Landwirtschafts-Simulator 22 auf Platz 1: Warum so viele Gamer Bauern werden wollen
„Ich hab das Gefühl, wir sind hier auf einem Erfolgskurs“, sagt Ansgar Blauth, Betreiber des Youtube-Kanals Nordrheintvplay, während er mit seinem Fendt über die virtuellen Wiesen des Landwirtschafts-Simulators 19 fährt und Gras für die Biogasanlage einsammelt. Keine zwei Tage nach Upload des fünfzehnminütigen Grastransportvideos hat der Clip bereits über 30.000 Aufrufe bei Youtube. In der Kommentarspalte tauschen sich Zuschauer über ihre Lieblingstraktoren aus. Fendt und John Deere stehen hoch im Kurs, aber auch die Modelle von Claas, Deutz und New Holland finden ihre Liebhaber.
Auf einem ebenfalls bemerkenswerten Erfolgskurs befindet sich der Landwirtschafts-Simulator seit seiner ersten Ausgabe im Jahr 2008. Seitdem veröffentlicht der Schweizer Entwickler Giants Software in unregelmäßigen Abständen neue Versionen des Simulationsspiels. Ende November 2018 erschien der Landwirtschafts-Simulator 19. Bereits zehn Tage später knackte er die magische Verkaufszahl von einer Million. Zur Einordnung: In Deutschland gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamts 266.700 landwirtschaftliche Betriebe. Im November 2021 brachte Giants Software mit dem Landwirtschafts-Simulator 22 einen neuen Teil der beliebten Reihe auf den Markt. Das Game kletterte innerhalb kürzester Zeit auf Platz Eins der Steam-Download-Charts. Der nächste Hype steht bevor, auch wenn der letzte noch gar nicht richtig abgeklungen ist.
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Der Landwirtschafts-Simulator ist im Vergleich zu vielen seiner Artgenossen aus der Familie der Berufssimulatoren kein Nischenprodukt, dass nur eine sehr berufsspezifische Zielgruppe anspricht. Ähnlich ergeht es nur Microsofts Flight Simulator und auch der Euro Truck Simulator verfügt über eine große Community. Über den Stellwerk Simulator oder den Spreng- und Abriss-Simulator lässt sich streiten.
Berufssimulatoren: Zwischen Kindheitstraum und Feierabend-Entspannung
Doch warum erfreuen sich Berufssimulatoren überhaupt einer so großen Beliebtheit? Laut Ansgar Blauth von Nordrheintv können die Gründe stark variieren. Jüngere Spieler können durch die Simulatoren Berufe entdecken, für die sie in der Realität noch zu jung sind. Bei der älteren Spielergeneration sei es eine Mischung aus der Erfüllung von Kindheitsträumen und einer Art Entspannung. „Was früher für viele die heimische Modelleisenbahn war, sind heute Landwirtschafts-, Zug- und Truck-Simulator. Als Kind haben schließlich die meisten davon geträumt, einmal mit großen Maschinen durch die Lande zu fahren oder Polizist beziehungsweise Feuerwehrmann zu werden. Der stressige Alltag mit Familie, Bürojob und anderen Verpflichtungen lässt das aber oft nicht zu. Simulatoren machen es zumindest virtuell möglich, sich diese Kindheitsträume zu erfüllen“, sagt Blauth im Gespräch mit t3n.
Doch nicht nur unter den Simulatoren ist der LS19 eine große Nummer. Schaut man sich die Jahrescharts der Top 20 PC- und Konsolenspiele des Jahres 2020 an, sieht man viele bekannte Gesichter wie Fifa, Mario Kart, Call of Duty oder Assassin’s Creed – und eben auf Platz 15 den mittlerweile über zwei Jahre alten Landwirtschafts-Simulator, der sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut.
Der Landwirtschafts-Simulator hat es geschafft, eine Vielzahl von Gamern abzuholen. Vom Feierabend-Farmer bis hin zum Hightech-Hofbesitzer mit Endausstattung. Der Spieler kann selbst wählen, ob er sich über einen langen Zeitraum selbst hocharbeiten und sich in Details verlieren möchte oder lieber abends eine Stunde ein paar Felder pflügen und dafür auf einen vollen Fuhrpark zurückgreifen will.
Unter den Gamern sind auch zahlreiche Landwirte vertreten. Wer sich jetzt fragt, warum man in seiner Freizeit einen Simulator seines eigenen Jobs spielen sollte, für den gibt es eine einfache Antwort: Abwechslung. Viele Landwirte benutzen seit Jahren die gleichen Maschinen, haben sich auf etwas spezialisiert. Der Simulator ermöglicht es ihnen, neue Dinge auszuprobieren, die sie in der Realität nicht umsetzen können.
Entwickler und Community arbeiten zusammen
Was den Landwirtschafts-Simulator außerdem für viele sehr spielenswert macht, sind „Mods“ – also Modifikationen, die von fleißigen Gamern selbst geschaffen wurden und ins Spiel integriert werden können. So lassen sich Grenzen verschieben und der virtuelle Bauernhof kann nach den eigenen Wünschen schier endlos individualisiert werden. Außerdem greifen die Schweizer Entwickler von Giants immer wieder auf Verbesserungsvorschläge aus der Community zurück, was dieser wiederum das Gefühl gibt, an dem Endprodukt mitwirken zu können. „Recht früh, im Jahr 2012, entschieden sich die Entwickler von Giants Software dazu, den neuen Landwirtschafts-Simulator 2013 und alle nachfolgenden Versionen des Spiels auch für die Konsolen, damals Xbox 360 und PS3, zu veröffentlichen. Dadurch konnte früh ein in der Folge immer wichtiger werdender Markt bedient werden, der neue Kunden ansprach“, nennt Blauth einen weiteren Erfolgsgrund. Die meisten anderen Simulatoren sind nur auf dem PC spielbar.
Ein weiterer Meilenstein für den Landwirtschafts-Simulator war das Betreten der E-Sport-Bühne. Mit der 19er-Version brachte Giants Software erstmals einen kompetitiven Multiplayer-Modus in das Spiel, der es möglich machte, dass zwei Farmer-Teams gegeneinander antreten konnten. Die „Farming Simulator League“ ist seit 2019 Teil der E-Sport-Szene und lobt Preisgelder im fünfstelligen Bereich aus. In zwei Dreierteams wird auf Getreidefeldern gegeneinander angetreten. Die Teammitglieder müssen vorher festlegen, welche Fahrzeuge sie nutzen wollen, um das bestmögliche Ergebnis erzielen zu können. Auf dem Feld zählen in den 15-minütigen Matches vor allem Taktik, Teamwork und Geschwindigkeit, um möglichst viele Punkte beim Mähen, Ballenpressen und Abtransportieren zu erhalten.
Spätestens mit diesem Schritt hat der Landwirtschafts-Simulator gezeigt, dass er es mit den Großen der Branche aufnehmen kann und mehr ist als einer dieser unzähligen Berufssimulatoren, die nach ein paar Spielstunden ihren Reiz verlieren. Dazu scheint das Thema Landwirtschaft genau diesen angesprochenen Reiz bei vielen zu triggern. „Für viele ist das virtuelle Versorgen der Kühe, Schafe und Pferde oder das Grasmähen und Silageballen-Wickeln am Abend eine Form der Entspannung. Man muss nicht hochkonzentriert wie in einem Shooter durch die Spielwelt rennen, sondern kann sich zurücklehnen, in großen Maschinen seine Aufgaben bewältigen und hat am Abend das Gefühl, trotzdem etwas geschafft zu haben“, sagt Ansgar Blauth. Der Landwirtschafts-Simulator bietet die perfekte Symbiose zwischen Erfüllung von Kindheitsträumen, Alltagsentschleunigung und Gaming-Erlebnis. Der Erfolg gibt ihm Recht.