Miller’s Law: Die wichtigste Regel im UX-Design
Miller’s Law, zu Deutsch die Millersche Zahl, beschreibt die Tatsache, dass ein Mensch gleichzeitig nur 7 ± 2 Informationseinheiten – sogenannte Chunks – im Kurzzeitgedächtnis präsent halten kann. Die Größe des Kurzzeitgedächtnisses ist genetisch festgelegt und kann auch durch Training nicht gesteigert werden.
Erkannt wurde diese Tatsache von George Armitage Miller, einem US-amerikanischen Psychologen und Professor an der Princeton University.
Selbstversuch
Schritt 1
Lies die Anweisungen, bevor du runterscrollst. Unten findest du ein Bild mit 20 verschiedenen Wörtern. Präge dir die Wörter innerhalb einer Minute ein, schreibe sie nicht auf! Scrolle anschließend bis zu Schritt 2.
Schritt 2
Nimm dir nun Stift und Papier, und schreibe die Wörter auf, an die du dich erinnerst. Scrolle nicht hoch, das ruiniert das Experiment! Gib dir circa eine halbe Minute Zeit. Anschließend schaust du nach, wie viele Wörter du richtig hast.
Miller’s Law und die Auswirkungen auf UX
Je mehr Chunks sich auf einem Interface befinden, desto schwieriger wird es, sie wahrzunehmen und zu verarbeiten. Besonders kritisch ist das für Erstbenutzer, denn sie haben keine Erfahrung oder die Möglichkeit, die Erinnerung aus dem Langzeitgedächtnis hervorzurufen. Aufgrund der eingeschränkten Kurzzeiterinnerung wird es immer schwieriger, ein funktionierendes Produkt zu gestalten, da der Benutzer während der Bedienung häufig viele Informationen verarbeiten muss.
Miller’s Law betont auch die Bedeutung von Voraussicht und richtiger Planung in einem Design-Prozess. Denn wer dem Interface neue Features hinzufügen will, muss auch sicherstellen, dass die Gegebenheiten neue Funktionen unterstützen, ohne die visuelle Grundlage zu zerstören.
Ein anderes Wahrnehmungsphänomen, das in Bezug auf Miller’s Law beobachtet wurde, ist bekannt als Primacy-Recency-Effekt. Ein psychologisches Gedächtnisphänomen, welches dazu führt, dass bei einer Reihe dargestellter Objekte früher (Primäreffekt) und später (Rezenzeffekt) dargestellte Information besser im Gedächtnis behalten werden.
Das wirft viele Fragen im Design-Prozess auf: Wenn wir uns an den Anfang und das Ende einer Erfahrung am besten erinnern, wie können wir die positiven Erfahrungen stärken und negativen lindern? Wann fängt UX an und wo hört es auf? Sollten wir Elemente aufgrund der besseren Erinnerung eher am Anfang beziehungsweise am Ende platzieren? All das sind Fragen, die sich besonders UX-Designer beim Entwickeln von Produkten stellen sollten.
Miller’s Law lässt sich mit minimalem Aufwand auf jeden Aspekt unseres Lebens übertragen: Ordne die Anzahl der Elemente in relevante Chunks, die nicht mehr als neun Bits enthalten. Unser Gehirn ist so in der Lage, sich an Position und Funktionalität zu erinnern. Zu große Listen sind für den Nutzer mental schwer zu organisieren. Informationsdesign muss geplant und gut durchdacht sein, bevor die Entwicklung stattfindet.
Miller’s Law: Über den Tellerrand
Wir leben in einer Welt mit einer exponentiell wachsenden Informationsmenge. Wenn wir sie nicht richtig organisieren oder sogar zu eliminieren versuchen, verschlechtern wir letztlich unsere Fähigkeit, kritische Aufgaben des Lebens zu erfüllen – zum Beispiel, die eigene Existenz zu sichern.
Deshalb ist es so wichtig, sich von Dingen, Produkten und Dienstleistungen zu befreien, die einen nicht weiter bringen, keinen RoI bringen. Das entspricht dem Pareto-Prinzip: Es besagt, dass 80 Prozent der Ergebnisse mit 20 Prozent des Gesamtaufwandes erreicht werden.
Miller’s Law lehrt uns, dass Menschen endliche Informationen zwar aufnehmen und verarbeiten können, die Informationsüberflutung aber zu einer Ablenkung führt, die sich negativ auf unsere Leistung auswirkt.