Schneller, besser, effizienter: So entstehen ferngesteuerte Kakerlaken in nur 68 Sekunden
Dass sich lebende Insekten rudimentär fernsteuern lassen, haben Forschende der Nanyang Technological University in Singapur dieses Jahr bereits demonstriert. Sie haben Madagaskar-Fauchschaben mit einem „Rucksack“ ausgestattet, aus dem zwei Elektroden mit den Sinnesorganen der Insekten verbunden waren. Per Funk und über einen Mikrocontroller konnten die Forschenden elektrische Impulse auslösen, über die sich die Riesen-Kakerlaken in verschiedene Richtungen bewegen, verlangsamen oder stoppen ließen.
Willkommen in der Cyborg-Kakerlaken-Fabrik
In einem neuen, noch nicht von unabhängigen Experten geprüften Paper aus dem November legt das gleiche Team aus Singapur jetzt nach. Die Forscherinnen und Forscher haben eine „automatische Montagemethode für Insekten-Computer-Hybridroboter“ entwickelt, sprich: einen Roboter, der ferngesteuerte Schaben gewissermaßen am Fließband „bauen“ kann. Gerade einmal 68 Sekunden soll das System benötigen, um eine einzelne Schabe in eine Cyborg-Kakerlake zu verwandeln.
Wie es in der Studie heißt, sei die bisherige Vorgehensweise, bei der die Wissenschaftler:innen selbst Hand an die Schaben anlegten, schwierig und zeitaufwendig gewesen. Zudem sei jeder Eingriff davon abhängig, wie gut und genau die Forschenden arbeiten – Abweichungen bei der Implantation der Elektroden in den Körper der Insekten können die spätere Fernsteuerung beeinflussen.
KI hilft bei der Produktion der Robo-Schaben
Um den Unsicherheitsfaktor Mensch aus der Gleichung zu nehmen und gleichzeitig eine Massenproduktion zu ermöglichen, sei „die automatische Montage von Insekten-Computer-Hybridrobotern unerlässlich“, schreiben die Forschenden.
Das vorgestellte Montagesystem besteht aus einem Operationstisch, auf dem die zuvor betäubten, erwachsenen Fauchschaben, die bis zu sechs Zentimeter groß werden können, fixiert werden. Ein Roboterarm greift sich anschließend den vorbereiteten Rucksack aus der entsprechenden Vorrichtung und implantiert die beiden Elektroden in die Kakerlake.
Für jede Kakerlake einen Rucksack
Das geschieht, indem zunächst ein Teil des Halsschildes (Pronotum) freigelegt wird, um Zugriff auf die darunterliegende Membran zu erhalten. Dort werden die Elektroden fixiert. Der Rucksack mit dem Steuerelement wird anschließend mithilfe kleiner Widerhaken auf die Hinterbrust (Metathorax) des Insekts geschnallt.
Da sich jede Schabe in ihrer Größe unterscheidet, muss das System in der Lage sein, Abweichungen zu erkennen, um die jeweils idealen Referenzpunkte zu finden. Das geschieht mithilfe von künstlicher Intelligenz in Form von Computer Vision: Eine Kamera scannt den Körper der Schabe und analysiert auf Basis von Trainingsdaten, wo genau der Roboterarm ansetzen muss, um die Membran freizulegen und die Elektroden zu fixieren.
Der Roboter arbeitet 60-mal schneller als ein Mensch
Während die Präparation und Operation von Menschenhand teilweise bis zu einer Stunde pro Schabe gedauert hat, war das System in der Lage, vier Insekten am Stück in knapp unter acht Minuten mit dem Rucksack zu versehen; in Einzelfällen hat es sogar nur etwas mehr als eine Minute pro Schabe benötigt.
Um die Qualität der Fließband-Montage zu überprüfen, haben die Forschenden die Schaben abschließend miteinander verglichen: „Die Ergebnisse bestätigen, dass die automatisch montierten Insekten-Computer-Hybridroboter eine vergleichbare Fortbewegungskontrolle erreichen wie manuell montierte Systeme“, schreiben sie. Das mache eine Massenproduktion von Hybridrobotern realistisch.
Robo-Schaben für Such- und Rettungseinsätze
Aber weshalb braucht es überhaupt eine solche Massenproduktion? Die Antwort begründen die Forschenden mit den möglichen Einsatzgebieten der Robo-Schaben, zum Beispiel bei Such- und Rettungseinsätzen nach Katastrophen oder bei der Inspektion von Fabriken und Industrieanlagen. Mit entsprechenden Sensoren versehen, könnten die Insekten losgeschickt werden, um beispielsweise verschüttete Menschen zu lokalisieren oder Lecks und Risse in der Bausubstanz zu erkennen. Um dabei wirklich effizient zu sein und ein größeres Terrain in möglichst kurzer Zeit abzudecken, bedarf es Dutzenden, wenn nicht gar Hunderten oder Tausenden der präparierten Insekten.
Bevor die Cyborg-Kakerlaken außerhalb des Labors zum Einsatz kommen, müssten aber neben der Produktion noch weitere Herausforderungen gemeistert werden, glaubt der Forscher Fabian Steinbeck von der Universität Bielefeld, der ebenfalls an Bio-Robotern forscht. Gegenüber dem New Scientist sagte er, dass der Einsatz für Such- und Rettungseinsätze allein deshalb schwierig sein könnte, da es etwa in eingestürzten Gebäuden schwierig sei, Signale zu empfangen.