„Jede Startup-Geschichte hat Schwächen“: Was ihr von den Mymuesli-Gründern lernen könnt
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Es war am 30. April 2007, als in Passau eine Website online ging. „Ganz leise“, wie die Gründer rückblickend sagen. Drei Studenten hatten sich überlegt, dass man Müsli doch individueller gestalten können müsste – mit oder ohne Rosinen, mit Gummibärchen oder Goji-Beeren, ohne Banane oder Schokolade. Mit ihrem Portal mymuesli.com wollten sie genau das anbieten: Jeder sollte sich seine Zerealien selbst zusammenstellen können.
Zehn Jahre später hat sich Mymuesli vom verrückten Experiment dreier Studenten zum Mittelständler mit 800 Mitarbeitern entwickelt. 2015 kam das Unternehmen auf einen Umsatz von knapp 14,7 Millionen Euro. Pünktlich zur Dekade haben die Gründer Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock ihre Geschichte in einem Buch namens „Machen“ festgehalten. Auf 225 Seiten beschreiben die Gründer ihren Weg von der berühmten Fahrt zum See bis hin zur Expansion in sechs Märkte.
Das Buch soll eine Anleitung für diejenigen sein, die selbst einmal gründen wollen und dafür noch Inspiration suchen. Am Ende jedes Kapitels fassen die drei Gründer ihre Erkenntnisse zusammen und leiten daraus Tipps ab. Um eines vorweg zu nehmen: Viele davon finden sich auch schon in anderen Büchern wieder, dass es ein Alleinstellungsmerkmal braucht etwa oder dass man Ideen aufschreiben sollte. Manchmal wird es auch zu allgemein, so zum Beispiel im Marketing- und Finanzierungskapitel. Dort fehlt – Achtung – das Alleinstellungsmerkmal zu anderen Ratgebern.
„Es gibt nicht die perfekte Stadt oder den perfekten Standort.“
Was das Buch aber durchaus lesenswert macht: Die Gründer schaffen es, ihre eigene Geschichte authentisch zu erzählen. Sie berichten nicht nur von ihren Erfolgen, sondern auch von ihren Rückschlägen, von Fehlern, von Umwegen. Daraus entstehen zahllose Ratschläge für Gründer, die sich wiederum nicht überall finden lassen. t3n hat einige unkonventionelle Lektionen aus dem Buch zusammengetragen.
Was Gründer von den Mymuesli-Machern lernen können
1) Ideenfindung: „Gute Ideen entstehen selten in einem Konferenzraum, indem Analysten auf Kuchendiagramme blicken und sagen: ‚Also den Müslimarkt müsste man mal aufmischen.’ “
Die Mymuesli-Gründer haben ihre Idee auf dem Weg zum Badesee bekommen. Schon vorher arbeiteten sie an diversen anderen Konzepten, sie wollten auf jeden Fall etwas mit Tech machen. Aber keiner ihrer Einfälle überzeugte sie richtig. Manchmal ist es der Zufall, der die besten Ideen hervorbringt. Im Fall von den Passauer Gründern war es ein Radiospot über ein Müsli, über den sie ihre eigene Idee bekamen. Max Wittrock nennt das im Buch „die Sternschnuppe entdecken“.
2) Entscheidung: „Die Müsli-Sache war zu diesem Zeitpunkt der Exot unter unseren vielen anderen Startup-Ideen, rund um die ‚richtigen’, die ‚harten’ Themen IT und Finanz. Müsli? Das war rational so wenig greifbar und schien uns so wenig sinnvoll, dass wir nicht viel darüber sprachen.“
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Diese Binsenweisheit sollten sich Gründer immer wieder bewusst machen, wenn sie etwas Eigenes entwickeln wollen. Die drei Mymuesli-Jungs wollten eigentlich keine „Müsliunternehmer“ werden. Erst als sie sich etwas näher mit der Idee beschäftigten, bekamen sie Lust an der Sache. Als die Idee einmal da war, arbeiteten alle drei besessen daran.
3) Gründungsort: „Es gibt nicht die perfekte Stadt oder den perfekten Standort.“
Klar, in Berlin gibt es ein riesiges Netzwerk an Gründern und Investoren. Aber für die drei Mymuesli-Gründer hatte es auch Vorteile, in Passau zu gründen: kaum Ablenkung, größere Aufmerksamkeit, geringere Kosten und weniger Wettbewerb um Mitarbeiter. Nicht jedes Unternehmen ist dem Untergang geweiht, nur weil es in der Provinz startet. Das belegten auch die zahlreichen Hidden Champions in Deutschland, schreiben die Gründer.
4) Marktforschung: „Nachdem wir Fragebögen gedruckt, verteilt, per E-Mail oder per Post versendet und wieder eingesammelt und Hunderte Antworten ausgewertet hatten, war das Ergebnis klar: Wer will Müsli online kaufen? Niemand.“
Eine wichtige Erkenntnis der Mymuesli-Gründer: Marktforschung liegt nicht immer richtig. Manchmal wissen die Menschen noch gar nicht, dass sie etwas wollen, weil ihnen der Mehrwert nicht klar ist. Zalando haben auch viele Experten belächelt, weil sie Schuhe im Netz verkaufen wollten. Am Ende hat es aber funktioniert. Bei Mymuesli war es ähnlich – wenn auch in kleinerem Rahmen. Die drei Gründer beschlossen, lieber das Produkt direkt am Markt zu testen. Im Nachhinein eine gute Entscheidung.
5) Kalkulation: „Das ständige Rechnen in Opportunitätskosten mancher Gründer geht mir auf die Nerven: Man ist da schnell bei Analyse-Paralyse.“
Gründer sollten sich Gedanken darüber machen, wie sie ihre Idee umsetzen: Können sie ihre Website selbst designen oder diese Tätigkeit lieber auslagern? Können sie das Produkt selbst entwickeln oer sollten sie besser einen Profi beauftragen? Das sind Fragen, die geklärt werden müssen. Aber: Man sollte es auch nicht übertreiben, meint Max Wittrock. In der Zeit, in der man nachrechne, welche Option sich jetzt am meisten lohne, in dieser Zeit habe man es oft selbst schon erledigen können. Also: Denken ja, aber auch machen.
Mymuesli-Gründer raten: Schwächen zugeben
6) Schwächen: „Jeder gute Superheld hat einen Schwachpunkt – und jede Gründergeschichte wird umso besser, je deutlicher die Gründer ihre Schwachpunkte offenlegen.“
Quintessenz: Du musst nicht alles wissen. Manchmal verzweifeln Gründer an einfachen Fragen, weil sie in einem Bereich noch keine Expertise besitzen. Ganz zu Anfang wickelten die Mymuesli-Macher die Müsli-Dosen etwa in Luftpolsterfolie, wenn sie sie verschickten. Da das aber nicht sonderlich nachhaltig war, beschrieben sie die Probleme in ihrem Blog und baten um Lösungsvorschläge. Und siehe da: Ein Hinweis brachte sie auf eine Herstellerplattform, die sie zu einem Kartonhersteller führte. Manchmal weiß die Crowd einfach mehr.
Auch bei der PR muss die Geschichte nicht immer perfekt sein. Ganz oft sind es die unperfekten Geschichten, die bei Medien, Journalisten und Bloggern ziehen. Die Schwachstelle der Mymuesli-Gründer sei die „totale Planlosigkeit“ gewesen, schreibt Hubertus Bessau. Dass sie das so offen kommunizierten, sei bei Müslifreunden und Medien aber wiederum gut angekommen.
7) Rekrutierung: „Personalfragen sollte man sich nie schönreden. ‚Sie oder er passt nicht zu 100 Prozent ins Team, ist aber fachlich super.’ Damit haben wir ganz schlechte Erfahrungen gemacht.“
Mit dem Wachstum kamen auch die ersten Mitarbeiter zu Mymuesli. Die drei Gründer wurden plötzlich Chefs – und mussten entscheiden, wer zum Team gehören sollte und wer nicht. Das war anfangs gar nicht so einfach. Mittlerweile vertrauen sie auf die Segelfrage, die auf eine Hamburger Agentur zurückgeht: „Würdest du mit dieser Person zwei Wochen lang segeln gehen?“ Dahinter steckt der Ansatz, nur Menschen einzustellen, mit denen man persönlich klarkommt. Kompetenzen könne man lernen, schreiben die Mymuesli-Macher, „ein toller Typ sein“ nicht.
8) Wagniskapital: „Smart ist nicht alles. Nice ist genauso wichtig.“
Ein Wagniskapitalgeber sollte immer auch Wissen mitbringen. In der Fachsprache nennt man das passenderweise „Smart Money“. Mit Lukasz Gadowski und Kolja Hebenstreit hatten die drei Gründer zwei Business Angels, die sie sehr früh mit Geld und Know-how unterstützten. Obwohl sie vor Risikokapitalgebern pitchten, holten sich die Mymuesli-Macher aber erst acht Jahre nach der Gründung einen ins Unternehmen. Ihr Tipp: Der Geldgeber sollte nicht nur Wissen und Geld mitbringen, es sollte auch auf persönlicher Ebene passen.
9) Stationärer Handel: „Immer, wenn wir einen Laden eröffnen, gehen die Online-Zahlen in dieser Stadt hoch.“
Den Mymuesli-Gründer wurde mehrfach vorgeworfen, dass ihre Offline-Läden nur ein Marketinginstrument seien. Das beantworten die drei zwar mit Nein, sie sagen aber, dass ein stationäres Geschäft natürlich nicht nur Umsatz, sondern auch Sichtbarkeit bringe. Wenn die Menschen vorbeigehen, beschäftigen sie sich offenbar auch mit der Marke: In Städten, in denen Mymuesli stationäre Geschäfte eröffnet hat, bestellen die Kunden auch mehr online.
10) Expansion: „Ein neuer Markt braucht fast so viel Aufmerksamkeit wie ein neues Startup.“
Mymuesli gibt es mittlerweile in sechs Ländern. Nicht jede Expansion war allerdings von Erfolg gekrönt. Beispielhaft zeigt das der Gang des Passauer Unternehmens nach Korea. Ein Ortskundiger wollte in Seoul einen eigenen Mymuesli-Laden eröffnen. Die drei Gründer ließen sich anstecken. Doch das Geschäft funktionierte nicht: zu teuer, zu aufwändig, auch die interkulturelle Kommunikation stellte sich als Problem heraus. Im Nachhinein sagen die Gründer, sie seien auf „fahrende Züge“ aufgesprungen, anstatt einen eigenen Fahrplan zu entwickeln.
11) Vision: „Ziel der Sache ist nicht die totale Perfektion. Etwas, das absolut perfekt ist, das rutscht schon wieder in Richtung Starrheit.“
„Der ‚Hurra, wir haben es geschafft’-Zeitpunkt findet nicht statt.“
Das vielleicht eindrücklichste Kapitel des Buches findet sich ganz am Ende. Die drei Gründer beschreiben darin, wie sie irgendwann merkten, dass sie auseinander drifteten, dass sie Rücksicht auf Konflikte nahmen, von denen sie „nur vermuteten, dass sie da sein könnten“. Gemeinsam gingen sie zu einem Coach – und entwickelten eine neue Idee von Mymuesli. Es könne zwar niemals alles ganz richtig sein, aber man dürfe niemals aufhören, zu machen. Den „Hurra, wir haben es geschafft“-Zeitpunkt gebe es nicht.
Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock: Machen. Das Startup-Buch der Mymuesli-Gründer *. 225 Seiten, 16,95 Euro, erschienen am 30. April 2017. Verlag Edel Books. ISBN: 978-3-8419-0522-2
„Zalando haben auch viele Experten belächelt, weil sie Schuhe im Netz verkaufen wollten.“
Das ist doch eher ein Mythos. Richtige „Experten“ hätten sofort erkannt, dass Zalando ein Copycat des damals bereits sehr erfolgreichen Zappos.com ist, statt die Idee zu belächeln. Die Samwers investieren nie in neue Ideen, sondern kopieren dreist bereits erfolgreiche Startups.
Ansonsten ist es ein interessanter Artikel.