Künstliche Intelligenz statt Hausarzt: Chinesisches Startup erprobt KI-Klinik in Saudi-Arabien

Ein chinesisches Startup namens Synyi AI aus Shanghai hat im April in der saudi-arabischen Region Al-Ahsa eine Pilotklinik eröffnet, in der eine Künstliche Intelligenz namens „Dr. Hua“ Patient:innen diagnostiziert. Die von der KI erstellten Behandlungspläne werden anschließend von menschlichen Ärzt:innen überprüft und freigegeben, wie Bloomberg (Paywall) berichtet. Das Projekt ist eine Kooperation mit der lokalen Almoosa Health Group aus Al-Ahsa.
So funktioniert der KI-Doktor
Patient:innen beschreiben ihre Symptome über ein Tablet an „Dr. Hua“. Die KI stellt daraufhin Folgefragen und analysiert mithilfe menschlicher Assistent:innen Daten und Bilder wie Kardiogramme oder Röntgenaufnahmen. Auf dieser Basis erstellt „Dr. Hua“ einen Behandlungsplan, der jedoch, so Bloomberg, zwingend von einem/einer menschlichen Mediziner:in kontrolliert werden muss, bevor er zur Anwendung kommt. Diese:r Mediziner:in hat dabei keinen direkten Patient:innenkontakt.
Ziel des Tests sei es, so Bloomberg, die KI als erste Anlaufstelle in der medizinischen Behandlung zu etablieren. Wie das Medium weiter berichtet, wurden bisher einige Dutzend Patient:innen im Rahmen des kostenlosen Testprogramms behandelt. Synyi AI aus Shanghai sammelt während dieser Phase Diagnosedaten, die den saudischen Behörden zur Genehmigung vorgelegt werden sollen. Eine kommerzielle Nutzung werde laut Unternehmensangaben innerhalb von 18 Monaten angestrebt, wie unter anderem Kr Asia meldet. Das Projekt fügt sich in die umfassende „Vision 2030“ Saudi-Arabiens ein, die eine technologische Modernisierung des Landes vorsieht.
Aktuell konzentriert sich „Dr. Hua“ auf die Diagnose von rund 30 Atemwegserkrankungen, darunter Asthma und Pharyngitis. Synyi AI gibt an, dass die Technologie in Tests eine Fehlerrate von unter 0,3 Prozent aufgewiesen hat, wie Bloomberg unter Berufung auf den CEO des Unternehmens berichtet.
Solche KI-gestützten Diagnoseansätze sind Teil eines globalen Trends. Auch Unternehmen wie Ada Health aus Berlin oder das britische Unternehmen Babylon Health (inzwischen Teil von eMed aus den USA) arbeiten seit Längerem an ähnlichen Systemen zur Symptomanalyse und Diagnoseunterstützung. Wie Bloomberg berichtet, entwickelt in China beispielsweise Medlinker mit MedGPT ein vergleichbares Tool, das ebenfalls eine hohe Diagnosegenauigkeit für sich beansprucht.
Große Pläne, ärztliche Skepsis und die Vision des CEOs
Synyi-Chef Zhang Shaodian sieht den nächsten Entwicklungsschritt darin, „KI Patient:innen direkt diagnostizieren und behandeln zu lassen“ und erwartet eine Effizienzsteigerung „um das Zehnfache“. Er sieht laut Bloomberg zudem großes Potenzial der KI darin, Kosten im Gesundheitswesen signifikant zu senken und die medizinische Versorgung in entlegenen Gebieten zu verbessern.
Allerdings stößt das Vorhaben auch auf Vorbehalte. Ngiam Kee Yuan, ein leitender Berater am National University Hospital in Singapur, äußert sich gegenüber Bloomberg skeptisch und merkt an, dass selbst die besten Versuche, KI-Ärzt:innen zu entwickeln, zumindest bisher „nicht einmal auf dem Niveau eines Hausarztes“ funktionieren würden. Dylan Attard, Mitbegründer und CEO des Medizintechnik-Medienunternehmens Medtech World, betont laut Bloomberg die Notwendigkeit von Leitplanken für medizinische KI, „um Sicherheit, Wirksamkeit und öffentliches Vertrauen zu gewährleisten“, da diese sich „direkt auf das Leben von Menschen“ auswirke.
Saudi-Arabien als KI-Hub: Strategie, Investitionen und regulatorische Hürden
Saudi-Arabien positioniert sich zunehmend als Testfeld für fortschrittliche KI-Anwendungen im Gesundheitswesen. Das Königreich hat laut Tech in Asia über 50 Milliarden US-Dollar für digitale Gesundheitsinitiativen bereitgestellt. Eine zentrale Rolle spielt dabei die nationale KI-Strategie, die durch Gründungen wie HUMAIN, ein vom saudischen Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) aus Riad unterstütztes KI-Unternehmen, vorangetrieben wird, wie die saudische Presseagentur SPA meldet.
Dabei gibt es offenbar regulatorische Hürden, die aus unkoordinierten Zuständigkeiten zu bestehen scheinen. So ist die Saudi Data and Artificial Intelligence Authority für die Regulierung und Entwicklung von Daten- und KI-Technologien zuständig. Allerdings obliegt die Regulierung von KI-basierten Medizinprodukten der Saudi Food and Drug Authority. Um hier keinen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen, hat die Behörde bereits eine spezifische Richtlinie – den Leitfaden „MDS-G010“ – veröffentlicht, wie in Pubmed nachgelesen werden kann.
Eine Art Kompetenzungenauigkeit gibt es dennoch, sodass es nicht verwundert, dass als Herausforderungen bei der KI-Einführung in Saudi-Arabien unter anderem „fehlende Richtlinien zur Unterstützung von künstlicher Intelligenz, unzureichendes Kapital für Infrastruktur und Personal sowie fehlende Kulturen zur Akzeptanz von künstlicher Intelligenz“ genannt werden, wie eine Studie in Frontiers in Artificial Intelligence (PDF) feststellt.
Chinesische Tech-Expansion und Synyi AIs globaler Vorstoß
Der Testlauf von Synyi AI ist Teil eines größeren Trends, bei dem chinesische Gesundheitsunternehmen im Nahen Osten Fuß fassen wollen. So berichtet Bloomberg beispielsweise auch über die Shanghai Fosun Pharmaceutical Group und die XtalPi Holdings, die ebenfalls in der Region aktiv werden.
Demnach hat die Shanghai Fosun Pharmaceutical Group eine Vereinbarung mit der saudischen Fakeeh Care Group zur Förderung von Zell- und Gentherapie sowie Tele-Diagnostik getroffen. Das ebenfalls chinesische, KI-gestützte Wirkstoffforschungsunternehmen XtalPi Holdings wiederum richtet ein Robotiklabor in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein.
Für Synyi AI, gegründet 2016 und unterstützt von Investoren wie Tencent, Hongshan Capital und GGV Capital, ist Saudi-Arabien der erste Auslandsmarkt, wie News Bytes und Pitchbook anhand von Unternehmensangaben berichten. Synyi AI hat wiederum laut eigenen Angaben in China bereits mit über 800 Krankenhäusern, Kliniken und medizinischen Hochschulen zusammengearbeitet.