Schlechte Usability: Interfaces sollen mir das Leben leichter machen – und nicht noch komplizierter

Der Default-Modus einer Mikrowelle sollte sein: Essen warm machen, und zwar pronto. (Foto: Gregor Honsel / MIT Technology Review)
In unserer Büro-Küche stehen zwei Mikrowellen nebeneinander. Die eine hat sieben Schalter und einen Drehknopf. Auf den Schaltern sind unter anderem zu sehen: Wellen mit und ohne Dreiecke; ein Dreieck im Kreis und eins mit einem Strich; eine alleinstehende Uhr und eine Uhr mit einem Gewichtssymbol. Alle Icons sind kleiner als mein kleiner Fingernagel. Wer einfach nur sein Essen warm machen will, muss auf den kleinen Knopf ganz unten rechts drücken – gekennzeichnet durch ein auf der Spitze stehendes Quadrat mit einem Strich darin.
Die andere Mikrowelle hat zwei Drehknöpfe: einen für die Leistung, einen für die Zeit.
Ratet mal, welche lieber benutzt wird.
Neue Techniken in der Bedienung sollte diese immer leichter machen
Die Klage über schlechte Usability ist wohl so alt wie die Technik selber. Ist ja auch verständlich: Taucht eine neue Technik auf, müssen sich die Konventionen ihrer Bedienung erst entwickeln – beim PC beispielsweise die Mausklicks oder bestimmte Tastaturkürzel, beim Touchscreen die verschiedenen Wischgesten. Ist das erst einmal gelernt, dürfte die Bedienung mit der Zeit immer leichter fallen. Sollte man jedenfalls meinen.
Die Verkrempelung der Welt
Doch in letzter Zeit, scheint mir, wird die Usability eher wieder schlechter statt besser. Dinge, die immer ganz einfach funktioniert haben, werden plötzlich verkompliziert. „Die Verkrempelung der Welt“, nennt der Autor Gabriel Yoran das – und klagt über einen Herd, der sich nur noch per Touchscreen satt per Drehknopf bedienen lässt: „Wer hat sich das ausgedacht? Warum ist niemand in irgendeiner Produktkonferenz aufgestanden und hat gesagt: Entschuldigung, aber das ist doch kompletter Stuss!“
Unfähigkeit oder Gleichgültigkeit gab es beim Design von User-Interfaces allerdings schon immer. Neu hinzugekommen ist etwas, das ich „Optionsverseuchung“ nenne. Bleiben wir bei der Mikrowelle: Früher hatte sie einfach die Funktion, elektromagnetische Strahlung einer gewissen Leistung für eine gewisse Zeit ins Essen zu jagen. Heute gibt es Programme von Pizza über Pasta bis zum Popcorn. Logisch, dass die Bedienung dadurch komplizierter wird.
Einfach mal ein paar Features weglassen
Ein Mittel gegen solche „Featuritis“ wäre es, einfach mal ein paar Features wegzulassen. Und wenn dafür der Mut fehlt, sollten die UI-Designer:innen wenigstens lernen, Prioritäten zu setzen, denn nicht alle Optionen sind gleich wichtig. Der Default-Modus einer Mikrowelle – Essen warm machen, und zwar pronto – darf sich nicht zwischen einem halben Dutzend anderer Knöpfe verstecken. Er muss auch von einem unterzuckerten Hirn kurz vor dem Hungerkollaps zu finden sein.
Ähnliches gilt für die digitale Welt. Ich will auf meinem Smartphone nicht dauernd von KI-Assistenten angelabert werden, die mir ungefragt ihre Dienste anbieten. Ich will von einer Software nicht dauernd erklärt bekommen, was man sonst noch alles mit ihr anstellen kann. Ich will auf einer Webseite nicht dauernd tausend Fenster wegklicken müssen, bis ich zum Inhalt durchdringe. Lasst mich einfach in Ruhe arbeiten. Zeit und Nerven der Nutzer:innen sind eine begrenzte Ressource. Bitte geht etwas sorgsamer damit um!
Warum werden denn die Mikrowellen mit Mini-Symbolen und Tasten statt Drehknöpfen gekauft?
Zum Teil sind wir als Kunden doch an der Entwicklung selbst schuld! Nein, ich natürlich nicht, immer nur die anderen.:-)