Warum ist Repräsentation im Marketing eigentlich so wichtig?

Repräsentation wird oft gefordert und ist in Agenturen wie Marketing-Abteilungen Diskussionsthema. Doch warum sollte ich darauf achten – und wie geht’s? Istock, ein Stockfoto-Anbieter von Getty Images, schreibt in einer Untersuchung: Nur ein Prozent aller heruntergeladenen Bilder repräsentiert die LGBTQIA+-Community. Davon ist auf wiederum 29 Prozent eine Regenbogenflagge. Das heißt: Queere Menschen werden nur in einem von hundert Fällen repräsentiert. Wenn sie abgebildet werden, dann immer mit einem „Erkennungsmerkmal“, das sie eindeutig als queer identifiziert. Das ist nicht nur unauthentisch, das macht die Menschen auch zu einem Aushängeschild und Werbeinstrument: „Schau her, Pride-Flagge, zwei schwule Männer küssen sich – ich bin divers in meiner Bildauswahl!“ Es gehört also nicht zur Normalität – sondern zu etwas anderem. Das nennt man Othering. [articlegallery id="94"] An der Stelle auch ein Transparenz-Disclaimer: Auch wir haben uns da schon schuldig gemacht und haben Menschen mit Flaggen als queer kategorisiert. Aber warum ist eine authentische Repräsentation im Marketing eigentlich so wichtig? Worauf ist zu achten? Wenn du weder Annika noch Steffen bist Stell dir vor: Du bist bei einem Business-Termin. Du hast ein Startup, das etwas produziert, und du triffst jemanden mit einer Lösung für einen Onlineshop. Du willst wissen, ob das zu deinem Tech-Stack und deinen Workflows passt. Stattdessen erzählt dir dein Gegenüber, dass sie letztens das Startup von Steffen und Annika als Kunden gewonnen haben. Steffen und Annika benutzen den Shop, um Termine für ihren eigenen Service buchen zu lassen. Annika und Steffen sind begeistert, weil das Tool mit den eigenen Business-Kalendern synchronisiert werden kann. Weder kennst du Steffen und Annika, noch passt das zu deinem Use-Case. Nun passiert Folgendes: Du hattest einen Need, einen Pain-Point und einen Anbieter, der deine Ansprüche erfüllen könnte. Aber du würdest ja kein Shop-Tool buchen, wenn in jedem Kontakt immer über andere Fälle, Firmen und Use-Cases gesprochen wird – aber nie über dich. Also ist dieser Anbieter für dich Geschichte. Er hat an dir vorbeigeredet. Das ist ein Effekt von fehlender Repräsentation in Markenbotschaften. Natürlich geht es bei Repräsentation auch um gesellschaftliche Komponenten – hier konzentrieren wir uns aus Platzgründen auf die Brand-Seite. Steffen, der weiße Heteromann – eine Mehrheit, nicht die Mehrheit Die am häufigsten gezeigten Personen sind immer noch weiße Heteromänner und ‑frauen. Alle anderen werden als „Minderheit“ bezeichnet: People of Color, Schwarze Menschen, queere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Menschen, die beispielsweise dem Judentum oder dem Islam angehören – diese Gruppen sind Minderheiten. Aber nur weil man eine Mehrheit darstellt, heißt das nicht, dass man auch die Mehrheit der Bevölkerung anspricht. Indem also die Gesellschaft so divers abgebildet wird, wie sie ist, sprichst du insgesamt mehr Personen an. Natürlich gibt es auch hier laute Antistimmen: Das Machtverhältnis zwischen Support und Boykott hatten wir uns bereits in einem anderen Briefing angesehen. Repräsentation: Schwierige Datengrundlage Wer wie wo im Marketing repräsentiert wird, ist noch nicht umfassend und wissenschaftlich betrachtet worden. Genauso schwierig ist es, festzustellen, wer das wie stark einfordert. Viele Erhebungen durch Portale wie Yougov sind nicht unbedingt belastbar: Die Wortlaute der Fragen sind beispielsweise nicht einsehbar und weil im Portal registrierte und durch das Portal entlohnte Personen befragt werden, ist die notwendige Zufälligkeit bei der Auswahl der Proband:innen nicht gegeben. Es wird eine bestimmte Bubble befragt. Auf der anderen Seite liefern diese Befragungen trotzdem Hinweise. Hier sind einige dieser Hinweise: Die Bundeszentrale für politische Bildung hat in ihrem Dossier zu „Massenmedien, Repräsentation und Diskriminierung“ erläutert, dass (und warum) in den Medien die Darstellung von Minderheiten weiterhin diskriminierend ist. Menschen fühlen sich noch immer stereotypisiert und falsch dargestellt. Vor allem Gen Z und Millennials, dabei noch einmal häufiger Frauen, fordern, dass Marken in ihren Werbemitteln die Diversität der Gesellschaft abbilden. Darauf weist eine Befragung von Yougov von 2022 hin. Obwohl die befragten Personen eigentlich glauben, dass Repräsentation im Marketing etwas bringt, zweifelt ein Drittel an den Beweggründen und der Glaubhaftigkeit solcher Kampagnen. Wer direkt bei den Wurzeln anfängt, Diversity-Management im Unternehmen implementiert und darauf diverses Marketing setzt, hat gewonnen: Laut einer McKinsey-Analyse aus 2020 ist bei diversen Unternehmen die Wahrscheinlichkeit um 25 Prozent höher, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein. Drei Fragen für eine bessere Repräsentation Laut Istock sind vor allem drei Punkte wichtig, wenn Menschen repräsentiert werden. Erklärt wird es hier am Beispiel des Pride Months: 1. In welchen Szenarien, in welchem Kontext werden Menschen repräsentiert? 28 Prozent der Bilder zeigen LGBTQIA+-Personen auf Demos, 27 Prozent auf Partys mit einer Menge Regenbogenflaggen. Nur 14 Prozent zeigen queere Menschen als Werktätige oder in einer geschäftlichen Umgebung. 2. Werden sie in einem romantischen Kontext dargestellt? Queere Menschen werden fünfmal häufiger in einem romantischen Kontext dargestellt – oder als Eltern. 3. Werden Stereotype gefördert? 30 Prozent der schwulen Männer werden als feminin dargestellt, 28 Prozent als extravagant. 29 Prozent der lesbischen Frauen bei Istock werden als maskulin dargestellt. Damit werden allerdings Vorurteile weitergetragen. Kurzgefasst: Zeige Menschen nicht nur in Situationen und Umgebungen, die diese Person eindeutig als Minderheit identifizieren – sondern auch in ganz normalen Alltagssituationen. Wichtig ist, Menschen auch in einem erfüllten und positiven Leben zu zeigen, innerhalb und außerhalb ihrer Bubble, mit diversen Freundeskreisen und vielseitigen Familienstrukturen und Kolleg:innen.