Rückenschmerzen am Computer verhindern
Welche Beschwerden?
Deshalb ist es hilfreich, den Aussagen der Betroffenen zu folgen. Vielfach treten die Schmerzen gar nicht beim Sitzen selbst, sondern beim Aufstehen, also beim Positionswechsel auf. Verbunden mit einem Gefühl der Steifheit und Schmerzen im unteren Rücken, das sich bei etwas Bewegung bessert. Meist klagen die Betroffenen auch über dieselben Beschwerden nach langem Autofahren, langem Stehen oder beim allmorgendlichen Aufstehen.
Eine weitere Variante von Beschwerden ist das Auftreten von Schmerzen im unteren Rücken während des Sitzens, meist auf Höhe des fünften Lendenwirbels oder der Kreuzbein-Darmbeingelenke (auch Iliosakralgelenke genannt). Zum Teil ziehen die Schmerzen bis in das Gesäß und ins Bein, meist an der Rückseite.
Wenn die Schmerzen am Nacken auftreten, geschieht dies größtenteils während des längeren Sitzens vor dem Monitor. Es kann sich um ein Stechen am Übergang zwischen Hals- und Brustwirbelsäule handeln, aber auch ziehende Schmerzen an der Rückseite des Halses, bis in den Kopf oder punktuelle Schmerzen an von außen zu spürenden Verhärtungen zwischen Nacken und Schulter, die meist als „Verspannungen“ bezeichnet werden, sind weit verbreitet.
Ursachen
Da die Spezies Mensch sich im Laufe der Evolution aufgerichtet hat, ist eine dauerhaft sitzende Position entgegen der Entwicklung der letzten Jahrtausende. Wir gehen durch die ständige Sitzposition in den Vierfüßerstand zurück, was mechanisch einem Rückschritt in der Evolution gleichkommt.
Konkret bedeutet das, dass die Gefäße in der Leiste etwas komprimiert werden, die Versorgung der Bandscheiben nicht optimal ist, da ihnen eine Pumpbewegung wie beim Gehen fehlt, und sich der innen an der Wirbelsäule liegende Hüftbeugemuskel verkürzt.
Für den Nackenbereich stellt das lange Starren auf den Bildschirm eine zusätzliche belastende Haltung dar. Unsere Augen sind hauptsächlich auf weites Sehen (Beute oder Feinde erkennen) ausgelegt. Das Sehen auf kurze Distanz ist anstrengend und führt in der Regel dazu, dass der Kopf immer weiter in Richtung Monitor wandert. Mechnisch betrachtet handelt es sich dabei auch um einen Rückschritt in der Evolution. Uns unterscheidet von den Affen, dass die Augen im 90 Grad Winkel zur Wirbelsäule liegen.
Durch das nach vorne Neigen muss die Nackenmuskulatur den Körper immer halten – besonders der Trapezmuskel, der die äußerlich sichtbare Form des Nackens bildet, spannt sich dauerhaft an. Am Hinterkopf verläuft direkt durch diesen Muskel ein Nerv, der über den Hinterkopf zieht und vermutlich die vielen heutzutage auftretenden Hinterkopfschmerzen auslöst.
Zusätzlich beißen viele Menschen bei lang anhaltender Konzentration die Zähne zusammen oder verbleiben in der Einatmung, was zu zu einer Spannungszunahme am Kiefer und im Hals-Nacken-Bereich führt. Verstärkt wird die Spannung durch eine „Eigenkorrektur“ der Betroffenen: Weil man gerade sitzen will, zieht man die Schulterblätter dauernd zusammen und bringt so noch mehr Spannung auf die Nacken- und Brustwirbelsäulenregion.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist der mangelnde Abbau von Stress. Stress ist eine natürliche Kompensationsreaktion unseres Körpers, hauptsächlich im unwillkürlichen Nervensystem. Zum besseren Verständnis der Abläufe in unserem Organismus bei Stress dient das archaische Bild, dass man vor einem Tiger weglaufen muss. In diesem Moment wird niemand eine Niesattacke oder Müdigkeit bekommen, denn der Organismus schaltet die inneren Prozesse ab, sorgt für ein hohes oberflächliches Immunsystem und eine starke Versorgung der Skelettmuskeln.
Auch wenn Menschen bei ihrem Sitz-Job viel Stress durch hohes Arbeitsaufkommen, ungünstige Arbeitsbedingungen oder hohe inhaltliche Anforderungen haben, ist der Prozess im Körper derselbe wie vor Jahrtausenden, Nur sind wir nun nicht in der Lage, diese vom Körper, quasi zum Weglaufen vor einem Tiger, bereitgestellte Energie durch Bewegung zu verbrauchen. Ob nach dem Job abendliches „Auspowern“ bei einem Spinning-Kurs oder ähnliches stark beanspruchendes Training nicht noch eine zusätzliche Belastung darstellt und vor einem moderaten Bewegungsablauf wie einem Spaziergang zurückstehen sollte, ist eine Frage, die bisher nicht beantwortet wurde. Viele Kritiker sagen, dass durch eine starke Beanspruchung nach der sowieso schon anstrengenden Arbeit die Menschen quasi in ein Hamsterrad gehen und kaum noch Ruhe finden.
Fazit: Viel Bewegen
Die erwähnten Umstände bedeuten nicht zwangsläufig, dass im unteren Rücken oder Nacken Beschwerden auftreten müssen. Vielmehr sind sie als prädisponierende Faktoren zu sehen. Genauso wie eine Loki Schmidt als starke Raucherin ein hohes Alter von 91 Lebensjahren erreichen kann, können Menschen mit sitzenden Tätigkeiten völlig beschwerdefrei sein. In der Praxis haben Menschen mit sitzenden Tätigkeiten die selben Beschwerden wie Spitzensportler.
Die Erfahrung aber zeigt, dass eine manualtherapeutische Behandlung wie Osteopathie, „Fasziendistorsionsmodell“ oder „Rolfing“ bei einem Menschen, der sich mehr bewegt, schneller anschlägt. Selbst im konventionellen Medizinbetrieb wird dieser Umstand genutzt: Nach Leistenbruch- oder Hüftprothesen-OP müssen sich die Patienten am Tag nach der OP bewegen und adäquat belasten. Lange Ruhigstellung ist mittlerweile verpönt, weil eingesehen wurde, dass der Organismus in und durch individuell angemessene Bewegung heilt.
Eine in der Öffentlichkeit stark wahrgenommene Studie des Physical Activity Labor vom australischen „Baker IDI Diabetes and Heart Institute“ bestätigte dies Anfang 2010.
Rückenschmerzen durch einfache Maßnahmen verhindern
Im Alltag bedeutet das: Möglichst viel Bewegung und häufige Positionswechsel sind einer lang anhaltenden einseitigen Position vorzuziehen. Konkret kann man den Drucker oder das Faxgerät in andere Räume stellen, um ein Aufstehen zu erzwingen. Das Sitzen auf einem großen Ball oder zwischendurch mal im Stehen arbeiten, stellen einfach umzusetzende Maßnahmen dar, die deswegen nicht sofort nach zwei Wochen von den Betroffenen wieder eingestellt werden.
Arbeitstische (-flächen) sollten von Experten auf eine optimale individuelle Höhe eingestellt werden, weil sonst der Nacken durch zu hohe oder zu niedrige Flächen ständig angespannt sein kann. Dies sind einfache kostengünstige Maßnahmen, die Beschwerden und Kosten auf ein Mindestmaß reduzieren helfen.
Zum Autor
Thorsten Fischer, Jahrgang 1971, arbeitet seit der fünfjährigen Osteopathieausbildung an der Osteopathie Schule Deutschland (OSD) und im Fasziendistorsionsmodell (FDM) bei Dr. Georg Harrer (Wien) als Heilpraktiker im Gesundheitszentrum Christuskirche in Hannovers Nordstadt.
Thorsten Fischer ist stellvertretender Vorsitzender und Gründungsmitglied des Osteopathieforums Hannover e.V., Mitglied in der europäischen FDM- Organisation (EFDMA) und Mit-Begründer der Naturheilkundeseite Heilpraxisnet.de.
interessanter Artikel, wenn auch für die meisten „Betroffenen“ nicht viel Neues dabei ist.
Finde ich gut, dass ihr euch dem Thema widmet. Ich denke wichtig ist vor allem, dass man sich während der Arbeit nicht verkrampft. Ich habe es schon geschafft, dass mir die Beine im Sitzen eingeschlafen sind. Seitdem ich darauf achte, regelmäßig die Körperstellung zu ändern, habe ich auch sehr selten Rückenschmerzen.
habe vor 3 jahren mal nen post zum thema „richtige sitzposition“ verfasst. hilft in jedem fall beim ausrichten ;)
Ihr müsst sein wie die Kinder – Kinder sitzen niemals ruhig, sondern sind auch beim Sitzen ständig in Bewegung. Das geht auch vor dem Computer!
Das mit den Kindern werde ich sofort mal ausprobieren ;)
Sitzen und vor allem „falsches sitzen“ ist laut http://www.berufsunfaehigkeitsversicherung-vergleichen.org/ eine der Hauptursachen für eine BU – neben psychischen erkrankungen. Meist ausgelöst durch „bewegungsfaulheit“ wie Stefan schon sagt!