Mesh-Netzwerke: Das Alternative Internet nicht nur für die Zombie-Apokalypse
Es muss nicht gleich die Angst vor der Zombie-Apokalypse sein. Blockierte Web-Inhalte in England, die Great Firewall of China, Abschaltung des kompletten Internets in Ägypten, Blockierung einzelner Dienste in der Türkei oder Online-Blackout durch Naturkatastrophen – die Gründe, die für ein alternatives Internet sprechen, sind vielfältig.
Das Internet: Anspruch und Wirklichkeit
Ursprünglich wurde das Internet als dezentrales Netzwerk angelegt. Die Idee zeichnet sich dadurch aus, dass Netzwerk-Knoten untereinander durch eine Vielzahl redundanter Leitungen miteinander verbunden sind. Neue Netzwerk-Knoten finden quasi „on the fly“ Anschluss. Der Vorteil, der sich aus diesen Möglichkeiten ergibt: Daten können auch dann weiter fließen, wenn einer der Knoten ausfällt oder blockiert wird – sei es durch Zensurmaßnahmen oder aufgrund von Naturkatastrophen – oder aus einem anderen Grund.
Theorie und Praxis klaffen mittlerweile aber weit auseinander, denn das Internet hat sich zu einer stark zentralisierten Plattform entwickelt, die von Internet-Anbietern, Regierungen und Konzernen kontrolliert wird.
Wie Ägypten sich plötzlich in der digitalen Steinzeit wiederfand
Anfang 2011 wurde Ägypten von massiven Protesten gegen das damalige Regime erschüttert. Viele dieser Proteste konnten nur mit Hilfe Sozialer Netzwerke wie Facebook organisiert werden. Am 28. Januar 2011 entschloss sich die ägyptische Regierung zu einem drastischen Schritt – sie schaltete das Internet ab.
Insider munkeln, dass für den Online-Blackout nur ein paar Anrufe bei Internet-Anbietern nötig gewesen seien. Binnen einer halben Stunde waren etwa 93 Prozent Ägyptens offline. Das ist nur ein Beispiel dafür, warum eine zentralisierte Struktur in Kombination mit einem von der Idee her dezentralen Konstrukt wie dem Internet gefährlich ist.
Zentralisierung und Zensur im Westen
Die Beispiele für weitaus weniger drastische Zensur-Maßnahmen, die nicht minder zu verurteilen sind, mehren sich. Oft werden dabei einzelne Websites blockiert, manchmal wie im Fall der Proteste nach den Wahlen 2009 im Iran wird der Traffic gedrosselt und in seltenen Fällen – wie zum Beispiel in China – entwerfen Regierungen ein ausgeklügeltes System, um jede beliebige Website auf den Index setzen zu können.
Alles totalitäre oder semi-demokratische Systeme, könnte man jetzt argumentieren. Doch das Problem besteht auch in westlichen Demokratien. Es gibt auch im Westen Fälle, in denen Regierungen sich anschicken, gewisse Online-Zensurmaßnahmen zu etablieren – aktuell zum Beispiel in England, oder mit Bezug auf Kinderpornographie auch in Deutschland.
Problematischer ist im Westen allerdings die Konsolidierung von Internet-Anbietern, die dazu führt, dass immer weniger Konzerne immer größere Teile des Internet-Traffics kontrollieren. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus sinnvoll, sich nach Alternativen umzusehen. Eine dieser Alternativen besteht in Mesh-Netzwerken.
Mesh-Netzwerke als Ergänzung
Internetaktivisten sehen die Entwicklung des Internets seit geraumer Zeit mit wachsender Sorge. Manche gehen sogar soweit, eine radikale Dezentralisierung zu fordern. Die Lösung ist zumindest in der Theorie einfach: möglichst kostengünstige Hardware, die sich mit Hilfe einer einfach zu bedienenden Software untereinander vernetzt. Ein derartiger Ansatz könnte nicht nur die Zentralisierung des Internets aufweichen, sondern das Netz auch in entlegene Gebiete bringen oder in Katastrophengebieten eine Hilfe sein. Dass von Nutzern betriebene und dezentrale Netzwerke das Internet irgendwann komplett ersetzen, ist allerdings utopisch.
Unter dem Oberbegriff Mesh-Networking lassen sich unterschiedliche miteinander verwandte Techniken zusammenfassen. Mesh-Netzwerke können sowohl kabelgebunden als auch drahtlos sein – sie können vollkommen ohne Anschluss an das Internet aufgebaut werden – oder aber Teil des Internet sein.
In Mesh-Netzwerken fungiert jeder Knoten gleichzeitig auch als Relay für die anderen Netzwerk-Knoten. Daten werden weitergeleitet, bis sie das vorhergesehene Ziel erreichen. Üblicherweise sind Mesh-Netzwerke extrem zuverlässig, da sie selbstheilend sind. Fällt also ein Knoten aus oder wird blockiert, organisiert sich das Netzwerk um, so dass die Daten trotzdem frei fließen können. Das Internet selbst ist größtenteils ein Mesh-Netzwerk – allerdings wird diese Topologie von den Backbone-Leitungen aufgeweicht.
Mobile Mesh-Netzwerke
Mobile Ad-hoc-Netzwerke gelten als Unterbereich von Mesh-Netzwerken. Per Definition handelt es sich dabei um ein Funknetz, das ohne eine feste Infrastruktur und ohne Access-Point zwei oder mehr Endgeräte selbstständig miteinander verbindet. Ein Beispiel für ein mobiles Ad-hoc-Netzwerk wäre die drahtlose Verbindung zwischen einem Smartphone und einem Laptop. Allerdings kann ein derartiges Netzwerk auch aus deutlich mehr Endgeräten bestehen. Netzwerk-Knoten fungieren bei dieser Variante als Funksender, die mit Hilfe gebräuchlicher WLAN-Standards (802.11 a, b, g) kommunizieren.
Will man in einem mobilen Ad-hoc-Netzwerk auch Zugriff auf das Internet haben, reicht es aus, wenn einer der Knoten physikalisch mit dem Internet verbunden ist. Dieser Netzwerk-Knoten wird dann als Backhaul-Node bezeichnet.
Mesh-Netzwerke für jederman
Es gibt mittlerweile einige Möglichkeiten, selbst ein Teil von Mesh-Netzwerken zu sein. Möglich ist das unter anderem, weil viele Router mit Software erweitert werden können, die Features bereitstellen, die vom Hersteller so nicht gedacht waren. Die Linux-basierte, alternative Open-Source-Firmware DD-WRT funktioniert beispielsweise mit vielen Routern und ermöglicht es, mehrere Geräte miteinander zu vernetzen.
Diverse Initiativen forcieren zudem den Aufbau von Mesh-Netzwerken. Dabei geht es bei manchen Projekten eher darum, den eigenen Internetzugang anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen, während andere Projekte den Fokus auf Privatsphäre und Sicherheit legen.
FreedomBox gehört zu zweiterer Art. Die Motivation hinter dem Projekt ist der Wunsch, mit Hilfe von kleinen Boxen ein dezentrales Netzwerk aufzubauen. Die Hardware soll sich mit Hilfe des Tor-Netzwerks verbinden und einzelne Geräte so eine sichere Verbindung zueinander aufbauen. Ein für die FreedomBox angepasster Proxy soll es Nutzern ermöglichen, sicher im Netzwerk zu browsen.
Ein weiteres recht bekanntes Projekt ist Freifunk. Die nicht-kommerzielle Initiative will die Verbreitung freier Funknetzwerke erhöhen. Nutzer im Freifunk-Netz stellen ihren Router anderen Anwendern für den Datentransfer zur Verfügung. Man kann zudem Dienste wie Chat oder Telefonie und sogar seinen Internetzugang zur Verfügung stellen. Möglich wird das mit Hilfe der Freifunk-Firmware, einer speziellen Linux-Distribution, die auf dem eigenen Router installiert wird. Das experimentelle Netzwerk FunkFeuer verfolgt in Östereich einen ganz ähnlichen Ansatz. Auch hier geht es den Initiatoren um den Aufbau eines nicht regulierten und dezentralen Netzwerks.
Mobile Mesh-Netzwerke
Will man komplett auf Router verzichten und benötigt keinen Anschluss an das Internet, kann man auch auf Software für Smartphones zurückgreifen. Ein Beispiel für Mesh-Netzwerke zwischen Mobiltelefonen ist das Serval Project, das es sogar ermöglicht, Smartphones völlig ohne zusätzliche Infrastruktur miteinander zu vernetzen. Entwickelt wurde das System für Krisengebiete, es eignet sich allerdings auch als Lösung für allgemeine Netzausfälle oder überlastete Netze bei Großveranstaltungen.
In eine ähnliche Richtung geht Project Byzantium – allerdings wird hier zusätzlich ein ausgedienter x86-Rechner benötigt. Byzantium ist eine Linux-Distribution, die einfach zu nutzendes, sicheres und robustes Mesh-Networking ermöglicht. Das Ziel der Projektbetreiber ist die Entwicklung eines Kommunikationssystems, das Nutzern die Vernetzung ermöglicht, um Informationen ohne das Internet auszutauschen. Die Dienste, die das Ad-hoc-Mesh-Netzwerk bietet, orientieren sich an bekannten Vorbildern wie Twitter und dem IRC. Für das Aufsetzen eines Mesh-Netzwerks mit Byzantium ist nur ein x86-Rechner mit einem drahtlosen Interface (wenigstens 802.11 a/b/g/n) nötig.
Kommerzielle Mesh-Netzwerke
Auch kommerzielle Anbieter setzen auf Mesh-Netzwerke. Ein gutes Beispiel ist das „Project Loon“ von Google. Die Idee dahinter: Mit Hilfe von untereinander vernetzten Ballons soll in entlegenen Gegenden die Internet-Abdeckung verbessert werden. Laut Google soll Project Loon mindestens UMTS-Geschwindigkeit bieten. Die Ballons selbst fliegen in einer Höhe von etwa 20 Kilometern in der Stratosphäre. Um die Ballons auf Position zu halten, will man sich unterschiedlicher Luftströmungen bedienen.
Fazit
Die Idee und Technologie hinter Mesh-Netzwerken ist alles andere als neu. Allerdings ist derzeit ein verstärktes Interesse an den dezentralen und von Individuen kontrollierten Netzwerken zu verzeichnen. Verantwortlich dafür sind unter anderem die diversen Datenskandale der jüngsten Vergangenheit. Private Mesh-Netzwerke können das Internet zwar nicht ersetzen, aber sie eignen sich für diverse Anwendungsfälle – sei es der Aufbau eines sichereren Netzwerks, das die Privatsphäre der Teilnehmer besser schützt, oder aber zur Bereitstellung von Online-Diensten in Gegenden mit unzureichender Infrastruktur.
Weiterführende Links zum Thema „Mesh-Netzwerke“
- Project Loon als Beispiel für kommerzielle Mesh-Netzwerke: Heißluftballons bringen das Internet in entlegene Gegenden – t3n News
- Mesh-Netzwerke mit DD-WRT – dd-wrt.com
- Mesh-Netzwerke für Smartphones – Serval Project
- Mesh-Netzwerke mit Project Byzantium – Homepage
- Mesh-Netzwerke mit FreedomBox – Homepage
- Mesh-Netzwerke in Östereich – FunkFeuer
Bildnachweis für die Newsübersicht: © Kobes – Fotolia.com
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