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MIT Technology Review Analyse

Quelloffene KI: Warum die Techbranche darüber streitet, was das überhaupt ist

Von MIT Technology Review Online
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Seite 3: Die Community entscheidet

Letztlich müsse die Community entscheiden, was sie erreichen will, sagt Zacchiroli: „Folgt man einfach der Entwicklung des Marktes, um zu verhindern, dass der Begriff „Open-Source-KI“ vereinnahmt wird? Oder versucht man, den Markt zu mehr Offenheit zu bewegen und den Nutzern mehr Freiheiten zu geben?“ Doch was ist im KI-Zusammenhang überhaupt der Sinn von Open Source? Es sei fraglich, inwieweit eine Definition von quelloffener KI das Spielfeld einebnen könne, sagt Sarah Myers West, Co-Geschäftsführerin des AI Now Institute. Sie ist Mitverfasserin eines im August 2023 veröffentlichten Papers, in dem die mangelnde Offenheit vieler Open-Source-KI-Projekte aufgezeigt wurde. Darin wird auch hervorgehoben, dass die gigantischen Datenmengen und die notwendige hohe Rechenleistung für das Training kleinen Akteuren Steine in den Weg legen – und zwar unabhängig davon, wie offen die Modelle sind.

Myers West ist überzeugt, dass es auch an Klarheit darüber mangelt, was man mit der Open-Source-Publikation von KI-Systemen zu erreichen hofft. „Geht es um Sicherheit, um die Möglichkeit, akademische Forschung zu betreiben – oder um die Förderung eines stärkeren Wettbewerbs?“, fragt sie. „Wir müssen viel genauer wissen, was das Ziel ist, und wie die Öffnung eines Systems die Verfolgung dieses Ziels verändert.“ Sie befürchtet, dass die OSI diese Diskussion eher meidet. Im bisherigen Entwurf einer Definition werden „Autonomie und Transparenz“ als Hauptvorteile genannt, aber Maffulli wollte auf Nachfrage nicht erklären, warum das OSI diese Konzepte für so wichtig hält. Das bislang erreichte Dokument enthält auch einen Abschnitt mit der Überschrift „Fragen, die nicht in diesen Geltungsbereich fallen“, der deutlich macht, dass sich die OSI-Definition nicht mit Fragen der „ethischen, vertrauenswürdigen oder verantwortungsvollen“ KI befassen will.

Laut Maffulli hat sich die Open-Source-Gemeinschaft in der Vergangenheit darauf konzentriert, den reibungslosen Austausch von Software zu ermöglichen und sich nicht in Debatten darüber zu verzetteln, wofür Software verwendet werden sollte. „Das ist nicht unsere Aufgabe.“ Doch diese Fragen lassen sich nicht einfach wegwischen, egal, wie sehr man sich im Laufe der Jahrzehnte bemüht hat. Die Vorstellung, dass Technologie neutral ist und Themen wie Ethik „außerhalb des Bereichs“ liegen, sei ein Mythos, meint Warso. Sie vermutet, dass dieser Mythos aufrechterhalten werden muss, damit die lose Gemeinschaft der Open-Source-Verfechter nicht zerbricht. „Ich glaube, die Leute wissen, dass [der Mythos] nicht wahr ist, aber es braucht ihn, um voranzukommen.“

Außerhalb der OSI haben andere Entwickler einen anderen Ansatz gewählt. Im Jahr 2022 führte eine Gruppe von Forschern die Responsible AI License (RAIL) ein, die Open-Source-Lizenzen ähneln, aber Klauseln enthalten, die bestimmte Anwendungsfälle für KI einschränken. Ziel ist es, so der KI-Forscher Danish Contractor, der die Lizenz mitentwickelt hat, zu verhindern, dass Programmierer KI für Projekte verwenden, die man für „unangemessen“ oder „unethisch“ halten kann. „Als Forscher würde ich es überhaupt nicht mögen, wenn mein Material in einer Weise verwendet würde, die schädlich für andere ist“, sagt er. Und er ist damit nicht allein: Eine kürzlich von ihm und Kollegen durchgeführte Analyse der KI-Hosting-Plattform von Hugging Face ergab, dass 28 Prozent der Modelle bereits RAIL verwenden.

Die Lizenz, die Google seinem Modell Gemma beigefügt hat, verfolgt einen ähnlichen Ansatz. In den Nutzungsbedingungen sind verschiedene verbotene Anwendungsfälle aufgelistet, die als „schädlich“ angesehen werden, was das „Engagement für eine verantwortungsvolle Entwicklung von KI“ anbetrifft, so das Unternehmen in einem kürzlich veröffentlichten Blogbeitrag. Das Allen Institute for AI wiederum hat ebenfalls seine eigene Auffassung einer offener Lizenzierung entwickelt. Seine ImpACT-Lizenzen schränken die Weiterverbreitung von Modellen und Daten auf der Grundlage potenzieller Risiken ein.

Angesichts der Tatsache, dass sich KI von herkömmlicher Software unterscheidet, ist ein gewisses Maß an Experimentierfreudigkeit mit verschiedenen Graden der Offenheit unvermeidlich und „wahrscheinlich gut für den Bereich“, meint Luis Villa, Mitbegründer und Leiter der Rechtsabteilung beim Open-Source-Softwaremanagementunternehmen Tidelift. Er befürchtet jedoch, dass eine Verbreitung von „offenen“ Lizenzen, die untereinander nicht kompatibel sind, die reibungsfreie Zusammenarbeit, die Open Source so erfolgreich gemacht hat, zunichtemachen könnte. Dies könnte Innovationen im Bereich der KI verlangsamen, Transparenz verringern und es kleineren Akteuren so erschweren, auf der Arbeit anderer aufzubauen.

Letztlich ist Villa deshalb der Meinung, dass sich die Community auf einen einzigen Standard einigen muss, da die Industrie diesen sonst einfach ignorieren und selbst entscheiden werde, was „offen“ bedeutet. Er beneidet die OSI daher nicht. Als die Initiative einst die Definition von Open-Source-Software aufstellte, hatte sie den Luxus der Zeit und wurde von außen kaum beachtet. Heute steht die Künstliche Intelligenz fest im Fadenkreuz sowohl großer Unternehmen als auch der Aufsichtsbehörden.

Wenn sich die Open-Source-Community nicht schnell auf eine Definition einigen kann, werden andere kommen und eine finden, die ihren eigenen Bedürfnissen entspricht. „Die werden dieses Vakuum füllen“, sagt Villa. „Mark Zuckerberg wird uns dann allen sagen, was seiner Meinung nach ‚offen‘ bedeutet.“ Der Mann habe schließlich ein riesengroßes Megafon.

Edd Gent ist Gastautor bei der US-amerikanischen Ausgabe von „MIT Technology Review“
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