Kurse an der Börse: Darum sind Standortdaten von SEC-Mitarbeitern interessant
Mit ungewöhnlichen Mitteln haben vier US-Forscher neue Einblicke in das Verhältnis von Insiderhandel und Börsenaufsicht gewonnen. Dazu besorgten sie sich anonymisierte, kommerziell verfügbare Positionsdaten von Mobiltelefonen. Diese Daten filterten sie nach Geräten, die sich regelmäßig in den Gebäuden der US-Börsenaufsicht SEC befanden – also wahrscheinlich deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehören. Über zwölf Monate hinweg, in der Vor-Corona-Zeit von 2019 bis 2020, verfolgten die Forscher die Standorte dieser Handys. Tauchten die Geräte in den Büros eines börsennotierten Unternehmens auf, nahmen die Wissenschaftler dies als Indiz dafür, dass sich die SEC die jeweilige Firma genauer angeschaut hat.
Ob es sich dabei um Routinekontrollen handelte oder ob die Behörde einem konkreten Verdacht auf unsaubere Machenschaften nachging, ließ sich aus den Daten nicht herauslesen. Fest steht aber: In 84 Prozent der knapp 400 dokumentierten Fälle leitete die SEC keine offizielle Untersuchung ein. Trotzdem hatten die Besuche gravierende Folgen. Das stellten die Forscher fest, als sie die Besuchsdaten mit den Börsenkursen abglichen. Diese lagen drei Monate nach einem Besuch bis zu 1,94 Prozent unter der Entwicklung des restlichen Marktes.
Sinkende Aktienpreise und der Besuch von SEC-Mitarbeitern
Wie kann schon allein ein Besuch der SEC den Börsenkurs beeinflussen, selbst wenn er keinerlei offizielle Konsequenzen nach sich zieht und auch nirgendwo bekannt gegeben wird? Die Forscher bieten zwei Erklärungen an: Entweder, die SEC-Visite hatte sich im Markt herumgesprochen, und Anleger:innen haben sich nach dem Motto „Wo Rauch ist, ist auch Feuer“ von den Papieren zurückgezogen. Oder aber: Insider aus den jeweiligen Firmen haben ihre Anteile in großem Maßstab abgestoßen.
In einer Datenbank für Insidertransaktionen stießen sie auf widersprüchliche Hinweise. Einerseits scheinen sich viele Insider in den Wochen vor und nach dem SEC-Besuch zurückzuhalten. „Wir interpretieren das als: ,Die Wachhunde sind da, also sollten wir uns gut benehmen‘“, sagte Marcus Painter, Assistent-Professor an der Saint Louis University und Co-Autor der Studie, gegenüber der Financial Times. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt bei Vorstandsmitgliedern.
Schutz vor Kursverlust
Oft stießen Insider ihre Anteile aber trotzdem frühzeitig ab. So konnten sie dem Kursverfall zuvorkommen und ihre eigenen Verluste um knapp fünf Prozent senken – allerdings auf Kosten der anderen Anleger, denn die Kurse sanken dadurch noch stärker.
Zentrales Ziel der Studie war eigentlich, die Muster der SEC-Kontrollen besser zu verstehen. Aber sie deckt auch eine Lücke bei der Überwachung des Insiderhandels auf. Und sie zeigt, wie viel Potenzial in der kreativen Nutzung von Standortdaten steckt.