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Analyse

„Talahon”-Abteilung bei Edeka: Deshalb sollten Marken nicht auf jeden Trend aufspringen

Der umstrittene „Talahon“-Trend ist viral gegangen, ein Supermarkt wollte davon profitieren. Trends zu nutzen wird im Marketing immer wieder empfohlen – dieses Beispiel zeigt, wann das unpassend ist.

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Ein Edeka-Supermarkt in Niedersachen hat unter der Bezeichnung „Talahon” einen eigenen Regalbereich gefüllt. (Foto: CeltStudio / Shutterstock)

Kaum eingerichtet, ist sie schon wieder weg: Die „Talahon”-Abteilung im Edeka Seker im niedersächsischen Fürstenau. „Talahon“ ist eine umstrittene Bezeichnung: Gemeint sind Jugendliche, die durch einen bestimmten Kleidungsstil – Kleidung mit Logos von Luxusmarken, Bauchtaschen – auffallen, provozieren und sich an öffentlichen Orten aufhalten. Auf der Plattform Tiktok ist der Begriff weit verbreitet – das wollte die Supermarkt-Filiale nutzen und hat eine „Talahon”-Abteilung eröffnet.

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Mediale Aufmerksamkeit für Regalbretter mit „Talahon”-Schild

Damit hat der Edeka in der kleinen niedersächsischen Stadt viel mediale Aufmerksamkeit bekommen: Im Internet sind Aufnahmen des Regalbereichs zu sehen, über dem ein Schild mit dem Begriff „Talahon” hängt. Auch bei Tiktok teilten Nutzer:innen Videos der Abteilung. In den Regalen lagen Süßigkeiten, Limonaden und Energydrinks – das Sortiment erinnert an das der Candy-Shops, die bei Tiktok einen Foodtrend nutzen.

Der Begriff „Talahon” ist also angesagt, die Produkte im Regal ebenfalls; eigentlich klingt das nach vorbildlichem Marketing: Trend erkannt und auf das eigene Geschäft adaptiert. So leicht ist es allerdings nicht. Das Beispiel zeigt, wann Trends für die eigene Marke nicht nützlich sind.

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„Talahon” ist ein umstrittener Begriff

Das hat mehrere Gründe. Der erste: Der Begriff „Talahon” ist problematisch. Umstritten ist er, da „Talahons” sexistische Vorurteile reproduzieren und teilweise bewusst aggressiv auftreten – toxische Männlichkeit wird normalisiert. Zudem nutzen rechtspolitische Kreise den Begriff zur Diskriminierung, da „Talahons” teilweise einen Migrationshintergrund haben. „Talahon” ist von den arabischen Wörtern „taeal huna” (dt. „Komm her”) abgeleitet. Der Deutsch-Rapper Hassan brachte das Wort „Talahon” auf und gab ihm seine jetzige Bedeutung.

Dem Filialleiter war bewusst, wie schwierig die Bezeichnung ist – Mehmet Seker erklärte öffentlich, mit der gewonnenen Aufmerksamkeit wolle er „eine Lanze für meine Mitarbeitenden brechen, schließlich sind circa 75 Prozent davon weiblich und tagtäglich für uns im Einsatz”. „Talahons” bewusst anzusprechen, sei nicht sein Ziel.

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Das steht im Gegensatz zum sinnvollen Marketing: Trends dienen dazu, gezielt die Personengruppe zu erreichen, in der sie populär sind. Das sind im Fall der „Talahons” primär Jugendliche. Zudem sagte eine Edeka-Sprecherin gegenüber t3n, mit den benannten Regalen sollen vorrangig junge Menschen angesprochen werden – ein Widerspruch zu Seker.

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Deutsche Gesellschaft für Ernährung sieht Waren-Platzierung kritisch

Diese jungen Menschen haben ein Faible für Süßigkeiten, zuckerhaltige Getränke und Chips aus anderen Ländern. Den Geschmack der Teenager und jungen Erwachsenen hat die Edeka-Filiale mit dem „Talahon”-Regalabschnitt getroffen. Aufnahmen zeigen gehypte Limonade, Energydrinks und bei Tiktok beliebte Instantnudeln.

Das ist der zweite Grund, warum diese Marketing-Aktion ein Negativ-Beispiel ist: Es sind primär ungesunde Lebensmittel unter dem Begriff, der junge Menschen anspricht, platziert. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt zu dem Angebot eine Einordnung. Fast alle Produkte in dem Regalabschnitt seien hochverarbeitete Lebensmittel, die viel Zucker und Salz enthalten, dazu haben sie viele Kalorien. „Aus diesen Gründen sehen wir eine gezielte und offensive Platzierung im Lebensmitteleinzelhandel dieser im Fachjargon ‚diskretorischen Lebensmittel‘ genannten Produkte als kritisch an”, so die DGE-Sprecherin. Gerade Energydrinks seien aufgrund des Koffeingehalts und weiterer Inhaltsstoffe nicht für Heranwachsende geeignet.

Wer ist die Zielgruppe, wenn nicht junge Menschen?

Zudem verweist Filialleiter Seker auf die Beliebtheit des Energydrinks Red Bull – besonders in Glasflaschen – bei Jugendlichen. Das ist kein modernes Marketing, bei dem verantwortungsvoll mit Zielgruppen umgegangen wird. Seker ist allerdings kein Marketing-Experte: Er wollte augenscheinlich einfach, ohne umfangreiche Analysen, einen Trend aufgreifen.

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Mit den Auswirkungen mag er nicht gerechnet haben, auf dem Höhepunkt der Aufmerksamkeit kam das Ende der besonderen Abteilung: „Aufgrund der kontroversen Diskussionen rund um den Begriff Talahon hat sich der Kaufmann entschieden, das Schild über dem Regal abzunehmen”, sagte eine Edeka-Sprecherin gegenüber t3n. Edeka-Kaufmann Seker lehnte eine Anfrage seitens t3n ab – er wolle nicht mehr mit der Presse sprechen.

Beispiel, wie Marketing mit Trends nicht funktioniert

Der Leitsatz „Auch schlechte PR ist PR” mag stimmen – Aufmerksamkeit hat die Edeka-Filiale bekommen – ein Erfolg war die Aktion jedoch nicht. Andernfalls wären die „Talahon”-Regale nicht verschwunden. Aufmerksamkeit zu gewinnen bringt keine automatische Markenstärkung; schlechte PR zieht keine treuen Kund:innen an.

Insgesamt ist die Aktion ein Beispiel dafür, wann man Trends ignorieren sollte. Ist der Begriff umstritten, fügen sich Marken möglicherweise Schaden zu, wenn sie auf den Trend aufspringen. Generell ist die „Talahon”-Bezeichnung – mit ihrer sexistischen und rassistischen Komponente – kritisch zu sehen. Der Fall zeigt auch: Nicht jede:r kann Marketing-Aktionen durchführen; wer unbeholfen Trends aufgreift, muss mit negativen Auswirkungen rechnen. Trends müssen professionell analysiert, auf die Marke adaptiert und umgesetzt werden. Andernfalls bereut das Unternehmen die Reichweite, die es sich gewünscht hat.

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