Leistung und Karriere: Wie du eine eigene Idee von Erfolg entwickelst
So, das hat sich doch gelohnt. Der Lohn der Mühen ist jede Mühe wert. Denn von nichts kommt nichts. So sagen wir das, wenn wir etwas geschafft haben. Der Erfolg ist der Beleg für Leistung. „Wir glauben, dass Leistung zu Erfolg führt, also in irgendeiner Form sozial belohnt wird“, sagt der Autor Bernd Kramer. Er meint: „Mit Geld etwa, oder auch mit Likes, Ruhm, Bewunderung oder was auch immer.“
Aber genau das funktioniert nicht wirklich so, wie wir Menschen uns das vorstellen, sagt Kramer: „In unserem Kopf sind Leistung und Erfolg so eng miteinander verknüpft, dass wir übersehen, dass die Erfolgsgewährung eigentlich jenseits unseres Verantwortungsbereichs liegt.“ Das führt zu einem grundsätzlichen Irrtum: „Wir können uns anstrengen. Aber dass es sich auch auszahlt, liegt nicht in unserer Hand.“
Leistung lohnt sich nicht für jeden
Kramer hat ein Buch über unsere Illusionen von Leistung und Erfolg geschrieben. Erfolg. Ein moderner Selbstbetrug heißt es und ist gerade im Kösel Verlag erschienen. Doch das Leistungs- und Erfolgsstreben ist eben nicht nur Selbstbetrug, warnt Kramer: „Man kann sich reinhängen und trotzdem lange in prekären Jobs bleiben. Man findet trotz Vollzeitjob keine Wohnung, man ahnt, dass man den Wohlstand der eigenen Eltern nicht erreichen kann.“
Dazu kommt laut Kramer, dass es manchmal auch erst der Erfolg ist, der zu Leistungsfähigkeit führt. Er verändert die Selbstwahrnehmung, schreibt er unter Berufung auf wissenschaftliche Studien. Wer erfolgreich ist, der glaubt an die Macht des Strebens und an den Sinn der Leistung. Und er glaubt daran, dass Menschen ihr Schicksal selbst in der Hand haben. Und auch in diesem Punkt haben viele Studien bewiesen: Es stimmt nicht. Aussehen, Sozialisation, Glück und Zufall – sie alle schlagen die Leistung.
Das bedeutet umgekehrt, dass ausbleibender Erfolg Menschen schwächen kann. Sie versagen in einer Welt, die daran glaubt, dass Erfolg ein Produkt der eigenen Herstellung ist. Und das schadet ihnen. Kramer sagt, er wundere sich vor allem, dass die Leistungsbereitschaft noch so hoch ist – „obwohl die Erfolgsmöglichkeiten weniger werden“.
Selbstwirksamkeit macht das Streben lohnenswert
Als Plädoyer gegen das Leistungsstreben will Kramer sein Buch nicht verstanden wissen. Aber was sollen wir denn tun, wenn Leistung sich nicht zuverlässig lohnt? In der halb-öffentlichen Debatte der Karrierenetzwerke lesen wir die Extrempositionen:
- Unternehmerinnen und Unternehmer kritisieren: Menschen übernehmen keine Verantwortung mehr.
- Expert:innen für New Work bemängeln, dass Führungskräfte die Bedürfnisse der Angestellten nicht verstehen.
- Und Coaches beobachten, dass Leistungsstreben für immer mehr Menschen den Sinn verloren hat.
Kriegt man das überhaupt noch irgendwie zusammen?
Kramer sieht die Selbstwirksamkeit als wichtigen Faktor, um aus dem Leistungsstreben eine eigene Idee von Erfolg zu entwickeln. Selbstwirksamkeit ist ein Konzept des Psychologen Albert Bandura. Gemeint ist die Überzeugung, dass die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten genug sind. Genug, um Anforderungen zu bestehen und um Ziele zu erreichen, die selbst gesteckt sind oder eben nicht. Dass Selbstwirksamkeit auf die Leistung wirkt, ist in vielen Studien beobachtet worden.
Dieses Gefühl zu stärken, führt also zu Leistung – und befreit gleichzeitig von dem Druck, es anderen beweisen zu müssen. Das ist ein bisschen wie im Roman Carrie Soto is back, in dem die Schriftstellerin Taylor Jenkins Reid den Vater der Protagonistin fragen lässt, ob die junge Tennisspielerin ihre Fähigkeiten beweisen muss – wenn sie doch eigentlich weiß, dass sie es drauf hat:
„If I say your hair is purple, does that mean that it’s purple?“
„No, it’s brown.“
„Do you have to prove to me it’s brown?“
Nun, warum sollte sie?
Diese Sicherheit kann nur aus der Selbstwirksamkeitserwartung heraus entstehen. Und die gehört nach innen. Erfolgsdruck kommt von außen – aber wir haben ihn in uns aufgenommen. „Wir können aus dem Erfolgssog nicht entkommen, aber versuchen, uns irgendwie davon zu emanzipieren.“ Der Versuch dürfte immer wieder scheitern, sagt Kramer. Aber: „Probieren sollten wir es trotzdem.“