Selbstwirksamkeit: Wie du den schmalen Grat zwischen Selbstbewusstsein und Überforderung meisterst
Es fühlt sich toll an, sich selbst so richtig zu überfordern. Klingt komisch? Dann beobachte dich einmal selbst. Der Fokus liegt hier auf „sich selbst“, nicht auf überfordern. Aber diese Abende, an denen du durchgepowert hast? Dieser Lauf an den Tagen, als es noch nicht so heiß war? Dieses Projekt, das dich an deine Grenzen gebracht hat und bei dem du jenseits deiner Grenzen ganz neue Fähigkeiten entdeckt hast?
War das schön.
In einem guten Arbeits- und Lebensumfeld entdecken manche Menschen etwas in sich, das sie stark und selbstsicher macht. Die Psychologie spricht von der Selbstwirksamkeitserwartung, dem Grundvertrauen, den Anforderungen des eigenen Lebens gewachsen zu sein. Das Konzept geht auf den kanadischen Psychologen Albert Bandura zurück. Seine Arbeit widmete er unter anderem dem Lernen: Wie lernen wir neue Dinge? Welche Rolle spielen Vorbilder und Motivatoren dabei? Und eben: Welche Persönlichkeitseigenschaften lassen Menschen erfolgreich tun, was sie tun wollen? Die Selbstwirksamkeit zeigte sich in vielen empirischen Studien als belastbarer Faktor.
Der Knackpunkt bei der toxischen Selbstwirksamkeit
Sprechen wir über New Work, also Arbeitsbedingungen, mit denen es Menschen gut geht und bei denen sie Leistung erbringen können, dann sprechen wir – ich auch, oft – über Selbstwirksamkeit.
Doch über das Konzept der Selbstwirksamkeit müssen wir noch einmal reden. Denn natürlich ist es eine gute Sache, an sich selbst zu glauben und an die eigenen Fähigkeiten. Die Selbstwirksamkeitserwartung kann jedoch in eine Überforderung münden. Schauen wir genauer hin, dann kann die Selbstwirksamkeitserwartung Menschen dazu bringen, ewig zu streben – straight in den Burn-out. Statt eines stärkenden Faktors sehen wir plötzlich eine toxische Selbstwirksamkeit.
Das gilt insbesondere, wenn sie unkritisch angewandt wird. Menschen werden zunehmend dazu erzogen, an sich selbst zu glauben. Gepaart mit einem Leistungsideal, wie es in vielen Branchen erfolgswirksam vorherrscht, kann dies in die Überforderung führen: „Ich glaube an mich selbst, ich soll an mich glauben, ich muss an mich glauben, ich habe vergessen, woran ich glaube, aber ich laufe weiter.“ Diese Menschen laufen direkt vor eine Wand.
Wie Selbstwirksamkeit wirklich funktioniert
Es reicht also nicht, an sich zu glauben. Menschen werden zu übertakteten Grafikkarten, die natürlich brav an sich glauben und die natürlich gut laufen – die aber irgendwann abrauchen.
Was tun? Die Selbstwirksamkeit muss um einen gewissen Realismus ergänzt werden. Bandura selbst tut das in seiner sozial-kognitiven Theorie mit den Handlungsergebniserwartungen und den soziostrukturellen Faktoren. Wie so oft in der populären Psychologie liegt das Problem also nicht beim Erfinder, sondern bei uns Anwendenden. Konkret bedeuten die Faktoren:
- Selbstwirksamkeitserwartungen: Trage ich in mir, was ich brauche, um es hinzukriegen?
- Handlungsergebniserwartungen: Was passiert, wenn ich es mache?
- Soziostrukturelle Faktoren: Was sagen die anderen? Und auf welche Hindernisse werde ich stoßen?
Alle Faktoren wirken nach Bandura auf unsere Ziele, die Selbstwirksamkeit wirkt zusätzlich auf unsere Fähigkeit, etwas umzusetzen. Letztere ist also nicht das Problem. Denn wer auf den Burn-out zusteuert und leistungsorientiert ist, der kriegt sicher beides hin: das Erreichen des Ziels und den Burn-out.
Wer den Burn-out nicht will, braucht bessere Ziele. Ziele, die denn wichtigsten Faktor des Prozesses als relevant ansehen: den Menschen selbst. Du, dich selbst, von dir spreche ich.
Gelingt diese umfassendere Betrachtung, dann finden Menschen einen Sweet Spot für ihre Performance. Und ja, nennen wir es beim Namen: Das bedeutet, dass du weniger machen wirst. Du wirst Dinge anders machen. Du wirst Feierabend machen (gruselig, ich weiß). Aber du wirst dafür auch länger durchhalten. Auch nicht schlecht, oder?