Mehr als 100 Modemarken tragen indirekt zur Abholzung des Regenwaldes bei

Der Regenwald ist und bleibt bedroht. (Foto: picture alliance / REUTERS | RICARDO MORAES)
Was hat Leder mit dem Amazonas-Regenwald zu tun? Leider einiges, denn die Produktion von Leder gilt als zentraler Treiber für dessen Abholzung. Die Gleichung ist einfach und bitter: Die Modeindustrie braucht Leder. Für Leder werden Rinder benötigt und für deren Zucht werden Regenwälder zerstört, mit beunruhigenden Folgen für unser Klima.

Laut einer Studie des World Resource Institutes war die Rinderzucht zwischen 2001 und 2015 für mehr als ein Drittel der weltweiten Entwaldung verantwortlich. (Grafik: Stand.earth)
Der Amazonas-Regenwald ist für den Klimaschutz von besonderer Bedeutung, denn er dient als CO2-Senke und gilt als „grüne Lunge“ der Erde. Beziehungsweise galt. Bislang war es so, dass der Regenwald mehr CO2 aufnahm, als er emittierte. So wurde der Klimawandel gedämpft. Durch Rodungen und Brände hat sich dieses Verhältnis inzwischen gewandelt. Laut einer Studie aus diesem Jahr gibt das Amazonas-Gebiet inzwischen mehr Kohlenstoff an die Erdatmosphäre ab, als es aufnimmt.
Wer denkt, dass es inzwischen Common Sense sei, dass die Abholzung des Regenwaldes keine gute Idee ist und dadurch weniger abgeholzt wird, der irrt: Dieses Jahr erreichte die jährliche Abholzung im brasilianischen Amazonas den höchsten Stand seit 15 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei die dortige Abholzung zwischen August 2020 und Juli 2021 um 22 Prozent gestiegen. Wer steckt dahinter?
Undurchsichtige Lieferketten als Problem
Die Komplexität der Lieferketten macht es dabei oft nicht leicht, Verantwortlichkeiten nachzuvollziehen, schließlich werden Rinderfarmen nicht direkt von den Modelabels betrieben. Sie arbeiten vielmehr mit gesichtslosen Lederzulieferern wie JBS in Brasilien zusammen.

So hängen Lederproduktion und Abholzung zusammen. (Grafik: Stand.earth)
„Man kann nur bewältigen, was man messen kann“, dachte sich wohl auch die Naturschutzorganisation Stand.earth. Zusammen mit Slow Factory brachte die NGO am Montag eine Studie heraus, die Licht ins Dunkel der Lieferketten großer Modehäuser bringen soll. Darin werden mehr als 100 große Modebrands mit der Abholzung des Regenwaldes in Verbindung gebracht. Darunter Adidas, Nike, Prada, LVMH, Zara, H&M und mehr.

Modemarken mit Verbindungen zur Abholzung des Regenwaldes. (Grafik: Stand.earth)
Eine interaktive Karte zeigt, welche Modemarke mit welchen Lederlieferant:innen zusammenarbeitet und inwieweit ihre Handlungen so indirekt die Entwaldung unterstützen. Als Datenbasis wertete Stand.earth eine halbe Million Zolldaten aus.
Bisherige Maßnahmen sind unzureichend
Es ist offensichtlich, dass es so nicht weitergehen kann. Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow haben sich daher kürzlich mehr als 100 Staaten dazu verpflichtet, die Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen, darunter auch Brasilien. Mit dem entsprechenden Gesetzentwurf der EU-Kommission sind viele Klimaschützer:innen jedoch nicht zufrieden. Ihnen geht das zu langsam.
Zudem wird kritisiert, dass Leder und Kautschuk aus Abholzungsgebieten auch weiterhin importiert werden dürfen – Rohstoffe, auf die die Mode- und die Automobilbranche angewiesen sind. Lediglich Palmöl, Soja, Holz, Kakao, Kaffee und Rindfleisch stehen auf der schwarzen Liste. Das riecht nach Lobbyismus.
„Es handelt sich um ein systemisches Problem, das massive und nachhaltige Anstrengungen der Modeindustrie erfordert, um Lösungen zu schaffen“, schreibt Slow Factory auf Instagram.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Leder? Nein, danke!
Die bisherigen Nachhaltigkeitserklärungen vieler Modemarken würden bislang nicht ausreichen – wenn es denn überhaupt welche gäbe, sagt Greg Higgs, einer der an dem Bericht beteiligten Forscher:innen gegenüber dem Guardian. Zudem würde ein Drittel der untersuchten Marken laut Stand.earth gegen ihre eigenen Policys verstoßen, indem sie Leder aus Abholzungsgebieten bezögen.
Ein Drittel der Modemarken verstößt gegen ihre eigenen Policys – wenn es denn überhaupt welche gibt.
Céline Semaan, die Geschäftsführerin und Mitbegründerin von Slow Factory, fordert mehr Verantwortung von Modemarken. Sie müssten viel mehr in nicht-extraktive Lederalternativen investieren, sprich: in Produkte, die nicht aus tierischen Rohstoffen oder aus Plastik bestehen.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Ideen gibt es bereits. Lederalternativen aus Pilzen beispielsweise, wie es beim dieses Jahr gelaunchten Mylo Sneaker von Adidas verwendet wird. Und auch Ananas, Äpfel oder Kakteen sind als Rohstoffe für Lederalternativen vielversprechend. So könnten Lieblingstasche oder Sneakers künftig nicht mehr auf Kosten des Regenwaldes hergestellt werden.