Tagesgeld aus dem Ausland: Risiko für Kunden von Weltsparen und Zinspilot
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Wer mit weitgehend risikolosen Geldanlageprodukten wie Tagesgeld, Festgeld oder dem guten alten Sparbuch Geld verdienen will, sieht schon seit Jahren ziemlich alt aus: Mehr als Zinssätze mit einer Null vor dem Komma sind meist nicht zu machen und selbst für langjährige Festgeldanlagen gibt’s kaum mehr als die Inflationsrate – je nach Geldinstitut nicht einmal das. Die urdeutschen Tugenden des Sparens und der Altersvorsorge haben in den letzten Jahren einen Knacks bekommen. Die jahrelangen Niedrigzinsen der Europäischen Zentralbank lassen nicht wenige frustriert zurück.
Da kommen Onlineplattformen, die mit attraktiven Zinsen für Tages- und Festgeld bei ausländischen Banken werben, vielen Sparern gerade recht. Die Zinsportale ziehen zunehmend Sparer an – auch, weil viele Deutsche riskantere Anlagealternativen wie Aktien scheuen. Doch ist das Sparen über Portale wie Weltsparen* oder Zinspilot wirklich so risikolos, wie die Anbieter erklären?
Vermittlerrolle beim Tagesgeld
Die Berliner Firma Raisin etwa, die hierzulande die Plattform Weltsparen betreibt, hat nach eigenen Angaben mehr als zehn Milliarden Euro Einlagen an Partnerbanken in Europa vermittelt. Seit Dezember 2017 habe sich das Volumen von seinerzeit rund vier Milliarden mehr als verdoppelt, verrät das erfolgreiche Fintech-Startup. Immerhin dürften die Kunden solcher Portale einen großen Vorteil gegenüber jenen haben, die direkt bei der jeweiligen Bank ein Konto eröffnen, sofern dies mit deutschem Wohnsitz überhaupt möglich ist: Da das Konto über Weltsparen (oder ein vergleichbares Portal) geführt wird, muss der Kunde im Ernstfall nicht damit rechnen, dass er sich mit der jeweiligen Bank direkt auseinandersetzen muss. Wie problematisch das sein kann, wissen die rund 30.000 deutschen Sparer, die vor zehn Jahren ihr Geld bei der isländischen Kaupthing-Bank hatten. Davon abgesehen könnte es aber auch bei Weltsparen und anderen Portalen Monate dauern, bis Sparer wieder an ihre Einlagen kommen, wenn eine Bank in finanzielle Schieflage gerät. Übrigens inklusive der bis dahin angefallenen Zinsen, da diese rechnerisch bereits als gezahlt gelten – Kunden sollten daher nicht bis an die Grenze der Einlagensicherung gehen.
Raisin bietet Tages- und Festgeld von 62 Partnerbanken aus Italien, Portugal, Zypern oder Estland. So gibt es bis zu 0,7 Prozent Tagesgeldzinsen sowie 1,85 Prozent für Festgeld über fünf Jahre. Nicht üppig, aber mehr, als die meisten Anleger bei deutschen Banken bekommen. Der Vorteil der Portale: Kunden sehen auf einen Blick die besten Zinskonditionen in Europa und müssen kein Konto bei einer ausländischen Bank eröffnen. Wieviel Vertrauen man den jeweiligen Banken entgegenbringt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Anzuraten ist aber, sich über externe, seriöse Quellen über die Kreditwürdigkeit der jeweiligen Bank und die Situation im entsprechenden Staat zu informieren. Wer das nicht einschätzen kann oder will, sollte in der Tat auch und gerade im Zeitalter des europäischen Binnenmarktes auf Institute in seinem Heimatmarkt setzen.
Versobank: Kunden kamen mit blauem Auge davon
Noch sind die Marktanteile der Zinsportale gering angesichts von 2,3 Billionen Euro Tages- und Festgelder sowie Spareinlagen in Deutschland und 6,3 Billionen in Europa. Doch auch große Investoren springen auf den Trend auf. Jüngst steckte eine Gruppe von Geldgebern um den US-Zahldienst Paypal 100 Millionen Euro in Raisin. Das Startup will nun weiter im Ausland expandieren und sein Angebot ausbauen. Klar ist, dass der Markt Potenzial bietet – zumindest für Kunden, die den dahinterstehenden Banken vertrauen. Die Stiftung Warentest ist ebenso wie das Portal Finanztip bei vielen Angeboten skeptisch: „Ein Teil der Partnerbanken liegt in Ländern, deren Wirtschaftskraft Ratingagenturen als sehr viel schlechter einschätzen als die Deutschlands. Es ist nach unserer Einschätzung nicht gesichert, dass die Einlagensicherung dort in jedem Fall funktioniert“, erklärt etwa Finanztip.
Doch Raisin ist nicht der einzige Anbieter solcher Zinsportale. Konkurrent Deposit Solutions hat mit den Portalen Zinspilot und Savedo ebenfalls bereits 175.000 Kunden mit mehr als zwölf Milliarden Euro Anlagegeldern gewonnen. Ende 2017 waren es nach Unternehmensangaben noch vier Milliarden Euro. Die Firma ist in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und seit neustem auch in der Schweiz aktiv. Im Schnitt legten Sparer 30.000 bis 40.000 Euro bei der Erstanlage an und bauten sich dann ein Portfolio auf. Ein zweites Standbein von Deposit Solutions ist das Whitelabel-Zinsportalgeschäft mit anderen Banken. Die Deutsche Bank etwa hat das Angebot der Hamburger in ihre Dienste für Privatkunden integriert. Über den „Zinsmarkt“ können Sparer höher verzinste Tages- oder Festgelder suchen. Banken riskieren zwar, dass Kunden Geld bei anderen Häusern anlegen, behalten aber die wichtige Kundenbeziehung und verdienen an der Vermittlung mit.
Dass die Wette auf die ausländischen Banken trotz der Einlagensicherung von meist 100.000 Euro auch einmal schiefgehen kann, zeigt das Beispiel der estnischen Versobank, die bis 2018 auch Gelder über einige der genannten Portale (beispielsweise Savedo) eingeworben hat. Dabei hat die EZB der Bank die Lizenz gar nicht einmal wegen drohender Zahlungsengpässe entzogen, sondern weil sie der Geldwäsche und Finanzierung terroristischer Vereinigungen verdächtigt wurde. Für die Sparer ging die Sache gut aus: Savedo kümmerte sich nach eigenen Angaben um die Rückabwicklung, und die Sparer erhielten schnell und reibungslos ihr Geld zurück. Dass dies auch anders laufen kann, insbesondere wenn eine Bank krisenbedingt zahlungsunfähig wird, sollten Sparer nicht aus den Augen verlieren. Hinzu kommt ein Risiko, das Sparer bei Zyperns Banken in der Euroschuldenkrise erlebten: 2013 wurden zeitweise Zwangsabgaben für Kleinsparer diskutiert. Auch wenn am Ende lediglich große Vermögen belastet wurden, lässt sich dieses Risiko kaum herunterspielen.
Zinshopping bei deutschen Tagesgeldangeboten
Eine etwas anstrengerndere, aber nicht minder lukrative Strategie der Geldanlage in Tages- oder Festgeld ist das Zinshopping. Dabei machen sich Kunden deutscher Banken den Umstand zunutze, dass Neukunden oftmals eine Art Begrüßungsprämie oder einen erhöhten Zinssatz für die ersten Monate erhalten. Meist ist die Höhe der Einlage, auf die der höhere Zinssatz gezahlt wird, limitiert, aber lukrativ kann das dennoch sein. Vergessen solltest du danach nicht, das jeweilige Konto auch wirklich zu kündigen und nicht nur das angelegte Geld umzuziehen.
Weniger attraktiv sind dagegen Neukundenangebote, bei denen nur ein Teil des Geldes mit garantierten fürstlichen Zinsen als Tagesgeld angelegt wird. Der Rest landet dann nämlich in einem Depot, für das entsprechende Geldanlageprodukte (etwa Aktien oder Fonds) erworben werden müssen. Das verursacht wiederum Kosten und ist mit höheren Risiken verbunden. Es kann im Einzelfall allerdings gerade angesichts der desolaten Zinssituation durchaus vernünftig sein, diese Risiken einzugehen und nur den Notgroschen auf dem Tagesgeldkonto zu belassen. Experten raten hier zu einem Betrag von etwa drei bis sechs Nettomonatslöhnen, an die man ohne Kursschwankungen und Risiken schnell herankommen sollte, wenn etwa der eigene Arbeitsplatz wegfällt oder andere Unwägbarkeiten zu teuren Anschaffungen zwingen. (mit Material von dpa)
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