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MIT Technology Review Interview

Mpox-Ausbruch in Afrika: Ein Experte erklärt, was jetzt wichtig ist

Die WHO hat eine weltweite Notlage ausgerufen, denn ein neu entdecktes Mpox-Virus breitet sich aus. Der kanadische Experte Jason Kindrachuk zur aktuellen Situation und welche Maßnahmen dringend nötig sind.

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Mpox ist in Afrika in einigen Staaten auf dem Vormarsch. (Symbolbild: QINQIE99 / shutterstock.com) 


Die WHO hat eine weltweite Notlage ausgerufen: Eine neue Variante des Mpox-Virus breitet sich rasant in Ländern Afrikas aus, in denen es zuvor praktisch keine Rolle spielte. Die als besonders bedenklich geltende neue Mpox-Variante Klade 1b wurde als erstes in der Demokratischen Republik (DR) Kongo gefunden. Symptome sind Fieber, Gliederschmerzen und pockenartige Hautveränderungen. Für Kinder und Immungeschwächte kann die Krankheit lebensgefährlich sein. Übertragen wird das Virus meistens über Wildtiere, aber auch bei engem Körperkontakt, vor allem beim Sex. In Deutschland wurde bisher noch kein Fall gemeldet; das Robert-Koch-Institut sieht hierzulande aktuell keine Gefahr und beobachtet die Lage.

Einer, der die Situation in der DR Kongo sehr gut kennt, ist Jason Kindrachuk, Mediziner an der Minetoba Universität in Winnipeg, Kanada. Gerade ist er aus der kongolesischen Haupstadt Kinshasa zurück. Er berichtet von der Situation vor Ort und welche Maßnahmen jetzt wichtig sind.

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MIT Technology Review: Mpox ist – anders als Corona – eine schon lange bekannte Infektionskrankheit, auch die Klade 1, zu der der neue Subtyp 1b zählt. Die Krankheit gilt auch nicht als besonders ansteckend. Woher kommen dann die offenbar massiven Sorgen der WHO?

Jason Kindrachuk: Monkeypox kursieren tatsächlich schon mindestens fünf Jahrzehnte in West- und Zentralafrika. Der erste Fall beim Menschen wurde 1970 dokumentiert. Aber wir sehen seit 20, 30 Jahren, dass das Virus immer häufiger auch Menschen krank macht – hauptsächlich in der Demokratischen Republik (DR) Kongo. Und gerade haben wir wieder eine starke geographische Ausbreitung des Virus in afrikanischen Ländern, die zuvor nicht betroffen waren. Gleichzeitig beobachten wir, dass die Immunität in der Bevölkerung seit dem Ende der globalen Impfkampagne gegen Pocken stark nachgelassen hat – seit die Pocken 1980 für besiegt erklärt wurde. Wir haben also zwei ungünstige Entwicklungen, die aufeinandertreffen.

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Gab es auch schon eine Impfkampagne gegen Mpox?

Im Jahr 2022 wurde eine mpox-spezifische Impfkampagne gestartet, die sich auf Bevölkerungsgruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko konzentrierte, nachdem sich das Affenpockenvirus der Klade 2 sehr schnell in mehr als 100 nicht endemischen Ländern der Welt ausgebreitet hatte. Und wir konnten die weitreichenden Auswirkungen dieses Ausbruchs tatsächlich relativ schnell unterdrücken. Aber wir haben eine gewisse Ermüdung in Bezug auf die kontinuierliche Kommunikation und die Bedeutung von Gegenmaßnahmen festgestellt, da die Fälle weltweit so rapide zurückgegangen sind.

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Ausbreitung in verschiedenen Ländern Afrikas

Und wie entwickelt sich die aktuelle Lage?

Der aktuelle Ausbruch in der DR Kongo betrifft den Virustyp Klade 1, der in der Vergangenheit mit schwereren Erkrankungen in Verbindung gebracht wurde. Er begann Anfang 2023 und hat bis heute zu schätzungsweise 30.000 Verdachtsfällen geführt. Die Sterblichkeitsrate ist insgesamt ziemlich konstant geblieben und liegt zwischen vier und fünf Prozent, aber das Virus hat sich im Land massiv ausgebreitet. Auch in anderen, nicht-endemischen Regionen Afrikas ist eine Ausbreitung zu beobachten, die quasi noch unbekanntes Terrain sind. Und in zunehmendem Maße scheint die Übertragung nicht nur durch den Kontakt mit Wildtieren, sondern auch zwischen Menschen zu erfolgen, unter anderem durch sexuelle und intime Kontakte. All dies verkompliziert die Situation noch. Es gibt praktisch keine Impfstoffe oder Therapeutika für Subsahara-Afrika, und die diagnostischen Ressourcen sind begrenzt. Vieles kommt zusammen, so dass sich die Situation immer weiter zuspitzt. Eine einfache Lösung für das Problem gibt es daher derzeit nicht.

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Beim aktuellen Ausbruch ist die Rede von einem neuen Virustyp?

Was wir 2024 sehen, sind zwei Subkladen der Klade 1: Klade 1a und Klade 1b. Die allermeisten Infektionen gehen im Kongo noch immer auf zoonotische Infektionen über Wildtiere und den Klade 1a Virus zurück, der wahrscheinlich hauptsächlich durch den Kontakt mit Ratten übertragen wird, unter anderem bei der Jagd. Die Übertragung findet vermutlich bei direktem Kontakt mit diesen Tieren statt.

Laut WHO ist aber der Typ Klade 1b besonders bedenklich. Warum?

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Dieser Virustyp gilt als ansteckender von Mensch zu Mensch. Er wurde Anfang des Jahres von einem internationalen Forschungsteam, an dem wir beteiligt waren, erstmals in der Provinz Süd Kivu gefunden. Dort haben wir vor allem eine Ausbreitung in sexuellen Netzwerken festgestellt. Wir wissen noch nicht, ob Klade 1b zu mehr oder weniger schweren Erkrankungen führt als Klade 1a, obwohl sie mit einer anhaltenden Übertragung von Mensch zu Mensch verbunden ist, werden das aber weiterhin untersuchen.

„Es ist besorgniserregend“

Wie gefährlich ist denn der Virustyp Klade 1 generell?

Die schlimmsten Verläufe betreffen Kinder und Jugendliche. In dieser Gruppe verläuft die Krankheit auch am häufigsten tödlich. Das kann mit einem noch schwächeren Immunsystem zusammenhängen, aber auch mit einem intensiveren Kontakt zu Wildtieren. Auf jeden Fall ist es besorgniserregend. Vor allem, weil sich das Virus gerade in bevölkerungsreichen Ländern ausbreitet, in denen zwischen 90 und 100 Millionen Menschen leben.

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Was muss nun geschehen, um die Situation zu verbessern?

Es ist wichtig, dass die Menschen weltweit darüber sprechen. Je länger sie darüber reden, umso größer ist der Impuls Gegenmaßnahmen zu ergreifen, zu spenden und auch nachhaltig zu investieren. Zum einen müsste in ein langfristiges Monitoring investiert werden. Im Kongo wird derzeit nur ein Bruchteil aller genommenen Proben am Ende auch untersucht – einfach weil es zurzeit zu viele sind und Kapazitäten fehlen. Ein großer Teil der Verdachtsfälle wird daher niemals bestätigt. Außerdem müsste natürlich in die Verteilung von Impfstoffen investiert werden und in die langfristige Entwicklung von pharmazeutischen Produktionskapazitäten. Vieles hängt dabei sehr vom Engagement der Kommunen ab. Von ihren Aktivitäten, Akzeptanz für Impfungen zu schaffen und Impfstoffe sowie Medikamente auch in solche Regionen zu bringen, wo der tropische Regenwald nur schwer zu durchdringen ist, und in viele abgelegene, ländliche Gebiete.

Auswirkungen auf den globalen Norden

Würde von solchen Maßnahmen auch die nördliche Hemisphäre profitieren? Hat das Mpox-Virus das Zeug zur Pandemie?

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2022 gab es schon eine ziemlich starke Warnung. Wir hatten in kurzer Zeit eine geographische Ausbreitung außerhalb der endemischen Regionen in Sub-Sahara-Afrika in plötzlich über 100 Länder. Das muss nicht noch einmal passieren, aber ausgeschlossen ist es nicht. Darüber sollten wir uns im Klaren sein. Manche Virustypen können sehr, sehr schnell außer Kontrolle geraten und das betrifft auch andere Viren, die im globalen Süden endemisch sind. Wir sollten nicht pessimistisch sein, aber das Wissen um diese Möglichkeit nutzen, um gut vorbereitet zu sein. Es gibt eine globale Warnung, einen Aufruf zu handeln. Und das wird hoffentlich auch verantwortliches Handeln des globalen Nordens auslösen.

Sie kommen gerade wieder aus der DR Kongo zurück. Was hat bei Ihnen besonderen Eindruck hinterlassen? 

Wie unsere kongolesischen Kolleg:innen, die Forscher:innen und die im Gesundheitswesen tätigen Menschen die Arbeit vor Ort vorantreiben. Sie tun dies schon seit vielen, vielen Jahrzehnten bei vielen Krankheiten, darunter zum Beispiel Ebola. Und jetzt stehen sie an der Front im Kampf gegen diesen beispiellosen Mpox-Ausbruch. Sie sind es, die eigentlich ins Rampenlicht gehören.

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