Neues Umsatzsteuer-Recht für Online-Händler: Werden E-Books, MP3 und SaaS-Software teurer?
Ein Beispiel: Kauft ein Kunde aus Schweden E-Books in Deutschland, fallen 25 Prozent Mehrwertsteuer an, die der Online-Händler als Umsatzsteuer abführen muss. Der Kunde aus Luxemburg ist etwas glücklicher: Er zahlt nur drei Prozent Mehrwertsteuer, die die der Online-Händler dann auch als Umsatzsteuer abführen muss.
Auswirkungen in Deutschland möglich: Amazon berechnet momentan zwischen 3 und 15 Prozent Mehrwertsteuer
Die Auswirkungen dieser Neuregelung für deutsche Kunden betreffen unter Umständen nicht nur Produkte, die auf einer Website im Ausland erworben werden, sondern auch auf einer deutschen Website. Abhängig ist das von der Frage, wo der betreffende Anbieter seinen Firmensitz hat. Amazon beispielsweise hat seinen Firmensitz in Luxemburg, betreibt aber eine deutsche Website.
„Die Preise von digitalen Produkten und Dienstleistungen, einschließlich Kindle-Inhalten, Amazon Apps, Software & Digitalen Games (einschließlich Prepaid Gaming Cards), MP3 Downloads, Cloud Player sowie von Cloud Drive sind inklusive der luxemburgischen Mehrwertsteuer in Höhe von 15% (bzw. 3% für eBooks) aufgeführt.“
15. Juli 2014 | Amazon.de – Umsatzsteuersätze innerhalb der EU
Die bisherige Regelung erlaubt es Amazon also, E-Books mit drei Prozent Mehrwertsteuer zu verkaufen, was Händlern mit einem Firmensitz in Deutschland nicht möglich ist. Zukünftig wird Amazon aber statt drei Prozent nun den für Deutschland geltenden Steuersatz abführen müssen: 19 Prozent. Die entstehende Lücke im Ertrag könnte in einer Mischkalkulation abgefedert werden, was allerdings recht unwahrscheinlich ist angesichts der Differenz von 16 Prozent. Wahrscheinlicher ist eine Preiserhöhung um die indirekte Steuererhöhung abzufedern.
Amazon mit dem Download von typischen digitalen Produkten wie E-Books, Video-On-Demand- und Musik-Download-Angeboten, ist nur ein populäres Beispiel, Browsergames oder In-App-Purchases in verschiedenen Spielen wären ein weiteres: Anbieter mit einem Sitz im EU-Ausland, wie die finnische Spieleschmiede Rovio mit Angry Birds, unterliegen der selben Problematik. Auch SaaS-Software-Anbieter sind von der Regelung betroffen. Wollen Anbieter digitaler Inhalte zukünftig nicht auf einen Teil ihrer Marge verzichten, müssen sie die unterschiedlichen Steuersätze nach der Preiskalkulation aufschlagen – was im Umkehrschluss dazu führt, dass europaweit agierende Anbieter, die bisher auf Basis ihrer eigenen Mehrwertsteuer-Sätze kalkuliert haben, ihre Kalkulation anpassen müssen. Und das kann aus Endkundensicht in manchen EU-Ländern zu einer Preiserhöhung führen.
Verlage in Deutschland stehen durch das neue Umsatzsteuer-Recht vor einer besonders schwierigen Situation: Umsätze über Amazon und Apple sind ebenso betroffen und reißen zukünftig ein Loch in die Kalkulation, eine Preiserhöhung ist aber aufgrund der Buchpreisbindung erst bei zukünftigen Veröffentlichungen möglich.
Neuregelung des Umsatzsteuer-Recht: Hintergrund und Rechtslage
Hintergrund für die Änderung sind europäische Vorgaben in verschiedenen EU-Richtlinien, beschlossen im Rat der Europäischen Union. Die Änderung tritt aufgrund einer sogenannten Durchführungsverordnung in Kraft, die für einheitliche Bedingungen bei solchen Änderungen in den verschiedenen europäischen Ländern sorgt. Die Regelung gilt für alle Mitgliedsländer der EU, betrifft also sowohl Kunden von Online-Händlern mit einem Firmensitz im EU-Ausland, als auch deutsche Online-Händler, die an Kunden im EU-Ausland verkaufen.
Einer der politischen Beweggründe wird das Ausbremsen einer besonderen Art der Steuerflucht sein: Unternehmen wie Amazon platzieren bewusst den Firmensitz in einem Land mit möglichst günstigen Mehrwertsteuersätzen. Dieses strategische „Gegeneinanderausspielen“ von Staaten soll damit beendet werden.
Algirdas Šemeta, für Steuern zuständiges Mitglied der EU-Kommission, erklärte laut Haufe.de die neuen Richtlinien wie folgt:
„Wir streben eine gerechte Besteuerung an, die die unternehmerische Tätigkeit erleichtert und den nationalen Haushalten solide Einnahmen beschert. Die nächstes Jahr in Kraft tretende Änderung der Mehrwertsteuervorschriften wird diesem Anspruch gerecht. Für die Unternehmen wird das System einfacher und gerechter, was insbesondere Start-ups und KMU ermutigen sollte, grenzüberschreitend zu expandieren. Die Mitgliedstaaten werden über ausgewogenere Besteuerungsrechte verfügen, wodurch der Steuerwettbewerb in der Europäischen Union fairer wird.“
15. Juli 2014 | Haufe.de
Neues Umsatzsteuer-Recht: Die Auswirkungen auf Online-Händler
Die konkreten Auswirkungen auf deutsche Online-Händler, die direkt an Endkunden vertreiben, sind beachtlich:
- Die Besteuerung von digitalen Dienstleistungen und Produkte ist ab sofort variabel: Je nachdem, in welches Land geliefert wird, gilt unter Umständen ein anderer Steuersatz. Eine Übersicht liefert eine offizielle PDF-Datei, relevant ist unter Punkt 6 die Zeile „Tele-Gegenstände und Dienstleistungen“ sowie „eBücher“.
- Die rechtlichen Vorschriften rund um die Mehrwertsteuer, die im jeweiligen Land gestellt werden, müssen ebenfalls eingehalten werden, beispielsweise die Anforderungen an eine Rechnung.
- Die eingezogene Steuer muss entweder direkt in das jeweilige Land abgeführt werden oder Händler nutzen das unten beschriebene vereinfachte „One-Stop-Shop-Verfahren“. Nähere Details liefert ein offizieller Leitfaden zum „One-Stop-Shop-Verfahren“ im PDF-Format.
- Das One-Stop-Shop-Verfahren: Damit Online-Händler sich nicht in jedem Land der EU steuerlich erfassen lassen müssen, kann die Umsatzsteuererklärung für jedes Land gesammelt bei einer zentralen Anlaufstelle abgegeben werden: der „kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer“. Diese Anlaufstelle gibt dann die Erklärungen und die Steuer an die betroffenen EU-Länder weiter.
- Das Shopsystem muß technisch angepasst werden, damit die unterschiedlichen Steuersätze sowohl berechnet, als auch angezeigt werden können. Vorraussichtlich werden die Hersteller der Shopsysteme hier Updates oder Erweiterungen bieten. Unsere stichprobenartigen Nachfragen bei verschiedenen Herstellern zeigen, dass man sich zwar der Thematik bewusst ist, aber noch keine konkreten Lösungen existieren. Die Umsetzung der EU-Vorgaben erfolgt anscheinend sehr kurzfristig und die Hersteller konnten sich mangels konkreter und verbindlicher technischer Vorgaben hier noch nicht an die Lösungsentwicklung machen.
- Die Anzeige der Preise und Steuersätze im Onlineshop erhält zusätzliches Gewicht. Netto-Preise anzugeben, ist keine mögliche Alternative, die angezeigten Bruttopreise müssten für ausländische Besucher angepasst werden. Wer über keinen landesspezifischen Domain-Namen verfügt, um zu steuern, aus welchem Land der Besucher kommt, kann entweder auf Geo-Location setzen, um Besucher automatisch zu erkennen oder über die Umstellung mittels „Flaggensymbol“ beziehungsweise gekoppelt an die Sprachauswahl vornehmen.
Für Unternehmer im B2B-Bereich gilt nach wie vor die sogenannte Reverse-Charge-Regelung: Der Leistungsempfänger entrichtet die Steuer.
Was ist denn das schon wieder für ein Mehrwertsteuer-Schwachsinn? Gedruckte Bücher haben einen USt-Satz von 7%, eBooks 19% ??? Totaler Unsinn!!!!!
Also vom Ziel her finde ich die EU-Entscheidung sehr richtig!
Aber ich frage mich gerade was in Grenzregionen passiert, z.B. an der Deutsch/Dänischen-Grenze. Fahren die Dänen dann kurz über die Grenze und per Geolocation dann bei amazon.dk zu deutschen Steuersätzen zu bestellen und sich die Artikel dann nach Dänemark liefern zu lassen??
Was ist wenn man einen Proxy in jedem Land hat und je nach Artikel diesen dann nutzt??? Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie denen bei Amazon der Kopf raucht das alles abzufedern.. :-)
Die (versuchte) Umgehung der Regelung und die Haftung des leistenden Unternehmers sind vorprogrammiert.
Der steuermüde Leistungsempfänger wird sich ein Identität im EU-Land seiner Wahl zulegen. Akzeptiert der Server des leistenden Unternehmers das gefakte Herkunftsland des Kunden, sichert der sich damit den Umsatzsteuersatz dieses Landes. Das neue Modell der Steuerhinterziehung des keinen Mannes.
Was aber ist mit dem leistenden Unternehmer? Der freut sich nun über jeden Kunden aus einem niedrig besteuernden EU-Land. Oder mogelt der etwa und lässt Kunden aus Ländern mit einem hohen Steuersatz nach Luxemburg umziehen?
Ich befürchte weitere Regelungen der Finanzverwaltung zum Nachweis des Herkunftslandes des Abnehmers. Entsprechende Nachweisregelungen zum aktuellen Umsatzsteuergesetz gibt es schon. So hat der deutsche Unternehmer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Unternehmers zu prüfen. Ebenso muss er feststellen, ob seine Lieferanten überhaupt Unternehmer sind oder ihn gar betrügen und Scheinleistungen abrechnen. In allen Fällen ist unser Unternehmer im Risiko und haftet für alle Risiken.
Neue Nachweispflichten passen da nahtlos ins System. Das trübt die Freude des leistenden Unternehmers an EU-Kunden.
‚Die kleine einzige Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer‘ – so ein niedlicher Ausdruck für ‚one-stop-shop‘