N26: Ein leergeräumtes Konto, fehlender Telefonsupport und eine überforderte Bank

Noch vor wenigen Tagen erklärte N26-Gründer Valentin Stalf in einem Interview, dass die Digitalbank jeden Tag 10.000 neue Kunden gewinne. Seit Anfang 2019 zählt die Vorzeigebank in Sachen Digitalisierung zu den Unicorns mit einer Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar.
Jetzt zeigt sich, dass ein solches Wachstum offenbar nicht ohne Wachstumsschmerzen auskommt. So berichten Kunden in Foren vermehrt über Probleme mit der Erreichbarkeit und auch der neue Chatbot, der die Supportabteilung eigentlich entlasten soll, stellt mit seinen beschränkten Fähigkeiten Kunden mindestens auf eine harte Geduldsprobe. Außerdem berichtet das Portal Gründerszene über einen Fall, der symptomatisch ist für Probleme, wie sie bei vielen Bankhäusern vorkommen können, dessen Handling aber dokumentiert, wie überfordert N26 zumndest in diesem Fall war: Einem Kunden, der das Konto als E-Commerce-Händler geschäftlich nutzt, wurde offenbar widerrechtlich das Konto leergeräumt – es entstand ein Schaden von rund 80.000 Euro.
Bis der Kunde dies aufgrund geänderter Zugangsdaten allerdings überhaupt bemerken konnte, vergingen offenbar mehrere Wochen – Zeit, in der der Kunde nur per E-Mail und Chat mit der Bank in Kontakt treten konnte, weil diese aus Gründen der Wirtschaftlichkeit keine telefonische Hotline anbietet. Und Zeit, in der er aus ermittlungstaktischen Gründen nicht auf sein Konto zugreifen konnte. Zwei Wochen, die nicht nur für einen Geschäftsmann eine sehr lange Zeit sein können.
Kundenvertrauen für Banken besonders wichtig
Für den Kunden bedeutete das große Schwierigkeiten – und brachte ihn in Erklärungsnot gegenüber Lieferanten, Gläubigern und nicht zuletzt seinem Vermieter und seinen Mitarbeitern. Auch andere Kunden berichten von Schwierigkeiten, bei der Bank jemanden zu erreichen, von langen Wartezeiten bei der Beantwortung von Anfragen und von Problemen sprachlicher Natur. All das ist gerade für eine Bank nicht akzeptabel. Denn Kundenkommunikation ist für Banken und Versicherungen erwiesenermaßen eine der wichtigsten Baustellen, wenn es um das Kundenvertrauen geht.
Von einem Onlinehändler oder einem Marktplatz erwartet man nicht zwingend, dass er jederzeit erreichbar ist, von der Bank des Vertrauens aber schon. Andererseits wurde für den E-Commerce gerade entschieden, dass die Kontaktaufnahme nicht zwingend per Telefon möglich sein muss. Doch die Regulierungsbehörden im Bankwesen dürften in vielen Punkten strenger urteilen, was die Sicherstellung der Erreichbarkeit betrifft.
N26 selbst teilte mit, das 400-köpfige Support-Team sei stets für den Kunden da. „Wir können daher sehr gute Erreichbarkeit sicherstellen“, erklärt das Unternehmen. Man rufe Kunden insbesondere in dringenden Fällen, wie zum Beispiel bei Betrugsverdacht, zurück. In naher Zukunft wolle N26 via Chat auch rund um die Uhr erreichbar sein, heißt es. Doch zu kämpfen hat N26 wohl vor allem auch mit Phishing-Attacken, was angesichts des enormen Wachstums kein Wunder ist. Denn jedes Unternehmen, das eine gewisse Größe erreicht hat, rückt automatisch ins Visier des organisierten Verbrechens, das auf diese Weise eleganter als früher Geld erbeuten kann. Schon Ende 2016 hatte ein Sicherheitsexperte Schwachstellen in der App von N26 gefunden.
N26: Nachholbedarf bei den Prozessen?
Anders als etablierte Bankhäuser, die über viele Jahre Erfahrung in der Betrugsprävention verfügen und große Abteilungen nur mit diesem Thema beschäftigen, kämpfen insbesondere die digitalen Newcomer viel häufiger mit ihren Prozessen – sei es bei Sicherheits-Workflows und der Fraud-Detection, sei es, wie beispielsweise auch beim Münchner Anbieter Fidor, auch mit den Prozessen in der Kundenkommunikation. Doch gerade lange Response-Zeiten können Kunden nicht nur bei normalen Anfragen verärgern, sondern sind gerade auch wenn Gefahr in Verzug ist, ein echtes Hindernis bei der Aufklärung von Straftaten.
N26 betont, man unterstütze die Kunden bei der Regulierung ihrer Schäden, was immer das genau heißen soll – im konkreten Fall bekommt der Kunde das Geld offenbar erstattet. Für Zuversicht und Vertrauen sorgt das kaum, zumal der Kunde zunächst einmal darum kämpfen muss, dass ihm das Unternehmen glaubt. Doch der Fall N26 hat noch eine größere Tragweite: Es ist das Vorzeigeunternehmen der Fintech-Branche in Deutschland und einer der wichtigsten Player in Europa. Will sagen: Wenn N26 aufgrund Unregelmäßigkeiten und schlechtem Kundenservice in Verruf kommt, wird es die gesamte Fintech-Branche umso schwerer haben, sich das Vertrauen der Kunden zu bewahren.
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