Online gründen in Estland: Das Paradies für Digital Nomaden auf dem Prüfstand [WHD.global]
Estland bietet seit 2014 mit der „e-Residency“ eine virtuellen Wohnsitz in Estland an. Eine mit der e-Residancy einhergehende digitale Signatur auf einer Chip-Karte ermöglicht es viele öffentliche Dienstleistungen online wahrzunehmen. Darunter auch die Möglichkeit eine Kapitalgesellschaft online in Estland zu gründen und zu führen. Während der WHD.global in Rust hat Taavi Kotka, der CIO der estnischen Regierung diese Möglichkeit vorgestellt, wir haben die wichtigsten Punkte seines Vortrages für euch zusammengefasst, mit Hintergrundinformationen versehen und eingeordnet.
e-Residency in Estland
Die e-Residency ist weder eine Staatsbürgerschaft noch eine Aufenthaltserlaubnis, es ist eine virtuelle, digitale Niederlassung in Estland, die dem Nutzer den Zugang zu estnischen öffentlich-rechtlichen Dienstleistungen ermöglicht. In unserem Fall die Online-Registrierung von Firmen beim estnischen Handelsregister, die Verwaltung der notwendigen Verträge und Dokumente sowie die Abgabe aller erforderlichen Steuererklärungen und Jahresabschlüsse.
Die e-Residency kostet 100 Euro und kann von jedem Interessierten ohne Vorstrafen, ab einem Alter von 18 Jahren, online beantragt werden. Nach drei bis vier Wochen kann die e-Residency-Card dann ausschließlich vom Antragsteller bei der estnischen Botschaft in Berlin abgeholt werden. Für den Antrag müssen ein Passfoto, eine Ausweiskopie und eine kurze, formlose Begründung online zur Verfügung gestellt werden.
Nach einem Background-Check der estnischen Grenzpolizei wird dem Antrag dann in der Regel stattgegeben und der Antragsteller bekommt eine Mail-Benachrichtigung über den erfolgreichen Abschluss des Antrags.
Die e-Residency beinhaltet neben der Möglichkeit, ein Unternehmen zu gründen, viele weitere Dienstleistungsangebote. Im Prinzip können alle Komponenten der estnischen digitalen Gesellschaft genutzt werden.
Gründen in Estland als e-Resident
Um eine Kapitalgesellschaft in Estland zu gründen, sind lediglich drei Schritte nötig. Zuerst die e-Residency beantragen, dann bei einem Virtual-Office-Anbieter wie LeapIN oder eTeenused für einen monatlichen Betrag zwischen zehn und 15 Euro eine Geschäftsadresse mit Postweiterleitung reservieren und schließlich mit Hilfe der Chipkarte, der estischen e-Residency-Software und einem Kartenleser beim estnischen Company Register anmelden und die Firma dort eintragen. Die Prozedur ist im Detail auf der staatlichen Website Investinestiona erklärt.
Der geläufigste Firmentyp „Private Limited Company“ entspricht unserer GmbH, erfordert eine Einlage von mindestens 2.500 Euro und beinhaltet die Haftungsbeschränkung auf das Unternehmensvermögen. Sollten die Kapitaleinlagen 25.000 Euro überschreiten oder der Antragsteller keine natürliche Person sein, muss die Einlage vor der Gründung zwingend auf ein spezielles, kostenfreies Startup-Konto bei einer estnischen Bank eingezahlt werden, um die Gründung der Firma eintragen zu können. Das Konto gibt es beispielsweise kostenfrei bei der SEB oder der Swedbank – beide Banken unterhalten Filialen in Deutschland oder kooperieren mit wenigen deutschen Banken. Das ist wichtig für jeden Gründer, der ein estonisches Bankkonto braucht oder nutzen möchte, denn ein solches Konto ist sonst nur bei einem persönlichen Besuch in einer Filiale in Estland erhältlich. Aufgrund von Anti-Terror- und Geldwäschegesetzen ist bei der Eröffnung eines Kontos in Estland die persönliche Identifizierung des Kontoinhaber notwendig. Die estonische Regierung kündigt aber für diesen Herbst die Einführung eines Video-Identifizierungsdienstes bei verschiedenen Partnerbanken an.
Vorteile und Nachteile der estnischen Unternehmensgründung
Seit die Unternehmergesellschaft in Deutschland eingeführt wurde, ist eines des Hauptargumente für eine ausländische Kapitalgesellschaft entfallen: Die Beschränkung auf Gesellschaften mit einer Mindesteinlage von 25.000 Euro, der GmbH. Trotzdem bleiben verschiedene Vorteile bei der estnischen Variante erhalten.
Vorteile
- Niedrige Gründungs- und Pflegekosten: Die Eintragung ins Register kostet aktuell 145 Euro
- Alle bürokratischen Schritte können komplett online erledigt werden
- Steuererklärung erfolgt online
- Buchhaltungssoftware und Unterstützung von der estnischen Regierung
- Keine Unternehmenssteuern, solange die Gewinne des Unternehmens Estland nicht verlassen, sondern reinvestiert werden. Ausschüttungen von Dividenden werden dann pauschal mit 20 Prozent besteuert
- Extrem schnelle Gründung: Mit 18 Minuten hält Estland den offiziell dokumentierte Guiness-Book-Weltrekord
Nachteile
- Kapitalgesellschaften mit geringerem Aufwand und geringerer Kapitaleinlage sind auch in Deutschland möglich
- Im konservativen Deutschland ist eine Limited, auch aus Estland, eher negativ beleumunded
- Die Eröffnung von Bankkonten in Deutschland erfordern aufwendige, amtlich beglaubigte Übersetzungen der Gründungsdokumente
- Nur der Betrieb einer unselbständigen Niederlassung in Deutschland erspart wirklich den typisch deutschen Bürokratie-Wahnsinn, sobald das Finanzamt die unselbstständigkeit der Niederlassung bezweifelt, oder aus organisatorischen Gründen nur eine selbsständige Niederlassung möglich ist, sind die viele Vorteile hinfällig
- Zur Sicherung der steuerrechtlichen Konstruktion ist eine anwaltliche und steuerberaterliche Konsultation ratsam
Gründen in Estland: Die Rechtslage in Deutschland
Estland ist keine Steueroase, es gibt ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Dementsprechend ist mit der e-Residency keine steuerliche Niederlassung verbunden. Der Inhaber bleibt mit seinem Einkommen in Deutschland steuerpflichtig. Soll sonst jeglicher Aufwand in Deutschland vermieden werden, dann darf in Deutschland nur eine unselbstständige Niederlassung betrieben werden:
Dazu darf keine extra Firmierung in Deutschland geführt werden, kein Kapital und kein Niederlassungsleiter in Deutschland vorhanden sein und nur Vorbereitungs- oder Hilfsarbeiten in Deutschland vorgenommen werden. Buchführung, Vertragsabschlüsse und Geschäftsgegenstand müsste in einem solchen Fall komplett in Estland liegen. Ein denkbares Szenario ist zum Beispiel der Betrieb eines Onlineshops, der mit einer Buchhaltungsfirma in Estland geführt wird. Reine Versandlager in Deutschland, zum Beispiel bei einem Logistikpartner, sind noch keine Niederlassung und könnten zusätzlich unterhalten werden. Die Sachlage ist hier identisch mit dem Use Case einer englischen Limited mit einer unselbständigen Niederlassung – welche bereits höchstrichterlich am Bundesgerichtshof entschieden wurde.
In diesem Fall muss lediglich eine Gewerbeanmeldung abgegeben werden. Handelsregistereintragungen und weitere Formailtäten sind nicht notwendig. Je nach örtlicher Auffassung kann nur eine IHK-Mitgliedschaft fällig werden, das Thema wird an den Gerichten noch unterschiedlich gehandhabt, eine Wird hingegen eine selbstständige Niederlassung mit gewöhnlichem Geschäftsbetrieb in Deutschland errichtet, läuft der normale, deutsche Bürokratieapparat an mit Unternehmens-, Gewerbesteuer und Handelsregistereintragungen.
Disclosure: Die Unterbringung auf den WHD.global wurde vom Veranstalter übernommen.
mit e-Residency als digitale Staatsbürgerschaft wurde m.E. ein Schritt in die richtige Richtung getan, auch um den Veränderungen in der immer dezentraler organisierten Arbeitswelt Rechnung zu tragen, siehe auch Stichworte wie „Go Digital“ und „Digitale Transformation“
Aber auch die bis vor Kurzem nicht für möglich gehaltenen Veränderung in der Europäischen Union, Stichwort „Brexit“, also der geplante Austritt der Briten aus der EU macht Estland zum absoluten Gewinner des Brexit mit eResidency, die elektronische Staatsbürgerschaft für digitale Bürger: Mit der Chipkarte kann man sein Startup-Unternehmen in Estland gründen und führen. So profitiert der kleine Staat in Nordeuropa dank eines Trick vom Austritt der Briten aus der Europäischen Union. Das Geschäftsmodell der Balten lautet e-Residency, elektronische Staatsbürgerschaft. Was ist eResidency? Die elektronische Staatsbürgerschaft e-Residency erlaubt es Menschen weltweit, offizieller „Bewohner“ Estlands zu werden. Sie müssen dafür nicht einen Fuß in den baltischen Staat gesetzt haben. Die „e-Residents“, also elektronischen Einwohner, bekommen einen digitalen Ausweis. Damit können sie eine Firma in Estland gründen oder dort ein Bankkonto eröffnen. Die e-Residency ist nicht zu verwechseln mit einer echten Staatsbürgerschaft. So erwirbt ein E-Resident, also ein elektronischer Bürger, damit keinen Wohnsitz in, und keine tatsächliche Staatsbügerschaft von Estland