TikTok-Influencerin über Nettigkeit als Karrierekiller: Das ist an ihrer These dran
„Wenn du sowohl gut bist in dem, was du machst, als auch jemand, mit dem man gern arbeitet, […] wirst du nie befördert.“ Mit dieser „Verschwörungstheorie“, wie sie es selbst nennt, geht die Lifestyle-Influencerin Jacqueline Morris derzeit auf Tiktok viral.
Mehr als 900.000 Menschen haben ihr Kurzvideo mittlerweile angesehen, rund 14.000 einen Kommentar hinterlassen – Morris trifft einen Nerv. Aber hat sie mit ihrer Vermutung auch tatsächlich recht?
Tiktok-Influencerin: Gläserne Decke für nette und fleißige Beschäftigte?
Morris postuliert: Wer eine höhere Position im Unternehmen besetzt, ist nicht zwangsläufig gut in dem was er oder sie macht, oder menschlich besonders angenehm. „Du musst nicht beides sein, und manchmal sind Menschen [in Führungspositionen] nichts davon.“
Beschäftigte aus operativen Bereichen, die gut performen und dabei auch noch „ein Lächeln im Gesicht behalten“, verbauen sich aus Sicht der Influencerin sogar den Weg nach oben. Morris begründet das so: Unternehmen würden solchen Angestellten „niemals erlauben, auf der Karriereleiter aufzusteigen […], weil sie wissen, dass sie dir Mist auf dem Silbertablett präsentieren können und du ihn mit einem Lächeln annehmen wirst“.
Sie wisse selbst nicht, wie man aus diesem „Kreislauf“ herauskomme, „aber ich glaube an ihn“.
Ganz aus der Luft gegriffen ist die Beobachtung der Influencerin nicht.
Führungskräftetrainer Paul Bramson spricht gegenüber Business Insider beispielsweise von einer „gläsernen Decke“, die sich für sympathische, kompetente Beschäftigte ergeben kann. Wer zu sehr versuche, von anderen gemocht zu werden, könne sich dadurch im Rennen um eine Beförderung selbst ins Aus schießen, so Bramson – schließlich müsse eine Führungskraft auch in der Lage sein, schwierige Gespräche zu führen und Entscheidungen zu treffen.
Führungskräftecoach Carolina Caro meint im Gespräch mit Business Insider allerdings auch, dass die Vorstellung einer harten Führungskraft „völlig überholt“ sei und Unternehmen Führungspositionen mit „taktvollen und mitfühlenden“ Menschen besetzen würden.
„Die Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, in die Entwicklung ihrer Führungskräfte zu investieren, damit sie die Art von Führungskraft sind, für die Mitarbeitende gern arbeiten“, so Caro. Sie schränkt aber auch ein: „Das ist das Ziel – aber das bedeutet nicht, dass alle Unternehmen schon so weit sind.“
Zu nett fürs Führen? Untersuchungen sind sich uneinig
Wissenschaftliche Untersuchungen, welche Eigenschaften tatsächlich helfen, die Karriereleiter zu erklimmen, liefern derweil widersprüchliche Ergebnisse. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2011 postuliert beispielsweise, dass es Männern positiv angerechnet wird, wenn sie sich streitbar geben, Frauen hingegen nicht. Eine andere Studie von 2020 ergab dagegen, dass streitbare Menschen keinen Vorteil im Wettbewerb um Machtpositionen auf der Arbeit haben.
Uneinigkeit herrscht auch unter dem Video von Jaqueline Morris. Während die meisten Kommentare ihre Theorie bestätigen und sich viele in einer ähnlichen Situation wie Morris sehen, schreibt beispielsweise ein User namens Frankie: „Ich widerspreche dem nur, weil ich zum Direktor befördert wurde und sowohl gut in meinem Job war, als auch menschlich angenehm … es ist also möglich.“ Was er allerdings noch hinzufügt: „Man braucht gute Verbündete auf höheren Ebenen.“