Wie Otto.de große Probleme der marktüblichen Produktbewertungen löst

Otto startet ein neues, intelligentes Bewertungssystem,(Screenshot: Otto.de Montage: t3n)
Kundenbewertungen sind ein wertvolles Gut, die im Entscheidungsprozess im E-Commerce eine wichtige Rolle spielen. Trotzdem verwendet der Markt schon seit Jahren nahezu unverändert das Bewertungsmodell aus den Anfängen des E-Commerce: maximal fünf Sterne und ein Rezensionstext.
Das angestaubte System hat jedoch ein paar Probleme. Auf der einen Seite sind im Laufe der Jahre viele Kunden rezensionsmüde geworden, auf der anderen Seite wird es für Kunden immer anstrengender, aus Rezensionen das herauszulesen, was sie wissen möchten. Denn da, wo keine Rezensionsmüdigkeit herrscht, sind viele Rezensionen zu durchforsten. „Ist die Waschmaschine laut?“ oder „Wieviel Wasser verbraucht die Waschmaschine wirklich?“, diese Fragen beantwortet die Herstellerinformation unter Umständen gar nicht oder der Kunde traut der möglicherweise geschönten Auskunft nicht. Otto geht beide Probleme ziemlich gut an.
Ottos neue intelligente Produktbewertungen
2,1 Millionen Artikel sind auf otto.de zu finden, nicht wenige davon haben hunderte und tausende Bewertungen. Eine Sysyphus-Aufgabe, diese Bewertungen nach Informationen zu durchforsten. Jetzt macht das bei Otto ein intelligenter Algorithmus für den Kunden.
Mit der Hilfe von Deep Learning, einem speziellen Maschinen-Lern-Verfahren, durchforstet ein Algorithmus jede Nacht rund eine Million Bewertungen. In den Texten analysiert der Mechanismus, ob die Bewertung eher positive, neutrale oder negative Aspekte erwähnt. Die erkannten Aspekte sortiert und gruppiert der Algorithmus sinnvoll und gibt die ermittelten Themen als klickbaren Button im Bewertungsbereich aus. Bei einer Waschmaschine finden sich dort dann beispielsweise „Waschleistung“, „Programme“, „Schleudern“.

Das Ergebnis aus der Arbeit des Algorithmus: Alles zu einem Thema, auf einen Blick. (Screenshot: Otto)
Ein Klick auf das jeweilige Thema und das Bewertungssystem zeigt eine Bewertung beispielsweise der Waschleistung an und blendet exakt die Teile der Bewertungstexte ein, die sich auf die Waschleistung beziehen.
Die neuen, intelligenten Produktbewertungen finden Kunden ab sofort in allen Produktkategorien auf otto.de. Den Grundstein dafür, dass dem Algorithmus der Nachschub an Bewertungen nicht ausgeht, hat Otto schon früher gelegt.
Otto.de, Erklärfilm zu den neuen Bewertungen
Wie Otto Kunden einen Anreiz für Bewertungen gibt
Schon seit längerem hat Otto als Lösung für die allgemeine Bewertungsmüdigkeit einen internen Anreiz für Kunden geschaffen, eine Bewertung zu schreiben: Otto-Kunden bekommen für die Bewertung eines erworbenen Produkts einen Euro auf ihrem Kundenkonto gutgeschrieben. Bis zu zehn Bewertungen bekommt ein Kunde so pro Jahr vergütet. Grundsätzlich kann zwar jeder Kunde jedes Produkt und soviele Produkte bewerten, wie er möchte – die anreizbasierten Bewertungen sind jedoch ausschließlich für tatsächlich gekaufte Produkte möglich.
Der Betrag von einem Euro bis maximal zehn Euro ist nicht genug, um ernsthaft darüber nachzudenken, wie man sich damit künstlich bereichern könnte – aber gerade hoch genug, um den einen oder anderen Kunden doch noch zu einer Bewertung zu motivieren. Eine Vorgehensweise, die besonders den großen Marktplätzen dringend zu empfehlen wäre.
Hintergrund: Wie Ottos Algorithmus funktioniert und was er noch können sollte
Einmal zum Start des neuen Systems mit exemplarischen Daten für die unterschiedlichen Aspekte gefüttert, die in einer Produktrezension eine Rolle spielen könnten, entwickelt der Algorithmus mit Hilfe von Deep Learning Ausgabemuster für Bewertungen. Er bewertet und erkennt anhand der Rezensionstexte, welche Themen bei einem bestimmten Produkt für Kunden wichtig sind. Und erstellt so Gruppierungen der Themen, die das Bewertungssystem dann ausgeben kann. So erarbeitet sich der Algorithmus Kategorie für Kategorie, Produkt für Produkt, eigene Ausgabemuster und „lernt“, was Kunden jeweils wichtig ist.
Wenn eine neue Bewertung bei einem Produkt hinzukommt, startet der Algorithmus in der Nacht die neue Bewertung der Rezensionen.
Die Basis für diesen Algorithmus ist ein Modell der Informationsverarbeitung, das als neuronales Netzwerk bezeichnet wird. Diese Netzwerke können, ähnlich wie das Gehirn mit Neuronen, Eingaben verarbeiten, beurteilen und dann aus den Daten Schlüsse ziehen.
Betrachtet man Kundenbewertungen über den gesamten Markt hinweg, dann ist ein weiteres Problem zu sehen: gefälschte Produktbewertungen. Ein Thema, das besonders bei Amazon in den vergangenen Monaten viel diskutiert wurde. Eine denkbarer Anwendungsfall für den Otto-Algorithmus wäre daher auch die Identifizierung gefälschter Produktbewertungen.
Was die Jungs von einfach.kaufen bereits länger können und das Ganze Platform-unabhängig…
Danke, schaue ich mir mal an.
Viele Grüße aus der Redaktion
Jochen
Jaja, die Hornbrille-Sektion der t3n Redaktion hat wieder eiskalt zugeschlagen: Wo früher C rawler und Parser unterwegs waren, herrschen nun „künstliche Intelligenz“, „Depp learning technologies“ und „intelligente Algorithmen“, anders kann man heutzutage ja scheinbar kein Produkt mehr an den Mann bringen; Buzzword-Mania made in Hannover. Achja und ihr habt den Banner „Sponsored Content“ im Header vergessen, aber kann ja mal passieren, jetzt wisst ihr bescheid…
Ich trage eine randlose Brille. Sponsored Posts sind bei uns grundsätzlich gekennzeichnet. Nicht alles, was wir für gut befinden, ist deshalb gleich Werbung.
Grundsätzlich ist der Begriff „Künstliche Intelligenz“ mittlerweile ziemlich häufig in Gebrauch, deshalb verstehe ich die Skepsis.
Ich war bei Otto und habe mir das ganze dort von einem Data Scientist vorstellen lassen. Mit simplem Tagging ist das System nicht erklärt. Es baut selbstständig Ausgabemuster, bewertet Formulierungen anhand ihrer Konnotationen und ordnet selbst ein, welche Aspekte den Kunden wichtig sind. Das ist die Lexikon-Definition eines neuronalen Netzwerkes im Sinne eines Informationsverarbeitungsmodells.
Und die Verwendung eines künstlichen neuronalen Netzes kann man nach den gebräuchlichen Normen treffend als Deep Learning bezeichnen.
Ich bin kein Informatiker und der Artikel ist nicht für Informatiker verfasst, sondern allgemeinverständlich. Deshalb geht der Text auch technisch nicht in die Tiefe. Vielleicht hat das irritiert.
Trotzdem geht das auch etwas weniger gehässig. Ich diskutiere gerne und erläutere auch gerne zusätzlich. Aber bei dem Tonfall vergeht mir dann fast die Lust dazu.
Viele Grüße aus der Redaktion
Jochen
WTF, t3n? Sowas nannte sich früher „automatic tagging“ und durchsucht relativ simpel die Texte nach stammverwandten Wörtern, die ab einer gewissen Häufung subsummiert unter einem Oberbegriff als Tag angeboten werden. Gibts da nicht sogar ein Plugin für WordPress dafür? Das ist ein relativ simpler Parser, zumindest das hier Beschriebene hat mit „Deep Learning“ und „künstlicher Intelligenz“ mal so überhaupt nichts zu tun.
Ich habe weiter unten nochmal Erläuterungen hinzugefügt. Hier noch der Link zur unternehmenseigenen Beschreibung.
Otto – Aggregated Reviews
Vielleicht hilft das.
Viele Grüße aus der Redaktion
Jochen
Hallo,
ich dachte, dass es rechtlich verboten ist bei Kundenbewertungen „Anreize“ zu schaffen wie in dem Falle 1 Euro gutzuschreiben, bis max. 10 Euro. Zumindest wurde es mir einmal so auf TrustedShops verklickert, oder ist das nur auf deren Plattform verboten?
Ich würde mich über eine Rückmeldung freuen und bedanke mich schon im Voraus dafür.
Gruss Marc
Hallo Marc,
nein, das ist bei korrekter Umsetzung rechtlich zulässig. Gekaufte, positive Bewertungen wären hingegen wettbewerbsrechtlich bedenklich.
Bei Amazon und auch in deinem Fall bei Trusted Shops, verbieten das die Richtlinien der Plattform.
Viele Grüße
Jochen
S-I-S-Y-P-H-O-S hieß mein guter Sohn!! Welch einer Sisyphusaufgabe ich mich mit dem Aufdecken solcher Rechtschreibfehler unterschrieben habe ist mir bewusst, aber ich musste Gerechtigkeit walten lassen.