Tiramizoo: Same-Day-Delivery für den deutschen Online-Handel
Mit einem „Klirr“ zerbricht die Milchflasche. „Herrlich, jetzt darf einer von uns einkaufen gehen“ denken die Eltern. Während nebenan die Kinder sitzen, auf das Frühstück warten, die Zeit tickt und tickt und der Arbeitsbeginn auch in großen Sprüngen naht. Würde die Familie in einer Großstadt auf dem nordamerikanischen Kontinent wohnen, würde der nächste Griff zum Telefon führen und ein naher Supermarkt wäre mit einem Fahrradkurier und einer Milchflasche behilflich. Eventuell nicht mit Milch alleine, da stehen die Versandkosten nicht im Verhältnis zum Warenwert, sondern mit einem Vormittagseinkauf – aber trotzdem. Auch wenn das Beispiel konstruiert klingt, ist es nahe am Alltag. Geschäftskunden finden sich vielleicht eher beim fehlenden Computer-Ersatzteil, der leeren Tonerkartusche oder einer Ersatz-Glühbirne für den Beamer wieder. Beiden dürfte eines gemeinsam sein: Sie profitieren vom sogenannten „Same-Day-Delivery“, der Waren-Lieferung am selben Tag.
Same-Day-Delivery als Alleinstellungsmerkmal
Shutl mit Sitz in Großbritannien betreibt einen solchen Lieferservice, Google Express und eBay Express stehen vor dem Start in den USA und der E-Commerce-Riese Amazon bietet in einigen US-Großstädten bereits „Same-Day-Delivery“ an. Zumindest in den USA vergeht kein Tag ohne eine Ankündigung. Viele Stimmen preisen die Lieferung am selben Tag als notwendige und unausweichliche Entwicklung an, so auch eBay-CEO John Donahoe. Es zeichnet sich ab, dass viele der großen Anbieter diesen Service als Alleinstellungsmerkmal nutzen möchten. Grundsätzlich freut man sich als Kunde ja über eine solche Entwicklung, es darf dabei aber nicht in Vergessenheit geraten, dass diese Dienstleistung Geld kostet. Der Mehraufwand für den Logistiker muss bezahlt werden, denn sobald der erste Big-Player den Dienst kostenlos anbietet, stellt sich wieder die kritische Frage nach den unterbezahlten Pack- und Logistikkräften. Oder die Mehrkosten werden stillschweigend von allen Kunden über den Kaufpreis mitgetragen. Die Warnung ist berechtigt, man erwartet mittlerweile schnelle und am besten kostenlose Lieferung, wir Kunden sind ja verwöhnt, wie Olaf Kolbrück von etailment schon im Dezember so schön titulierte.
Tiramizoo liefert momentan in 15 deutschen Großstädten
Das deutsche Start-Up Tiramizoo bringt schon seit einiger Zeit die Lieferung am selben Tag nach Deutschland. In einigen Großstädten können Bestellungen bereits innerhalb von wenigen Stunden beim Kunden sein. Gerade an Weihnachten hat Tiramizoo damit sowohl den Kunden als auch Händlern wie Thalia, Hugendubel oder Notebooksbilliger.de das Leben leichter gemacht. In der Internet World Business berichtet Ulrich Kaleta, der Marketing-Direktor bei Notebooksbilliger.de, die ersten Erfahrungen seien „absolut vielversprechend“ und trügen zu einer Umsatzsteigerung bei – Same Day Delivery sei die Erweiterung des Service-Erlebnisses. Für die Auslieferung der Kundenbestellungen hat das Start-Up in den eigenen Liefergebieten verschiedene Kurier-Dienste unter Vertrag, die den Zustell-Auftrag vermittelt bekommen. Streng genommen ist Tiramizoo damit kein Logistikunternehmen, sondern ein Vermittler von Kurier-Diensten.
So funktioniert Tiramizoo
Die Funktionsweise ist aus Kundensicht in einem Satz beschrieben: Insofern man im Liefergebiet von Tiramizoo wohnt, kann einem die Dienstleistung bei teilnehmenden Online-Händlern angeboten werden. Der Kunde muss hier nichts weiter beachten als die Express-Lieferung über Tiramizoo auszuwählen. Der Händler hingegen muss schon zwei Bedingungen erfüllen: Er muss im Liefergebiet das Kunden ein Lager haben und der Kunde muss in einem Liefergebiet wohnen, das Tiramizoo auch beliefern kann. Die Anmeldung führt sofort in die Auftragsmaske, eine Anbindung an den Händler-eigenen Onlineshop ist nicht zwingend nötig – aber zusätzlich möglich. Die Aufträge zur Lieferung können direkt über den Kundenbereich bei Tiramizoo aufgegeben und auch bezahlt werden. Im t3n-Praxistest stand der Tiramizoo-Account sofort zur Verfügung, und Abholung und Lieferung hätte noch am selben Abend erfolgen können. Zur Anbindung an einen Webshop steht momentan ein Modul für Oxid und xt:Commerce zur Verfügung, Magento soll bald folgen. Alle Module für Online-Shops und Warenwirtschaftssysteme stehen bei Github zum Download zur Verfügung, für die Tiramizoo-API gibt es eine umfangreiche Dokumentation.
Händler-Konditionen
Die aufgeführten Konditionen sind die Standardkonditionen, die jedem Kunden – auch Privatkunden – unmittelbar nach der Registrierung zur Verfügung stehen. Je nach Volumen dürfte es sich lohnen, eine Rabattstaffel zu vereinbaren.
- Voraussetzung: Lieferung und Abholung müssen im selben Liefergebiet erfolgen.
- Liefergebiete: Berlin, Bochum, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mainz, München, Nürnberg, Stuttgart.
- Lieferkosten: 10,90 bis 14,90 Euro. Rabattstaffelungen möglich.
- Versandversicherung: Jede Sendung ist mit bis zu 10.000 Euro versichert.
- Zahlungsmethoden: Kreditkarte Visa, Mastercard, Rechnung (Nur Firmenkunden).
Fazit
Der „Siegeszug“ der Lieferung am selben Tag dürfte wirklich unvermeidbar sein, wenn auch noch zweifelhaft ist, ob wirklich große Umsatzsteigerungen für den Online-Handel zu erwarten sind. Eventuell wird sich dieser Dienst eher als Premium-Zusatzdienstleistung etablieren. Was wirklich nicht sein muss, ist, dass eine missverstandene Service-Erwartungshaltung dazu führt, das diese Logistik-Dienstleistung kostenlos verschleudert wird. Man darf hoffen, dass hier die großen Anbieter wie Amazon und Co. die „Büchse der Pandora“ nicht unüberlegt öffnen. Sonst bezahlt wieder irgendwer dafür, der dafür gar nicht bezahlen will: die unbeteiligten Kunden, die „normal“ bestellen, oder das Logistik-Personal.
Wenn man mal fertig studiert hat, und sich von Praktikum zu Praktikum hangelt oder als Freiberufler die Kunden nicht bezahlen, lernt man mal wie es am Arbeitsmarkt aussieht.
Leider interessiert die Presse das Thema anscheinend nicht. Die entgangene Lebensarbeitszeit zahlt die Gemeinschaft. Und man muss trotzdem die Pakete bei der Post abholen und Zeit und Geld(Benzin) bezahlen…
10 halte ich für einen Testpreis. In hochbesiedelten Gebieten wie Essen und anderen Großstädten kann man locker auf 5 Euro und weniger heruntergehen. Siehe Pizza-Taxis. Ohne Risiken wäre das längst programmiert und Studenten die in die richtige Richtung fahren würden sich was dazuverdienen. Speziell Bus/Bahn-Pendler bieten sich an und können gigantische Gebiete und ihre Nachbarschaft und Umgebung der Umsteige-Haltestellen günstig abdecken und überall sind Kioske oder Imbisse/Pizzerien/Currybuden/Döner-Shops wo man Waren zwischenlagern kann.
Handies scannen die Barcodes/QR-Codes bei Übergabe und die Waren fliessen quasi harvested weil eh jemand in die richtige Richtung fährt und sich damit was dazuverdient… .
Ich find sehr toll, dass so ein Service mal frühzeitig aus deutschen Landen kommt. Hut ab.
Ich bin geschockt, dass ein Unternehmen wie Tiramizoo den SmartCamp Award 2014 gewinnen konnte, der ausgerechnet von einem selbsternannten Startup-Ökosystem bzw. konkret von Iceventure unterstützt wird. Insidervorwurf: Tiramizoo vermittelt ausschließlich defizitäre Einzelfahrten zu Lasten der Umwelt und auf Kosten der Fahrer. Es wird weder auf Nachhaltigkeit noch auf Datenschutz im Sinne der Kunden oder der Auftraggeber wert gelegt. Mit frei erfundenen Angaben zu Kunden, Mitarbeitern und Partnern wird hier ein rosa Ballon aufgeblasen der bereits vor einem Jahr geplatzt ist. Hat bei IBM keiner den Knall in der Cloud gehört? Hätte man das Seifenblasensystem Same-Day-Delivery in der Höhle der Löwen auf Vox vorgestellt wäre nach weniger als drei Minuten Schluss mit dem Zirkus gewesen. Ganzer Leserbrief hier: ( http://tinyurl.com/oxf3qwm ).
J. Berger http://www.samedaydelivery.today
samedaydelivery.today@gmail.com