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Medizinstudium und Corona: Die Vor- und Nachteile digitaler Lehrmethoden

Die Universitätsgebäude sind geschlossen, Präsenzveranstaltungen entfallen und das Selbststudium findet irgendwo zwischen Bett und Schreibtisch statt. Wie gehen deutsche Universitäten damit um? Was fehlt den Studierenden am meisten? Und welche digitalen Alternativen gibt es?

Von Noëlle Bölling
4 Min. Lesezeit
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Kein leichtes Unterfangen: Ein Medinzinstudium während der Pandemie.(Foto: Chaay_Tee / shutterstock)

Die Pandemie ist für alle Studierenden eine große Herausforderung. Angehende Medizinerinnen und Mediziner haben es jedoch besonders schwer, denn der direkte Kontakt zum Patienten ist für sie ebenso wichtig, wie das Präparieren einer Leiche zu erlernen.

Der Beginn einer neuen Normalität

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Dass im es im Gesundheitswesen an allen Ecken an qualifiziertem Fachpersonal mangelt, ist kein Geheimnis. Dabei fehlen allerdings nicht nur Pflegekräfte. Bereits 2018 warnte Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, vor dem akuten Ärztemangel, der sich von Jahr zu Jahr weiter verschlimmere. Ende 2019 hat der Bund die Länder endlich dazu aufgerufen, 6.000 neue Studienplätze für das Fach Medizin zu schaffen, und stimmte damit der Forderung des Deutschen Ärztetages zu. Für die Coronakrise und den damit einhergehenden Mehrbedarf an medizinischem Personal kam das jedoch viel zu spät. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass viele Medizinstudierende infolge der Pandemie ihre Examina verschieben mussten und dadurch teilweise verspätet auf den Arbeitsmarkt strömen. Was den Ärztemangel in deutschen Krankenhäusern betrifft, ist also bis auf Weiteres keine Besserung in Sicht. „Ich hatte eigentlich vor, mein Studium schnellstmöglich durchzuziehen“, erzählt Eike mir, die selbst im achten Semester an der Uni in Göttingen Medizin studiert. „Das hat neben dem finanziellen Aspekt auch etwas damit zu tun, dass ich durch meine vorige Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin nicht mehr zu den jüngsten Studierenden gehöre und dennoch gerne zeitnah den Berufseinstieg wagen möchte.“

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Doch der Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Pläne der angehenden Medizinerin gehörig auf den Kopf gestellt. Vor allem das gemeinsame Lernen mit ihren Kommilitonen vermisse sie sehr, berichtet sie im Gespräch. „Vor Corona habe ich ausschließlich in der Bibliothek gelernt, um Privates von Universitärem zu trennen. Was mir daran jedoch besonders fehlt, ist der Austausch untereinander. Eigentlich ist Medizin nämlich ein sehr interaktives Fach.“ Für Eike gibt es dabei aber auch einen kleinen Hoffnungsschimmer: „Zum Glück gibt es mittlerweile sehr viele gute Onlineportale für Medizinerinnen und Mediziner. Weil die Uni viele Campuslizenzen dafür erworben hat, ist der Zugang für uns kostenlos.“ Eine davon ist die Wissensplattform Amboss, die die meisten Medizinstudierenden bereits seit Längerem kostenfrei über ihre Uni nutzen können. „Im Zuge von Lockdowns ist der Bedarf an digitalen Lehrformaten weltweit sprunghaft angestiegen“, berichtet Sarah Plack, die bei Amboss für das Studierendenprodukt verantwortlich ist. „Auf unserer Plattform werden viele Leistungen miteinander vereint: Amboss bietet nicht nur ein umfassendes medizinisches Nachschlagewerk und eine didaktisch ausgefeilte Multiple-Choice-Software, sondern beinhaltet auch ganze Kurse zum Erlernen von Skills wie Oberbauch-Sonographie sowie Konzepte zur Vorbereitung auf Examina und Facharztprüfungen. Dazu zählen auch Probeexamina mit Fragen zu Covid-19.“

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Digitale Alternativen für die medizinische Ausbildung

Doch der theoretische Teil ist für angehende Medizinerinnen und Mediziner natürlich nur die halbe Miete. Auch der Unterricht am Krankenbett und damit der direkte Kontakt zum Patienten spielt eine zentrale Rolle – und der wird aufgrund der Kontaktbeschränkungen vielerorts komplett gestrichen: „Anstatt vor Ort selbst dem Patienten gegenüberzustehen, haben wir sogenannte Fallbeispiele bekommen, die wir im Selbststudium erarbeiten sollten“, erzählt Eike. „Die Dokumente waren teilweise wirklich sehr mühevoll aufbereitet, doch der zwischenmenschliche Umgang kommt dabei viel zu kurz – ebenso wie die praktische Untersuchungstechnik. Ein gutes Beispiel hierfür sind pathologische Herzgeräusche, die man mit dem Stethoskop auskultiert. Da gibt es sehr viele verschiedene, die sich unterschiedlichen Erkrankungen zuordnen lassen. Doch wie soll ich die erkennen, wenn ich die Beschreibungen nur auswendig lerne? Ich bin sehr froh, meine Ausbildung absolviert zu haben. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es ohne dieses praktische Wissen wäre.“

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Um den Studierenden genau an dieser Stelle unter die Arme zu greifen, hat Virti, ein Entwicklungsunternehmen sogenannter Mixed-Reality-Trainingstools, eine neue KI-Technologie entwickelt. Sie gibt angehenden Medizinerinnen und Medizinern die Möglichkeit, verschiedene Szenarien anhand eines virtuellen Patienten interaktiv durchzuspielen und beispielsweise zu üben, wie man schlechte Nachrichten am besten überbringt oder einen Patienten und dessen Angehörige tröstet. Das KI-basierte Tool simuliert eine natürliche Körpersprache und Ausdrucksweise und kann in Echtzeit auf die Behandlung des jeweiligen Nutzers reagieren. So können die Studierenden ihre Soft Skills in ganz unterschiedlichen Situationen auf die Probe stellen und angelehnt an die aktuelle Situation auch trainieren, wie sie zum Beispiel effektiv mit einem Covid-Infizierten kommunizieren, dessen Gesicht durch ein Beatmungsgerät verdeckt ist.

Das Pro und Contra digitalen Unterrichts

Doch es gibt auch angehende Medizinerinnen und Mediziner, für die die pandemiebedingten Einschränkungen nicht nur Nachteile mit sich brachten – ganz im Gegenteil sogar. „Jeden Montag mussten wir zum Schnelltest. Wer negativ war, durfte ins Krankenhaus rein, wobei meine Kommilitonen und ich uns wirklich wie die ‚Auserwählten‘ fühlten“, erzählt Franzi mir. Auch sie studiert Medizin – und zwar im neunten Semester an der Uni in Regensburg. Anders als Eike hatte sie jedoch die Möglichkeit, ihr Pflichtpraktikum vor Ort zu absolvieren. Wie sich zeigt, sind also auch hier die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern enorm. „Ich war sehr glücklich, diese Möglichkeit zu haben, wobei Corona durchaus auch einige Vorteile für uns hatte. Im Vergleich zu vorher waren unsere Gruppen nämlich deutlich kleiner und bestanden meist nur aus etwa fünf Studierenden, weshalb jeder Einzelne deutlich mehr mitbekam und machen durfte.“

Und auch die Vorlesungen per Zoom haben für Franzi durchaus gute Seiten. „Weil man nicht extra das Haus verlassen muss, habe ich mich abends eher nochmal dazu entschieden, eine Vorlesung anzuhören, als es unter normalen Umständen vielleicht der Fall gewesen wäre“, sagt sie. „Außerdem wird alles auf Video aufgenommen, sodass wir uns die Vorlesungen jederzeit noch einmal anhören können. Das gab es vorher natürlich auch nicht.“ Über die Entscheidung des Landes Bayern, das Zweite Staatsexamen um ein Jahr zu verschieben, ist Franzi allerdings alles andere als glücklich und erklärt: „Das bedeutet, dass alle, die letztes Jahr automatisch ins Praktische Jahr gerutscht sind, 2021 das Zweite und das Dritte Staatsexamen zeitgleich ablegen müssen – und auf den Stress freut sich natürlich niemand.“

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