Tippen gehört zu den Tätigkeiten an unseren Smartphones, mit denen wir die meiste Zeit verbringen. Laut einer aktuellen Umfrage verbringen Millennials täglich rund 48 Minuten kurze Nachrichten tippend – bei den Boomern sind es immer noch 30 Minuten.
Textvervollständigung – ein vermeintlicher No-brainer
Aus der Frühzeit der Mobiltelefonnutzung geblieben ist uns die Autovervollständigung, die damals vor allem deshalb einen Sinn ergab, weil wir keine vollwertigen Tastaturen an den Geräten hatten. Die Autovervollständigung wurde bald um die Fähigkeit der Vorhersage erweitert. Heutige Tastaturen versuchen auf der Basis der ersten paar eingetippten Buchstaben jenes Wort vorzuschlagen, das ihr mutmaßlich tippen wollt.
Das funktioniert auch recht gut. In der Mehrzahl der Fälle erkennt eure Smartphone-Tastatur eure Absicht und schlägt oberhalb des Keyboards das gewünschte Wort vor, sodass ihr es antippen und so in den Text übernehmen könnt. Das klingt nach einer total sinnvollen Sache.
Per Ola Kristensson und sein Forschungsteam von der University of Cambridge im Vereinigten Königreich entwickelten eine gesunde Skepsis gegenüber der sogenannten Predictive-Text-Funktion. Sie wollten es genauer wissen und stellten seither verschiedene Studien an.
Textvorhersage: Forschende schauen genauer hin
In ihrer jüngsten Arbeit, über die Kristensson auf The Conversation berichtet, gelang es ihnen, wesentliche Parameter zu messen, die es erlauben, auf einfache Weise den zu erwartenden Erfolg der prädiktiven Texteingabe zu ermitteln. Und der ist geringer als wir gemeinhin erwarten würden. Dabei scheint der Gedanke zunächst vollkommen logisch: Wenn das System das gewünschte Wort vorhersagen kann, bevor ihr es eintippt, spart ihr Zeit. Das ist aber nicht so – jedenfalls nicht unter allen Bedingungen.
Denn die Frage, ob eine Nutzerin oder ein Nutzer tatsächlich auf die Textvorhersage zugreift, hängt von unterschiedlichen Parametern und unterschiedlichen Strategien ab. Die Grundparameter sind leicht zu erfassen. So kamen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass das Tippen eines Buchstabens im Schnitt 0,26 und das Betrachten eines Textvorschlags 0,45 Sekunden beansprucht. Die Beurteilung der Effektivität der Funktion ergibt sich nun aus einer Kombination dieser Parameter.
Es ist kompliziert
Wie Kristenssons Team herausfand, betrachten Nutzende Textvorschläge überhaupt erst dann, wenn diese eine gewisse Komplexität und Länge – etwa mehr als sechs Buchstaben – erreichen, da solche Wörter mehr Mühe beim Buchstabieren und Tippen erfordern. Hinzukommt das Erfordernis, überhaupt erst einmal einige Zeichen zu tippen, bevor sinnvolle Textvorschläge gemacht werden können. In der Regel sind das drei Buchstaben. Die Intuition dahinter ist, dass die Vorhersage umso wahrscheinlicher ist, je mehr Buchstaben zuvor getippt wurden.
Dabei sei laut Kristensson zusätzlich etwas zu beachten, dass er als Ausdauer bezeichnet. Darunter versteht er die Zeit, die Nutzende bereit sind, zu tippen und Wortvorhersagen zu prüfen, bevor schlicht das Wort manuell zu Ende getippt wird. Hier fanden sie heraus, dass diese Ausdauer etwa bei fünf Buchstaben endet, das heißt, wenn nach der Eingabe von fünf Buchstaben keine geeigneten Vorschläge vorliegen, wird das Wort vervollständigt, ohne die Textvorhersage weiter zu konsultieren.
Im besten Fall werdet ihr nicht langsamer
Soweit die Parameter. Was das Team nun herausfand, ernüchtert. Die Textvorhersage kann, wenn sie maximal effektiv ist, Nutzende um zwei Wörter pro Minute beschleunigen. Das gilt aber nur dann, wenn alle geschriebenen Wörter zwischen fünf und sechs Buchstaben liegen und zuvor jeweils vier Zeichen eingetippt wurden.
Der Bereich, in dem die Textvorhersage indes die besten Ergebnisse liefert, liegt bei drei eingetippten Zeichen und sechs Buchstaben langen Wörtern. In diesem Bereich beschleunigt das Feature aber überhaupt nicht. Das Ergebnis der Studie ist daher recht simpel.
In den meisten Fällen, in denen die Textvorhersage sinnvolle Vorschläge macht, ergibt sich daraus keinerlei Beschleunigung der Texteingabe. Mit anderen Worten: wer des Buchstabierens mächtig ist und einen einigermaßen flinken Daumen hat, wird ohne Textvorhersage immer schneller tippen als mit. Und selbst im besten Fall: Der mögliche Gewinn von ein paar Wörtern pro Minute ist viel geringer als der mögliche Zeitverlust.