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Walsprache mit Buchstaben? Meeressäuger kommunizieren fast wie wir

Mithilfe von künstlicher Intelligenz konnten Forscher:innen neue Einblicke in die Klicklaute von Pottwalen erlangen. Die Ergebnisse könnten die Forschung verändern – wenn es nicht noch eine große Hürde gäbe.

Von MIT Technology Review Online
3 Min.
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Pottwale unterhalten sich mit Folgen bestimmter Klicklaute, den sogenannten Codas. (Foto: Shutterstock/Martin Prochazkacz)

Pottwale sind faszinierende Lebewesen. Sie besitzen das größte Gehirn aller Arten, sechsmal größer als das eines Menschen, und Wissenschaftler:innen glauben, dass es intelligentes, rationales Verhalten ermöglicht. Pottwale sind sehr sozial und in der Lage, Entscheidungen als Gruppe zu treffen. Zudem zeigen sie ein komplexes Verhalten bei der Nahrungssuche.

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Zahlreiche Geheimnisse der großen Meeressäuger haben wir Menschen allerdings noch nicht entschlüsselt. Zum Beispiel, was sie einander zu sagen versuchen, wenn sie sich mit einem System von kurzen Klickfolgen, den sogenannten Codas, verständigen. Neue Forschungsergebnisse, die jetzt im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass die Kommunikation der Pottwale tatsächlich viel ausdrucksstärker und komplizierter ist als bisher angenommen.

Ein Forscher:innenteam unter der Leitung von Pratyusha Sharma vom Computer Science and Artificial Intelligence Lab (CSAIL) des MIT hat in Zusammenarbeit mit Project Ceti, einer gemeinnützigen Organisation, die sich mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz zum Verständnis von Walen befasst, statistische Modelle zur Analyse von Wal-Codas generiert. Mit den Modellen konnten sie eine Struktur in der Sprache der Wale erkennen, die komplexen menschlichen Vokalisationen ähnelt. Die Ergebnisse könnte die künftige Forschung nutzen, um nicht nur die Struktur, sondern auch die Bedeutung der Codas zu entschlüsseln.

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Mit KI der Sprache der Wale auf der Spur

Das Team analysierte Aufnahmen von 8.719 Codas von rund 60 Walen, die das Dominica Sperm Whale Project zwischen 2005 und 2018 gesammelt hatte. Zum Einsatz kam eine Kombination aus Algorithmen für Mustererkennung und Klassifizierung. Die Forscher:innen fanden heraus, dass die Art und Weise, wie die Wale kommunizieren, nicht zufällig oder simpel, sondern je nach Kontext ihrer Gespräche strukturiert ist. Sie konnten unterschiedliche und bislang nicht bekannte Vokalisationen identifizieren.

Anstatt sich auf kompliziertere Techniken des maschinellen Lernens zu verlassen, entschieden sich die Forschenden für die klassische statistische Analyse, um eine bestehende Datenbank mit der Hilfe von künstlicher Intelligenz zu betrachten. „Wir wollten ein einfacheres Modell verwenden, das uns bereits eine Grundlage für unsere Hypothese liefern würde“, sagt Pratyusha Sharma.

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„Das Schöne an einem statistischen Ansatz ist, dass man nicht erst ein eigenes Modell trainieren muss, dass es sich nicht um eine Blackbox handelt und dass die Analysen einfacher durchzuführen sind“, sagt Felix Effenberger, ein leitender KI-Forschungsberater des Earth Species Project, einer gemeinnützigen Organisation, die erforscht, wie man nicht menschliche Kommunikation mithilfe von KI entschlüsseln kann. Er weist jedoch darauf hin, dass maschinelles Lernen eine großartige Möglichkeit sei, den Prozess der Entdeckung von Mustern in einem Datensatz zu beschleunigen. Die Methode dürfte in Zukunft noch nützlich sein.

Die Algorithmen wandelten die Klicks innerhalb der Coda-Daten in eine neue Art der Datenvisualisierung um, die die Forscher:innen als Austauschplot bezeichnen. Diese zusätzlichen Klicks, kombiniert mit Variationen in der Dauer ihrer Rufe, traten bei Interaktionen zwischen mehreren Walen auf. Das deutet den Forscher:innen zufolge darauf hin, dass Codas mehr Informationen enthalten und eine kompliziertere interne Struktur aufweisen können, als bislang angenommen worden ist.

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Was sagt ein Wal – und wie verifizieren wir es?

„Wir Menschen haben das Kommunikationssystem der Pottwale bisher als eine Art ägyptische Hieroglyphen analysiert. Aber es ist tatsächlich mehr wie Buchstaben“, sagt Jacob Andreas, Professor am CSAIL, der an dem Projekt beteiligt war. Obwohl das Team nicht sicher ist, ob die Entdeckung als Äquivalent zu den Buchstaben, der Zungenposition oder den Sätzen der menschlichen Sprache interpretiert werden kann, sind die Forschenden zuversichtlich, dass es eine Menge interner Ähnlichkeiten zwischen Wal- und Menschensprache gibt, sagt Andreas: „Wir sehen, dass es mehr Arten von Codas und stärkere Unterschiede zwischen Codas gibt, die Wale eindeutig wahrnehmen können.“

Im nächsten Schritt geht es darum, Sprachmodelle von Walrufen zu erstellen und zu untersuchen, wie diese Rufe mit verschiedenen Verhaltensweisen zusammenhängen. Außerdem planen die Forschenden ein allgemeineres System, das artenübergreifend eingesetzt werden könnte, sagt Sharma. Die Wissenschaft fange gerade erst an, Tiersprache zu verstehen.

Projekte wie dieses können zeigen, wie Tiere kommunizieren. Doch wenn wir jemals verstehen wollen, was Wale sich tatsächlich sagen, gibt es noch eine große Hürde: Man müsste experimentell beweisen können, dass die Vermutung über den Inhalt der Walsprache auch tatsächlich stimmt, sagt Caroline Casey, eine Forscherin an der University of California, Santa Cruz, die seit über einem Jahrzehnt die Kommunikation von See-Elefanten untersucht.

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„Seit dem Aufkommen der künstlichen Intelligenz ist das Interesse an der Entschlüsselung von Tiersignalen wieder gestiegen“, sagt Casey. „Es ist aber sehr schwer nachzuweisen, dass ein Signal für Tiere tatsächlich das bedeutet, was wir Menschen vermuten. Die vorliegende Arbeit hat die Nuancen der akustischen Struktur sehr gut beschrieben. Aber es bleibt schwierig, die genaue Bedeutung eines Signals zu ermitteln.“

Autorin des Textes ist Rhiannon Williams. Sie ist News-Redakteurin bei der US-amerikanischen Ausgabe der MIT Technology Review.
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