Die meisten Menschen wollen lieber durch Lob ruiniert als durch Kritik gerettet werden. Als ich diesen Satz das erste Mal von einem Verwandten hörte, brachte er mich zum Nachdenken. Kritikfähigkeit gehörte vor allem während meiner Schulzeit nicht unbedingt zu meinen Stärken. Tatsächlich bin ich nämlich jemand, der sich immer Mühe gibt mit dem, was er tut. So gut wie alles, was ich anfasse, mache ich mit großem Engagement und Ehrgeiz. Ich gebe insofern auch nichts heraus, von dem ich nicht vollends überzeugt bin. Und doch muss das, was ich für mich als mindestens gut befinde, nicht unbedingt das sein, was auch andere Menschen in meinem Umfeld händeklatschend abfeiern.
Das ist die erste Erkenntnis, die notwendig ist, um Kritik dazu zu benutzen, sein volles Potenzial auszuschöpfen. Wer nicht versteht, dass kritisches Feedback neue Perspektiven öffnet, wird lediglich in der Komfortzone sein Bestes geben können, aber nie darüber hinaus. Ich halte die eigene Reflexions- und Lernbereitschaft insofern für einen der Soft Skills im Karriereleben des 21. Jahrhunderts. Einzig und allein: Viele Menschen müssen im Laufe ihres Arbeitslebens erst lernen, Kritik anzunehmen und richtig zu verarbeiten. Auch wenn Lob wichtig ist, da gute Arbeit meiner Meinung nach auch Anerkennung verdient, bringt uns Kritik viel mehr. Sie zwingt uns ganz einfach zu mehr. Sie gibt wichtige neue Impulse.
Kritik ist gut! 3 Verhaltensregeln, die helfen
Wer nun die Nase rümpft und der festen Meinung ist, dass die eigenen Kritiker einfach nur nicht verstehen, was gut ist, kann jetzt aufhören, zu lesen. Denn die Person ist für die folgenden Worte noch nicht bereit. Was mir nämlich wichtig ist in diesem Text, ist, zu verraten, wie wir Kritik für die eigene Karriere nutzen können. Dafür braucht es ein paar Verhaltensregeln. Nummer eins: Du musst Zuhören lernen! Es ist unglaublich wichtig, Kritiker ausreden zu lassen und nicht gleich impulsiv auf jeden einzelnen Satz zu reagieren. Wer sich Zeit nimmt, um durchzuatmen und sich daran erinnert, ruhig zu bleiben, kann den Moment nutzen, um die Informationen hinter dem Feedback zu verarbeiten statt nur den Fakt, dass kritisiert wird.
„Damit Kritik konstruktiv ist, muss sie Anhaltspunkte liefern.“
Was sich in dieser Phase lohnt, ist, sich Notizen zu machen. Worauf willst du nochmal eingehen? Glaubst du, eine Info zu haben, die der Kritiker nicht hat? Oder benötigst du eine Information, die der Kritiker scheinbar hat, die dir jedoch noch fehlt? Daran lässt sich übrigens auch leicht erkennen, ob die Sache konstruktiv ist. Denn jemand, der Feedback anhand subjektiver Gesichtspunkte gibt, kann seine Verbesserungsvorschläge in der Regel nicht untermauern. Nur weil jemandem die Farbe Lila besser gefällt, heißt das ja nicht, dass sie in dem Kontext hilft. Vielleicht sagt die Farblehre, dass Lila eine Wirkung besitzt, die in dem Fall kontraproduktiv ist. Grafikdesigner, die sich mit besserwissenden Kunden quälen, kennen das.
Nummer zwei ist in dem Sinne also klar: Stelle Fragen! Damit Kritik konstruktiv ist, muss sie Anhaltspunkte liefern, wie unser Verhalten oder unsere Arbeit verbessert werden kann. Diese Punkte herauszuarbeiten, ist die wichtigste Aufgabe des Kritikers und des Kritisierten. Niemand sollte Scheu empfinden und es verpassen, nachzufragen: Kann der Gesprächspartner ein Beispiel nennen, an dem er seine Kritik festmacht? Gilt die Kritik nur für die konkrete Aufgabe oder ein bestimmtes Ereignis? Oder sind es Anregungen, die allgemeiner Natur sind und die du dir generell zu Herzen nehmen solltest? Nur wer fragt und aus dem Gespräch mit möglichst konkreten Hinweisen herausgeht, kann an sich arbeiten und sich auch weiterentwickeln.
Last but not least – Nummer drei: Nimm dir Zeit, die Kritik wirken zu lassen! Wenn du bis zu diesem Punkt gekommen bist, ist es ratsam, das Feedback sacken zu lassen. Lass dein Gegenüber wissen, wie du mit den Verbesserungsvorschlägen umgehen willst, und nimm dir dann genug Zeit, sie in deinen Arbeitsalltag zu integrieren. Nicht alles lässt sich sofort umsetzen. Vor allem Routinen müssen häufig überarbeitet werden. Wer das Feedback bekommt, dass die Qualität der Arbeit verbessert werden muss, sollte eine halbe Stunde mehr für eine Sache einplanen. Wer zu perfektionistisch ist, muss lernen, Dinge loszulassen. Hier hilft es vielleicht, ein Vier-Augen-Prinzip zu etablieren. Weiterentwicklung braucht Zeit – und das ist auch okay.
Beratungsresistente Menschen treten auf der Stelle
Eine wichtige Erkenntnis meinerseits kommt zum Schluss: In dem Maße, wie der Wille und die Fähigkeit zur Selbstreflexion steigt, hebt sich im besten Fall auch das Niveau der Kritik des Gesprächspartners. Mir wurde ziemlich schnell klar, dass niemand gerne ein Feedback-Gespräch mit einer Person führt, die niemals dazu bereit sein wird, an sich zu arbeiten, oder wo es ständig zu Konflikten kommt. Sobald die Gesprächsführer jedoch Bock aufeinander haben, kann aus Kritik etwas wachsen. Das Treffen wird als Chance begriffen. Die eine Seite bereitet sich besser vor, die andere Seite freut sich auf neue Impulse. Zusammenkommen ist ein guter Anfang, Zusammenarbeiten ein Erfolg.
Übrigens, sich selbst kleinsten Erfolgen bewusst zu sein, hat großen Einfluss auf die innere Haltung. t3n-Autor Andreas Weck erzählt, warum tägliche Selbstreflexionen wichtig sind. Lies auch: Selbstreflexion – Was war heute dein größter Erfolg?
Ein Artikel, in dem sich viele Wahrheiten finden.
Noch zwei Ergänzungen, die ich jedem mitgeben kann, der wie ich noch lernt, mit Kritik umzugehen:
Kritikfähigkeit ist nicht nur für die Karriere gut, hilft auch ungemein in Beziehungen.
Beim „aktiven“ Zuhören hilft es, sich dazu zu zwingen, auf Aussagen nicht im Kopf Antworten zu formulieren. Dabei überhört man nämlich die folgenden Aussagen oder ordnet sie (teils willkürlich) in seine dann schon vorgefertigte Antwort ein.