Durchbruch bei Quantencomputern? Wie Google die Fehlerquote massiv reduzieren will

Eines der großen Probleme bei Quantencomputer ist immer noch die Fehlerrate. (Foto: Shutterstock / Bartlomiej K. Wroblewski)
Google-Forscher:innen glauben, einen wichtigen Durchbruch bei der Quantenfehlerkorrektur erzielt zu haben. Diese könnte den Weg zu gut funktionierenden Quantencomputern ebnen – und deren Versprechen endlich einlösen. Befürworter:innen der Technik glauben, dass solche Rechner die wissenschaftliche Forschung in Bereichen von der Teilchenphysik bis hin zur Entwicklung von Medikamenten und neuartigen Materialien unterstützen können. Doch dazu muss es ihren Erbauern erst einmal gelingen, die Hardware so zu gestalten, dass sie praktikabel läuft.
Eine große Herausforderung ist bislang, dass Quantencomputer Informationen fehlerhaft speichern oder so verarbeiten, dass falsche Ergebnisse entstehen. Das hindert die Systeme, Algorithmen auszuführen, die lang genug laufen, um wirklich nützlich zu sein. Die neuen Erkenntnisse stammen aus Googles Quantum-AI-Labor, mit Unterstützung universitärer Forscher:innen. Sie zeigen, dass sich Komponenten hinzufügen lassen, um Fehler zu reduzieren. Bisher führte das aufgrund technischer Beschränkungen eher zu mehr Problemen. Letztlich untermauert die Studie die Idee, dass Fehlerkorrektur eine sinnvolle Strategie für den Bau eines praktikablen Quantencomputers ist. Einige Kritiker:innen hatten allerdings bezweifelt, dass es sich um einen effektiven Ansatz handelt, so der Physiker Kenneth Brown von der Duke University.
Quantencomputer ticken anders
„Die Fehlerkorrektur funktioniert wirklich, und ich glaube, sie wird sogar noch besser werden“, jubelte Michael Newman, ein Mitglied des Google-Teams, auf X. (Google, das die Forschungsergebnisse im August auf dem Preprint-Server arXiv veröffentlicht hatte, lehnte eine offizielle Stellungnahme ab.) Quantencomputer codieren Daten mithilfe von Objekten, die sich nach den Prinzipien der Quantenmechanik verhalten. Sie speichern Informationen also nicht nur als Nullen und Einsen wie ein herkömmlicher Computer, sondern auch in Superpositionen von Nullen und Einsen. Die Speicherung von Informationen in Form dieser Superpositionen und die Verarbeitung dieser Werte mithilfe von Quanteninteraktionen wie der Verschränkung (eine Möglichkeit für Teilchen, auch über große Entfernungen miteinander in Verbindung zu bleiben) ermöglicht völlig neue Arten von Algorithmen.
In der Praxis haben die Entwickler:innen von Quantencomputern jedoch festgestellt, dass sich schnell Fehler einschleichen, weil die verwendeten Komponenten so empfindlich sind. Ein Quantencomputer stellt Null, Eins oder eine Superposition dar, indem er eine seiner Komponenten in einen bestimmten physikalischen Zustand versetzt. Es ist aber zu einfach, diese Zustände versehentlich zu verändern. Eine Komponente befindet sich dann in einem physikalischen Zustand, der nicht mit der Information übereinstimmt, die sie darstellen soll. Diese Fehler akkumulieren sich mit der Zeit, was bedeutet, dass der Quantencomputer ohne Fehlerkorrektur keine genauen Antworten für lange laufende Algorithmen liefern kann.
Ein Qubits wird zu mehreren
Um eine Fehlerkorrektur durchzuführen, müssen die Forscher die Informationen im Quantencomputer auf besondere Weise codieren. Quantencomputer bestehen aus einzelnen Komponenten, den sogenannten physikalischen Qubits, die aus einer Vielzahl verschiedener Materialien wie einzelnen Atomen oder Ionen bestehen können. Im Fall von Google besteht jedes physische Qubit aus einem winzigen supraleitenden Schaltkreis, der bei einer extrem tiefen Temperatur gehalten werden muss.
Bei frühen Experimenten mit Quantencomputern wurde jede Informationseinheit in einem einzigen physischen Qubit gespeichert. Jetzt haben Forscher:innen, darunter auch das Team von Google, damit begonnen, jede Informationseinheit in mehreren physikalischen Qubits zu codieren. Sie bezeichnen diese Konstellation von physischen Qubits als ein einziges „logisches“ Qubit, das Null, Eins oder eine Superposition der beiden darstellen kann.
Das einzelne „logische“ Qubit ist dann in der Lage, eine Informationseinheit robuster zu speichern als ein einzelnes „physisches“ Qubit. Das Team von Google korrigiert die Fehler im logischen Qubit mit einem Algorithmus, der als Surface Code bekannt ist und die physischen Qubits des logischen Qubits nutzt. In der neuen Studie hat Google ein einzelnes logisches Qubit aus einer unterschiedlichen Anzahl von physischen Qubits hergestellt. Entscheidend ist, dass die Forscher nachweisen konnten, dass ein logisches Qubit, das aus 105 physischen Qubits besteht, Fehler effektiver unterdrückt als ein logisches Qubit, das aus 72 Qubits besteht. Das deutet darauf hin, dass eine zunehmende Anzahl von physischen Qubits in einem logischen Qubit „die Fehler wirklich unterdrücken kann“, sagt der einstige Zweifler Brown.
Qubits zusammenbauen
Dies ist ein möglicher Weg zum Bau eines Quantencomputers mit einer Fehlerrate, die niedrig genug ist, um einen wirklich nützlichen Algorithmus auszuführen. Allerdings müssen die Forscher:innen noch zeigen, dass sie überhaupt mehrere logische Qubits zusammensetzen und zu einer größeren Maschine ausbauen können.
Die Forscher:innen berichten auch, dass die Speicherdauer des logischen Qubits die seines besten physischen Qubits um den Faktor 2,4 übersteigt. Mit anderen Worten: Google hat mit seiner Arbeit im Wesentlichen bewiesen, dass es Daten in einem vergleichsweise zuverlässigen Quanten-„Speicher“ ablegen kann.
Erster Schritt zu einem Quantencomputer ohne große Fehler
Diese Demonstration ist jedoch nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einem Quantencomputer ohne große Fehler, sagt Jay Gambetta, Vizepräsident der Quanteninitiative bei IBM. Er weist darauf hin, dass Google zwar einen robusteren Quantenspeicher demonstriert hat, aber keine logischen Operationen mit den in diesem Speicher gespeicherten Informationen durchgeführt hatte.
„Letzten Endes kommt es auf eines an: Wie groß ist der Quantenschaltkreis, den Sie betreiben können?“, sagt er. (Ein solcher Schaltkreis ist eine Reihe logischer Operationen, die auf einem Quantencomputer ausgeführt werden.) Er fragt sich auch, ob Google einen Weg gefunden hat, nach und nach immer größere Quantenschaltungen zu betreiben. IBM, dessen Quantencomputer ebenfalls aus Qubits bestehen, die aus supraleitenden Schaltkreisen gefertigt sind, verfolgt einen anderen Ansatz zur Fehlerkorrektur.
Andere Ansätze zur Fehlerkorrektur
IBM glaubt, dass diese Methode, die als „Low-Density Parity-Check Code“ bekannt ist, einfacher skaliert werden kann, da jedes logische Qubit weniger physische Qubits benötigt, um vergleichbare Fehlerunterdrückungsraten zu erreichen. Bis 2026 will IBM zeigen, dass es zwölf logische Qubits aus 244 physischen Qubits herstellen kann, verspricht Gambetta.
Andere Forscher:innen untersuchen ebenfalls vielversprechende Ansätze. Anstelle von supraleitenden Schaltkreisen verwendet ein Team, das mit dem in Boston ansässigen Quantencomputerunternehmen Quera verbunden ist, neutrale Atome als physische Qubits. Anfang des Jahres veröffentlichte es in Nature eine Studie, die zeigt, dass es Algorithmen mit bis zu 48 logischen Qubits aus Rubidiumatomen ausgeführt hat.
Gambetta mahnt die Forscher:innen, Geduld zu haben und die Fortschritte nicht zu hochzuspielen. „Ich möchte einfach nicht, dass die Fachwelt denkt, die Fehlerkorrektur sei abgeschlossen“, sagt er. Die Hardware-Entwicklung dauert einfach sehr lange, weil der Zyklus aus Entwurf, Bau und Fehlerbehebung zeitaufwendig ist, insbesondere im Vergleich zur Software-Entwicklung. „Ich glaube nicht, dass das nur bei Quantencomputern so ist“, so Gambetta.
Um Algorithmen mit garantiertem praktischem Nutzen auszuführen, muss ein Quantencomputer etwa eine Milliarde logische Operationen ausführen, sagt Brown. „Und niemand ist bisher auch nur annähernd bei einer Milliarde Operationen angelangt“, sagt er. Ein weiterer Meilenstein wäre die Entwicklung eines Quantencomputers mit 100 logischen Qubits, was sich Quera für 2026 zum Ziel gesetzt hat. Ein Quantencomputer dieser Größe wäre in der Lage, Simulationen durchzuführen, die für klassische Computer unerreichbar sind. Google-Wissenschaftler:innen haben ein einzelnes hochwertiges logisches Qubit hergestellt – aber der nächste Schritt besteht darin, zu zeigen, dass sie tatsächlich etwas damit anfangen können.