation zwischen diesen Endgeräten zum Einsatz kommen, diese Technologien unterstützen. Bei IPv6 hingegen ist eine solche Quality-Of-Service-Technologie (QoS) direkt eingebaut, sodass die Priorisierung von Datenpaketen für ein effizienteres Routing immer möglich ist.
Diese Funktion könnte die Netzneutralität gefährden, ist jedoch ein Gewinn für Anwendungen, die auf Echtzeitübertragung angewiesen sind, da so ein deutlich effizienteres Routing erfolgen kann – ob über das Internet oder in internen Netzwerken.
Kritikpunkte
Viele Privatanwender kritisieren den neuen Standard, der ihnen häufig beim Wechsel des Anbieters „aufgezwungen“ wird, da sie nicht mehr wie gewohnt von unterwegs auf ihr Heimnetzwerk zugreifen können. Das liegt daran, dass IPv6 anders als bei Weiterentwicklungen üblich, nicht kompatibel zum Vorgänger IPv4 ist. Viele Anbieter nutzen daher eine so genannte Dual-Stack-Technologie, bei der Benutzern eine IPv6- und eine IPv4-Adresse zur Kommunikation zur Verfügung gestellt werden. Die IPv4-Adresse kann jedoch in den meisten Fällen nicht zum Zugriff auf das heimische Netz benutzt werden.
Auch die Vergabe von theoretisch ein Leben lang gültigen IP-Adressen ist vielen ein Dorn im Auge. Datenschützer befürchten eine vollständige Überwachung. Zwar bieten einige Anbieter so genannte „Privacy Extensions“ für die Vergabe von IPv6-Adressen, bei denen weiterhin alle 24 Stunden eine neue IP-Adresse vergeben wird. Außerdem haben Benutzer die Möglichkeit, ihre IP-Adressen selbst zu ändern beziehungsweise automatisch vom Betriebssystem ändern zu lassen. Den faden Nachgeschmack der Totalüberwachung wird IPv6 aber so schnell nicht loswerden können.
Dennoch kommen wir nicht am neuen Standard vorbei. In Zukunft werden wir nicht nur von den großzügigen Adressräumen, sondern langfristig auch von den verbesserten Routing-Möglichkeiten von IPv6 profitieren. Die Auswirkungen sollten in der Theorie besonders bei einer weitgehenden Komplettumstellung spürbar werden.
Wann ist ipv6 verabschiedet? 19xx?
Meintet ihr 1998? :)
Ja, das kommt davon, wenn man statt auf „Speichern“ auf „Veröffentlichen“ klickt. Der Button ist aber auch so schön bunt….
Kein NAT mehr ist schön und gut in Rechenzentren.. Aber ich will nicht, dass die hunderten PCs in meinen Netzen alle eine eigene externe IP haben ^^
@geek: „Aber ich will nicht, dass die hunderten PCs in meinen Netzen alle eine eigene externe IP haben ^^“
Wieso nicht? Was spricht dagegen?
War es nicht so, das das untere Hälfte der IP-Nummer dann Mac-Adresse ist so das man überall erkennbar bleibt ? Klar kann man das ändern aber die meisten werden es wohl nicht und die vielen WiFi-Router werden es vielleicht auch nicht und weisen einem eine DHCP-Adresse zu wo die Mac-Adresse offen drinsteht so das alle Webserver die man aufruft einen mit Namen begrüßen können wenn man sich dort schon ein mal mit diesem Gerät angemeldet hatte. Quasi eine neue Art von Cookie.
Davon abgesehen wäre es sinnvoll wenn man mit dem Phone, Laptop, Tablett in mehreren IP-Netzen gleichzeitig drin sein könnte, weil es immer mehr Ad-Hoc-Netze und Einzelgeräte gibt, mit denen man zeitgleich kommunizieren will. Im Ikea würde man seine Emails über die SIM-Karte abrufen aber den Ikea-Katalog über den Ikea-Router abrufen und im Restaurant über einen anderen Router Zeitschriften-Websites lesen und kaufen können.
Wie im Text beschrieben soll es ja anscheinend Handover geben können und man kann sich von einem Wifi-Netz zum nächsten hangeln und z.b. Sky-Go oder YouTube im Taxi oder Bus gucken wo WiFi-Netze verfügbar sind.
Prinzipiell kannst du dir diesen Teil der IPv6 Adresse selbst zusammenstellen. Bei einer Autokonfiguration wird die Mac-Adresse aber tatsächlich als Grundlage für die Erstellung der IPv6 Adresse genommen. Oder man erhält vom DHCPv6 Server eine Adresse zugewiesen. Auf den ersten Teil der IP-Adresse hat dann noch der Provider Einfluss.
Für Mobile Geräte gibt es einige sehr komplexe Mechanismen, die das Handover vereinfachen sollen. Es ist beispielsweise von einem „Ghost“-Device die Rede, das unter der „festen“ IPv6 Adresse zu erreichen ist und dann dafür sorgen kann, dass die Daten optimal an die tatsächliche Adresse des Gerätes geroutet werden können.
Bei besonderem Interesse würde ich http://www.tutorialspoint.com/ipv6/ipv6_quick_guide.htm zum Einlesen empfehlen.
@Ilja Zaglov: Danke für die Ergänzungen.
Mir gings halt darum das Router die Mac-Adresse einbauen und einen somit überall melden und man darauf halt keine Kontrolle hat.
Hotels die man von zu Hause buchen will erkennen an der Mac-Adresse das man schon mal in deren WiFi eingeloggt war und können einen mit Namen begrüßen oder individuelle Preise festlegen.
Google kennt alle Geräte. Man braucht ja den Appstore.
usw.
Eine Liste aller Geräte und vermutlicher Eigentümer liegt dann bei allen befreundeten Staaten.
Für Handies die IMEI speichern und welche Sim-Karten drin waren oder wer wessen WiFi-Router genutzt hat zeigt auch auf wer wen kennt und wem welches Gerät gehört und erhöht neben den Anruflisten auch noch die Vernetzung. Jeder kennt jeden über 6 Schritte sagt die Wissenschaft. Viel Speicher braucht das nicht.
Das mit den Ghost-Devices als Weiterleitung klingt nett und sinnvoll. Simple Dinge wie Bluetooth-Router, transparente USB-Verlängerungen usw. gibts leider bis heute nicht.
Und in den Standartisierungsgremien sitzen zwar immer wieder neue Leute aber wiederholen bekannte Fehler bzw. verbessern leider nur Teile.
Wie schön, dass trotz dem ganzen Vorteile t3n.de nicht über IPv6 erreichbar ist. So ist das dann, wenn man nicht bei sich selbst anfängt, und lieber auf andere schielt.
> „Rein theoretisch können pro Quadratmeter Fläche auf der Erde rund 1500 IP-Adressen genutzt werden.“
Ich weiss, der Artikel ist schon alt, aber mir muss mal einer die Rechnung für diese Zahl erklären.
Die Erdoberfläche beträgt ~510 Millionen km², macht umgerechnet: 510000000000000m². Macht bei mit:
128^8 / 510000000000000 =141,289 IP-Adressen/m² Erdoberfläche
Selbst wenn man nur die reine Landfläche von 149430000000000 nimmt, komme ich „nur“ auf rund 482 IP-Addressen pro m².