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MIT Technology Review News

Stahl ohne CO2-Ausstoß: Was Strom mit der emissionsfreien Herstellung zu tun hat

Boston Metal ist es gelungen, einen Industriereaktor zu bauen, der Strom zur Stahlproduktion nutzt. Erste Versuche verliefen erfolgreich.

Von MIT Technology Review Online
4 Min.
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Stahlproduktion bei Boston Metal (Bild: Boston Metal)

Das Startup Boston Metal hat nachgewiesen, dass es die nötigen Zutaten hat, um klimafreundlichen Stahl zu erzeugen – ohne, dass dabei Unmengen von Treibhausgasen frei werden. Das Unternehmen habe seinen bisher größten Reaktor erfolgreich in Betrieb genommen und immerhin über eine Tonne des Metalls produziert, wie die US-Ausgabe von MIT Technology Review exklusiv berichtet. Damit ist Boston Metal der Kommerzialisierung seiner Technologie einen Schritt näher gekommen.

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Das Verfahren des Unternehmens nutzt Elektrizität zur Stahlherstellung und könnte, je nach Stromquelle, die Produktion eines der bislang CO₂-intensivsten Produktionsprozesse überhaupt endlich sauber(er) machen. Weltweit werden jedes Jahr etwa zwei Milliarden Tonnen Stahl produziert, wobei über drei Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen werden. Es sind allerdings noch einige Hürden zu nehmen, bevor die Stahlindustrie in der erforderlichen Größenordnung umgestellt werden kann. Der jüngste erfolgreiche Versuch von Boston Metal zeigt jedoch, dass das Unternehmen seinen Prozess in größerem Maßstab durchführen kann als bislang gedacht. Boston Metal hat seinen Industriereaktor für die Stahlerzeugung im Januar in Betrieb genommen. Er lief dann mehrere Wochen am Stück. Am 17. Februar hat das Unternehmen dann etwa eine Tonne Material abgezogen (siehe Video des geschmolzenen Metalls).

Finetuning bei der Stahlproduktion

Die Arbeiten an dem Reaktor laufen schon seit einiger Zeit. MIT Technology Review konnte die Anlage in Woburn, Massachusetts, im Jahr 2022 bereits besuchen, als die Bauarbeiten fast abgeschlossen waren. In den Jahren seither hat das Unternehmen daran gearbeitet, die Anlage auch für die Herstellung anderer Metalle zu testen, bevor sie für die Stahlproduktion umgerüstet wurde. Der Ansatz von Boston Metal unterscheidet sich stark von dem eines herkömmlichen Stahlwerks.

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Bei der Stahlerzeugung wird in der Regel ein Hochofen verwendet. Dieser setzt den kohlebasierten Brennstoff Koks ein, um die Reaktion in Gang zu setzen, die erforderlich ist, um Eisenerz in Eisen (den Hauptbestandteil von Stahl) umzuwandeln. Der im Koks enthaltene Kohlenstoff verbindet sich mit dem aus dem Eisenerz herausgelösten Sauerstoff, der dann als klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt wird.

Boston Metal nutzt stattdessen Elektrizität in einem Verfahren mit dem Namen Oxidschmelzelektrolyse (Molten Oxide Electrolysis, MOE). Eisenerz wird dabei in einen Reaktor geladen, mit bestimmten weiteren Zutaten vermischt und dann unter Strom gesetzt. Dadurch wird das Gemisch auf etwa 1.600 Grad Celsius erhitzt und die für die Eisenherstellung erforderlichen Reaktionen setzen sich in Gang. Das entstandene Eisen kann dann zu Stahl weiterverarbeitet werden.

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Strom für die Stahlherstellung

Entscheidend für eine Verbesserung des Klimafußabdrucks ist hierbei, dass bei dem Prozess Sauerstoff und nicht CO₂ (als Treibhausgas) freigesetzt wird. Wenn erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie als Stromquelle genutzt werden, kann dieser Ansatz die Klimabelastung durch die Stahlproduktion praktisch ausschalten.

Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurde das Verfahren MOE entwickelt. Das Resultat ist Boston Metal als Ausgründung, das 2013 an den Start ging, um die Technologie zu vermarkten. Seitdem hat das Unternehmen an der Skalierung gearbeitet. Es galt, die Technologie vom Labormaßstab mit Reaktoren von der Größe einer Kaffeetasse auf viel größere Reaktoren zu übertragen, die Tonnen von Metall auf einmal produzieren können. Das ist entscheidend für eine Industrie, die Milliarden Tonnen pro Jahr herstellt.

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„Die Stahlmengen, die uns umgeben, sind immens“, sagt Adam Rauwerdink, Senior Vice President of Business Development bei Boston Metal. „Die Größenordnung, die wir anstreben, ist gewaltig.“ Die Herstellung der riesigen Stahlmengen, die erforderlich sind, um kommerziell relevant zu werden, ist eine große technische Herausforderung.

Eine Schlüsselkomponente der Technik von Boston Metal ist eine spezielle Anode. Dabei handelt es sich im Grunde genommen nur um ein abgerundetes Metallstück, das in den Reaktor geschoben wird, um Strom zuzuführen und die erforderlichen Reaktionen zu katalysieren. Theoretisch wird diese Anode nicht zerstört, aber wenn die Bedingungen nicht stimmen, kann sie sich mit der Zeit abbauen. In den letzten Jahren habe das Unternehmen große Fortschritte bei der Erhaltung sogenannter Inertanoden gemacht, sagt Rauwerdink. Die jüngste Phase des Projekts ist komplizierter, weil das Unternehmen jetzt mehrere Anoden in denselben Reaktor einbaut.

Von der kleinen Anode zur großen

In Reaktoren im Labormaßstab gibt es nur eine Anode, und die ist ziemlich klein. Größere Reaktoren erfordern größere Anoden, und ab einem bestimmten Punkt ist es notwendig, mehr von ihnen einzubringen. Der jüngste Durchlauf beweise, dass der Ansatz von Boston Metal skalierbar ist, sagt Rauwerdink. Ziel sei es, die Reaktoren zu vergrößern, mehr Anoden hinzuzufügen und dann mehrere Reaktoren in einer einzigen Anlage zusammenzufügen, um die benötigten Materialmengen herzustellen.

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Nachdem das Unternehmen den ersten Durchlauf seines Multi-Anoden-Reaktors für die Stahlerzeugung abgeschlossen hat, soll nun weiter daran geforscht werden, wie die Reaktionen in diesem größeren Maßstab genau ablaufen. Diese Versuche werden dem Unternehmen auch helfen, besser zu verstehen, was die Herstellung seiner Endprodukte tatsächlich kosten wird.

Weitere Planung für die neuartige Stahlherstellung

Der nächste Schritt ist der Bau eines noch größeren Systems, sagt Rauwerdink – etwas, das nicht in die bisherige Anlage in Boston passen wird. Während ein Reaktor der jetzigen Größe ein oder zwei Tonnen Material in etwa einem Monat herstellen kann, wird eine echte großtechnische Anlage diese Menge an Metall in etwa einem Tag produzieren. Eine solche Demonstrationsanlage soll Ende 2026 ans Netz gehen und 2027 in den Industriebetrieb genommen werden, hofft er. Letztendlich plant das Unternehmen, seine Technologie an Stahlhersteller lizenzieren zu können.

In der Stahlindustrie und anderen Schwerindustrien sind die Dimensionen enorm. Boston Metal ist seit über einem Jahrzehnt in diesem Bereich tätig. Bislang schaut man gerne dabei zu, wie das Unternehmen Fortschritte auf dem Weg zu einem echten Mitspieler in dieser gigantischen Branche macht.

Der Text stammt von Casey Crownhart. Sie ist Redakteurin bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und deckt die Themenbereiche Klima, (erneuerbare) Energie und Transport ab.
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