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Neos-CMS in der Praxis: Das hat sich bei t3n verändert

Seit einer Weile läuft unser t3n.de jetzt über Neos-CMS. Was sich seitdem verändert hat, welche Herausforderungen es gibt und was die Gründe für den Wechsel waren, erfährst du im eStrategy-Interview.

Von Josef Willkommer
8 Min. Lesezeit

t3n setzt vermutlich als erster Verlag sehr umfänglich auf Neos und Flow als Software-Infrastruktur für Content-und Webapplikationen. Mit Martin Brüggemann, CTO von yeebase – dem Verlag hinter t3n – hat das Magazin eStrategy gesprochen.

eStrategy: Ihr habt Anfang April t3n.de auf Neos umgezogen. Welche Technologie(n) habt ihr bisher verwendet und was waren die Gründe für den Wechsel?

Martin Brüggemann: Wir haben zunächst „nur“ die t3n.de-Startseite, Ressortseiten, Keyword-Management/Autotagging, Content-API, Suche, Tag-Landingpages auf Neos gerelaunched. Das heißt, wenn ein Autor die News-Bühnen auf der Startseite ändern möchte oder eine News oben auf der Startseite pinnt, kann er das jetzt bequem in Neos per Drag-and-Drop tun. Die eigentliche Content-Redaktion läuft aktuell noch in WordPress, das wir in einem zweiten Step (ca. Ende 2017) mit Neos ersetzen werden.


Vor Neos hatten wir eine Eigenentwicklung auf dem Symfony-Framework am Laufen, bei der wir aber an vielen Stellen gemerkt haben, dass wir Content-Features (zum Beispiel Menüverwaltung, Fließtexte für Landingpages, Drag-and-Drop, Verschieben von Inhaltselementen, …) unnötigerweise neu bauen, anstatt auf eine Content-Application-Plattform wie Neos zu setzen, die solche Features von Hause aus mitbringt – das machte irgendwann einfach auch betriebswirtschaftlich keinen Sinn mehr.

eStrategy: War für euch von Beginn an klar, dass bei einem Technologiewechsel Neos die richtige Entscheidung ist? Welche Technologien habt ihr darüber hinaus noch evaluiert und warum hat Neos am Ende „das Rennen“ gemacht?

Wir haben als Fachmagazin einen sehr guten Einblick in den Markt und schauen uns neue Technologien extrem früh an. Neben Neos war für uns damals noch Drupal, ez Plattform (das neue ez-Publish auf Symfony-Basis) und contenful interessant.

Uns ist schon länger klar gewesen, dass wir eine möglichst flexible Plattform für Content und Anwendungen brauchen, um für die Zukunft optimal aufgestellt zu sein. Ein normales CMS kommt da schnell an seine Grenzen. Heute haben wir mit Neos (dem CMS) und Neos Flow (dem PHP-Framework) eine extrem coole Lösung, um unsere Anwendungen (Stellenbörse, Firmenverzeichnis, SSO, …) mit der Content Plattform zu verzahnen. Überzeugt haben uns am Ende folgende Punkte: herausragende Technologie (super UX, Content-Repository & Content-Types, Elastic-Search-Integration, Caching-Framework, Fusion, um schnell was hinzumodellieren), echtes Opensource-Projekt, coole Community inklusive solidem Agentur- oder Experten-Netzwerk.

eStrategy: Die t3n gehört inzwischen ja schon zu den absoluten „Dickschiffen“ in Bezug auf Bekanntheit und Traffic im Bereich der deutschsprachigen Tech-Magazine. Ich könnte mir vorstellen, dass das Thema Traffic und Performance schon eine echte Herausforderung war und ist, zumal es meines Wissens nach bislang ja noch kein echten Praxisbeispiele von Neos bei sehr trafficstarken Seiten und Nachrichtenportalen gab. Wie seid ihr damit umgegangen?

Wir stehen Veränderungen in unserem Software-Stack grundsätzlich sehr positiv gegenüber, sind da aber bei aller Geekness sehr praxisorientiert. Dadurch, dass wir vor unseren Anwendungen ohnehin einen F5-Loadbalancer und nginx+ mit hartem Caching laufen haben, wussten wir, dass wir da zur Not viel tricksen können, falls wir Performance-Probleme bekommen sollten. Wir waren dann allerdings alle ziemlich überrascht, wie schnell Neos im Livebetrieb ist. Das integrierte Caching-Framework hat die Ladezeiten unserer Seite um circa die Hälfte im Vergleich zu unserer Eigenentwicklung reduziert. Man sollte allerdings drauf achten, dass man einen Redis-Server mit ausreichend Ressourcen als Cache-Backend laufen hat. Da hatten wir anfänglich ein paar Probleme die richtigen Einstellungen zu finden – jetzt geht das aber richtig ab.

eStrategy: Ein neues (Redaktions-)System ist natürlich für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und eine Umstellung gerade bei größeren Redaktionen mit entsprechenden Workflows und so weiter erfahrungsgemäß häufig mit echten Schmerzen verbunden. Wie seid ihr hier vorgegangen, um die Leute möglichst frühzeitig einzufangen und abzuholen? Wie fallen die bisherigen Feedbacks nach der Umstellung in euren Team aus?

Wo früher für jedes Minifeature ein Jira-Ticket angelegt werden musste, schreiben wir heute einfach oft „Das kann Neos heute schon“.


Wir haben natürlich erstmal einen parallelen Neos- Zweig in unserem Stage-System hochgezogen und Neos parallel mitlaufen lassen. Neos bietet sich dafür auch ganz gut an, da man mit den Content-Types sehr schnell etwas „sehen kann“ und den User dadurch sehr früh bei der Implementierung mit einbeziehen kann. Dadurch sind uns viele Anforderungen und Wünsche unserer Redaktion klar geworden, die wir dann meistens auch sehr gut mit Neos-Bordmitteln umsetzen konnten.

Wo früher für jedes Minifeature ein Jira-Ticket angelegt werden musste, schreiben wir heute einfach oft „Das kann Neos heute schon“. Wir haben zum Beispiel neulich ein neues Produkt „Brandhub“ (eine gesponserte Version einer Firmen-Landingpage) gelauncht, das die Produktmanager fast komplett selbständig in Neos umgesetzt haben. Das war für mich als CTO ein ziemlich gutes Gefühl. Am Ende geht’s ja darum, die Mitarbeiter möglichst gut zu enablen, ihren Job zu erledigen, ohne dass hinten Schrott rauskommt. Mit Neos können wir das zumindest technisch gewährleisten.

eStrategy: Kannst du uns ein paar Eckdaten zum Projekt nennen. Wie lange war die Projektlaufzeit? Wie viele Entwickler waren daran beteiligt? Wie hat das Projektmanagement ausgesehen? Von welchen Größenordnungen sprechen wir hier in Bezug auf Contentübernahme, Anzahl der Redakteure und so weiter?

Ungefähr sechs Monate Projektlaufzeit (nicht Fulltime, lief neben anderen Projekten nebenher). Fünf Entwickler, agiles Projektmanagement, Content-Migration komplett automatisiert, circa 15 Redakteure, die mit dem neuen System arbeiten.

eStrategy: Gibt es ein zentrales Learning in diesem Projekt, das ihr zukünftig anders machen würdet und habt ihr die Entscheidung komplett auf Neos umzusteigen mittlerweile bereut?

Wir haben mit dem Neos-Relaunch auch unsere Single-Sign-On-Lösung (t3n.de/account) auf Neos-Flow-Basis gerelauncht. Das hat etwas geruckelt und alle Mitarbeiter dachten, das sei die Schuld von Neos, was damit allerdings gar nichts zu tun hatte. Da sollten wir nächstes Mal intern noch klarer kommunizieren. Ansonsten sind wir mit Neos sehr happy und unsere Redakteure angenehm überrascht, wie einfach man Inhalte ändern und modellieren kann, ohne Jira-Tickets für die Technik anlegen zu müssen – genau da wollten wir hin.

eStrategy: Worin sieht du die größte Vorteile von Neos gegenüber diversen anderen Open-Source-CM-Systemen und wo besteht aus deiner Sicht noch der größte Nachholbedarf?

Bei Neos überzeugt mich der Content-Repository-Ansatz mit den Content-Types und Fusion als die „Konfigurationssprache“, um mit ein paar Zeilen einfachen Codes alle nötigen Funktionen zu bauen, ohne komplexe Plugins in PHP schreiben zu müssen. Was manchmal nervt ist das etwas überladene Javascript-Backend auf Ember.js-Basis (man muss öfter mal den Browser refreshen, wenn das Neos-Backend mal wieder lahm ist). Da kommt ja aber bald der ReactJS-Rewrite, der schon einen sehr guten Eindruck macht. Ansonsten fehlt noch eine standardisierte Content-API, ein eingebautes List-Modul à la contentful.com, mit dem Redakteure schon Inhalte erfassen können, obwohl die Darstellung der eigenen Content-Types noch gar nicht klar ist und ein Content-Type-Editor, wie man ihn von ez Platform und Drupal kennt.

Als Neos-CMS-Betreiber sollte man in der Lage sein, Content-Types schnell modellieren und verwalten zu können – da muss man heute noch zu viel Code schreiben. Funktioniert, aber ist nicht massentauglich.

eStrategy: Der Einstieg in eine neue Software ist ja vielfach nicht ganz einfach. Welche Tipps hast du für interessierte Neueinsteiger, um möglichst schnell und nachvollziehbar mit Neos einzusteigen?

Ich hätte hier gerne gesagt, dass ihr euch einfach das Einsteigertutorial XY oder den Blog Z anschauen solltet, weil der einen total guten Einstieg in das Thema bietet – so etwas gibt es aber leider bei Neos meines Wissens (noch) nicht. Die Dokumentation ist super und aus den Kernpaketen kann man sich sehr viel an Konfigurationsmöglichkeiten herauslesen. Falls ihr mehr Power braucht, quatscht mit jemandem aus dem Core-Team oder sucht euch eine der Agenturen, die sich mit Neos auskennen – die sind zum Glück richtig super und deutschlandweit verteilt.

eStrategy: Die Entwicklung macht ihr ja seit der Anfangszeit bereits inhouse und seid ursprünglich mit TYPO3 „groß geworden“. Seit längerer Zeit nutzt ihr bereits Flow als Framework für diverse Applikationen. Erzähle uns hierzu doch ein bisschen mehr …

Neos Flow ist das Basis-Framework für all unsere Anwendungen (intern und extern). Uns überzeugt da einfach, dass es technologisch genau die Richtung vorgibt, die wir abfeiern (DDD, Eventsourcing, …) und es sich nahtlos mit Neos-CMS verzahnen lässt. So können wir später easy bei Anwendungen noch ein CMS aufschalten und alles läuft einfach. Mit Flow betreiben wir inzwischen unser eigenentwickeltes ERP, den Shop, das Versand- und das Buchungsmanagement (Disposition), den SSO-Server und das Firmenverzeichnis. Dadurch, dass wir für alle Projekte dieselbe Basis verwenden, sparen wir uns extrem viel Zeit, da wir unsere Mitarbeiter nur auf ein System schulen müssen und viele Pakete in allen Projekten verwenden können.

eStrategy: Auf der diesjährigen Neos-Konferenz am 31. März und 1. April in Hamburg hast du euer Projekt erstmals öffentlich angeteasert. Wie fandest du die Konferenz und das Umfeld? Ihr kommt ja ursprünglich aus der TYPO3-Community. Was unterscheidet hier aus deiner Sicht Neos von TYPO3?

Die Neos-Conference ist natürlich noch viel kleiner als die über Jahre breit gewachsene TYPO3-Community. Als ich 2006 das erste Mal auf der T3CON in Karlsruhe war, hatte das ungefähr den Style von der Neos-Conference dieses Jahr. Als Digital Pioneers haben wir oft mit kleinen Cutting-Edge-Communities zu tun, auf die wir in einer frühen Wachstumsphase aufmerksam werden. Ich finde gerade das toll, früh dabei zu sein und sich anzuschauen, wie etwas technologisch cooles auf einmal Fahrt aufnimmt.

Bei Neos trifft der technologische Anspruch auf langjährige Entwicklungsarbeit (TYPO3 Flow wurde 2006 meines Wissens 2006 auf der T3CON das erste Mal angekündigt). Was der Neos-Community noch hart fehlt ist der Fokus auf den deutschen Markt, deutschsprachige Dokumentation und deutschsprachiges Marketing. Der internationale Spezialisten-Fokus (alles englischsprachig und technisch) ist grundsätzlich cool, aber wenn 90 bis 95 Prozent der großen Projekte/User/ Agenturen aus DACH kommen und viele Entscheider im deutschen Mittelstand ein zukunftssicheres CMS suchen, bleibt da zu viel Marketingpower auf der Strecke.

eStrategy: Für eine Besonderheit war/ist die t3n nach wie vor bekannt. Das Print-Magazin wurde von der ersten Ausgabe an über TYPO3 produziert, was auch heute noch der Fall ist. Zukünftig ist hier ebenfalls eine Umstellung in Richtung Neos/Flow in Planung. Der Satz sollte dann in In-Design erfolgen, wobei der Content aus Neos geliefert wird und – Verlage aufgepasst – die hierfür notwendige Extension ist ebenfalls als Open-Source-Tool vorgesehen. Kannst du uns dazu ein paar Details nennen?

Wir produzieren seit t3n 48 bereits nicht mehr auf TYPO3 sondern In-Design-only.

Als Web-First-Verfechter sind wir dran, unseren In-Design-Produktionsprozess an Neos zu koppeln. Dafür haben wir bereits einen vielversprechenden Prototypen. Mit der Umstellung auf das neue System werden wir dann auch WordPress bei uns ablösen und alles in Neos machen. Wird vermutlich aber Anfang 2018 werden, dann können wir uns ja nochmal unterhalten ;-)

eStrategy: Vielen Dank für das Interview. Wir kommen Anfang kommenden Jahres dann gerne nochmal auf dich zu! ;-)

Das Interview erschien zuerst in der eStrategy Ausgabe 02/17. Hier könnt ihr euch das Magazin kostenlos herunterladen.

3 Kommentare
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Dein t3n-Team

Ralf Hortt

WordPress bitte mit großem P. Als Fachmagazin ist das ein einfacherer Fehler :-/

Antworten
Thomas Reisig

Da finde ich dieses furchtbare Denglisch wesentlich schlimmer. „Mitarbeiter enablen“ … ohne Worte.

Antworten
Karoline Brose

Wie sieht es nun nach 2 Jahren aus. Nutzt ihr noch weiterhin Neos oder habt ihr wieder zu WordPress gewechselt?

Antworten

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