Die Deutschen bestellen gerne und viel im Internet – und schicken jedes sechste Paket wieder zurück, wie Wirtschaftswissenschaftler der Universität Bamberg jetzt ermittelt haben. Im vergangenen Jahr seien 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel zurückgesandt worden. „Damit entstehen Gesamtkosten in Höhe von schätzungsweise 5,46 Milliarden Euro, die einerseits die Kunden durch höhere Marktpreise tragen, andererseits die Margen der E-Commerce-Händler belasten“, erklärte Björn Asdecker von der Forschungsgruppe Retourenmanagement.
Dabei unterscheiden sich die Retourenquoten im Onlinehandel je nach Warenkategorie. Besonders hoch ist der Anteil der Rücksendungen bei Kleidung und Schuhen, etwas niedriger im Bereich Technik und Unterhaltungselektronik, besonders niedrig bei Kosmetik und Parfums, DIY- und Gartenprodukten sowie Lebensmitteln. Dass der Anteil im Vergleich zu anderen Ländern relativ hoch ist, hat auch mit der Großzügigkeit vieler Händler zu tun, die – Amazon und mehrere Große machen es vor – kostenfreie Retouren über einen längeren Zeitraum ermöglichen.
Lange Rücksendefristen verringern die Retouren
Übrigens ist insbesondere die Möglichkeit, Waren länger als 30 Tage zu retournieren, wie es etwa verschiedene Modehändler anbieten, oftmals eher eine Möglichkeit, die Retourenquote zu senken. Denn das Kalkül dahinter ist klar: Der Kunde, der sich nicht innerhalb weniger Tage entscheiden muss, wird die noch anstehende Entscheidung oftmals vergessen und die Rücksendung deswegen mit höherer Wahrscheinlichkeit ganz unterlassen.
Wie die Wirtschaftswissenschaftler der Universität Bamberg ermittelten, verursacht eine Retourensendung im Durchschnitt 19,51 Euro Kosten, die Hälfte davon für den Transport. Zwar landeten nur vier Prozent der zurückgeschickten Artikel im Müll. Aber alles muss zunächst einmal gesichtet und bewertet werden. Immerhin 79 Prozent werden direkt wieder als A-Ware verkauft, weitere 13 Prozent als B-Ware, so die Forscher. Und drei Prozent würden an industrielle Verwerter verkauft oder an gemeinnützige Organisationen gespendet. Insbesondere Amazon hatte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt, weil der Onlinehändler in großem Stil quasi neue Waren vernichten würde – ob der prozentuale Anteil hier größer ist als bei anderen Händlern, ist nicht ermittelt worden. Bekannt ist aber auch, dass Amazon in vielen Fällen Waren, die nicht allzu wertvoll sind, gar nicht erst zurückfordert.
Retouren schaden auch der Umwelt
Die im Markt üblicherweise eingeräumte Widerrufsfrist von 28 Tagen liege weit über den gesetzlich vorgeschriebenen 14 Tagen, erklärte Asdecker. Aber die Retouren belasten auch das Klima – so viel wie „täglich 2.200 Autofahrten von Hamburg nach Moskau“ oder 238.000 Tonnen CO2 im vergangenen Jahr. Der Internet-Versandhandel hat nach Angaben des Bundesverbands BEVH vergangenes Jahr Waren für 65,1 Milliarden Euro verkauft. Im laufenden Jahr rechnet er mit elf Prozent Zuwachs auf 72 Milliarden. Der Forschungsgruppe Retourenmanagement gehören 438 Händler, Logistikdienstleister, Produzenten und Experten an. (mit Material von dpa)
Retouren in durchaus nennenswertem Umfang gehören zum Geschäft der Onlinehändler dazu, ähnlich wie die Ladenmiete des stationären Händlers. Es ist verständlich, dass die Händler versuchen, die Retourenquote möglichst niedrig zu halten – mehr geht aber auch nicht. Dass bei aktuellen Bekleidungsartikeln mehr als die Hälfte zurückgeschickt wird, ist normal, wobei sich die Händler dennoch um einen umweltgerechten Weiterverkauf kümmern sollten.
Tobias Weidemann
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