Resilienz ist der Softskill unserer Generation. Wer arbeitet, der soll aushalten, dass sich die Ansprüche und Bedingungen an Arbeitnehmende ständig verändern, so heißt es offiziell. Hinzufügen sollte man: Nicht immer sind diese Bedingungen fair. Und manchmal sind sie menschengemacht.
Der Begriff der Resilienz passt wunderbar in die Ära der Human-Resources, der menschlichen Rohstoffe. Er stammt aus der Materialkunde und beschreibt, was ein bestimmter Stoff aushält, bevor er reißt, bricht oder irreversibel verändert wird, und wie schnell er wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehren kann. Positiver ausgedrückt können wir sagen: Resilienz ist gesund, denn wer mehr aushält, der wird mit geringerer Wahrscheinlichkeit krank.
Resilienz braucht einen Menschenfokus
Es ist also ein echtes Aushalten. Eines, bei dem die Belastung nicht verdrängt oder versteckt wird, sondern bei dem schwierige Zeiten weniger wehtun, als wenn die Resilienz weniger ausgeprägt ist. Das gilt für Menschen, wie es auch für Unternehmen gilt.
Im Global Crisis and Resilience Survey 2023 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC berichteten 83 Prozent der befragten Führungskräfte aus Deutschland, dass Resilienz zu ihren wichtigsten strategischen Prioritäten gehöre. Bei der Umsetzung hakt es allerdings, vor allem im Vergleich mit internationalen Unternehmen. Um sich gegen Cyberangriffe, Lieferkettenunterbrechungen und Personalmangel zu wappnen, setzen die Konzerne auf Technologie. Und die Menschen?
Wie wird man resilient?
Vier Faktoren tragen dazu bei, dass Menschen besser durch schwere Zeiten kommen. Und für gewöhnlich lautet die Anschlussfrage dann: Wie können unsere Kolleg:innen sie trainieren? Ich schlage eine andere Frage vor: Wie könnt ihr gute Bedingungen schaffen, damit diese Faktoren gestärkt werden? Mit dieser Frage werdet ihr mehr erreichen. Aber hier sind sie nun:
1. Kontrollüberzeugung
Können die Menschen im Team beeinflussen, wie sich ihre Lage entwickelt? Wer spürt, dass seine Handlungen etwas bewirken, der wird sich dafür einsetzen, schwierige Zeiten gut zu überstehen. Wer Kontrollüberzeugung im Team schaffen will, der spiegelt den Mitgliedern, was sie bewirkt haben.
2. Selbstwirksamkeitserwartung
Artverwandt ist die Selbstwirksamkeitserwartung. Sie besagt, dass ein Mensch spürt, einer Situation gewachsen zu sein und negative Konsequenzen vermeiden zu können. Das führt dazu, dass Menschen sich mehr reinhängen, berichtet unter anderem eine Studie der Charité in Berlin. Wer die Selbstwirksamkeitserwartung stärken will, der lässt sein Team schon am Beginn einer neuen Herausforderung sein Vertrauen spüren. Es hilft, sich dabei auf bereits bewältigte Aufgaben zu beziehen.
3. Optimismus
Optimismus kommt gerade aus der Mode. Schade! Denn Optimismus hat in der psychologischen Forschung durchaus einen Wert. Wer erwartet, dass die Zukunft gut wird, der fühlt sich besser, und das macht gesund und stärkt messbar die Leistungsfähigkeit. Offensichtlicher noch als die anderen drei Faktoren ist Optimismus ein Stress-Killer. Wer den Optimismus stärken will, der sollte ihn vorleben – aber mit Fingerspitzengefühl.
4. Neurotizismus
Neurotizismus ist ein Persönlichkeitsmerkmal. Das bedeutet: Es ist kurzfristig nicht veränderbar, große Lebensereignisse können es aber beeinflussen. Wer einen ausgeprägteren Neurotizismus-Wert hat, neigt eher zu negativen Emotionen, ist schneller nervös oder ängstlich und empfindet Stress stärker. Wer ein resilientes Team schaffen will, der geht auf diese Menschen ein und gibt ihnen Sicherheit.
Resilienz: Wer tut was für wen?
In der Resilienz-Literatur wird oft über persönliche Stärken gesprochen. Das ist grundsätzlich richtig – lässt aber viel Potenzial ungenutzt. Natürlich ist es schön, wenn Bewerber:innen Resilienz mitbringen. In aktuellen Stellenanzeigen wird Resilienz gefordert für Sachbearbeitende im Landratsamt, Assistent:innen der Geschäftsführung (Finger weg!), Nachtportiers in Hotels und die Oberin einer Schwesternschaft (das klingt nach einer guten Geschichte).
Wirklich fragwürdig ist, wie viele Stellen für Auszubildende Resilienz fordern. Die Wissenschaft hat besteigt, was jede:r mit mehr als zwanzig Minuten Berufserfahrung auch beobachtet haben dürfte: Resilienz kommt für viele Menschen (Ausnahmen gibt’s natürlich) erst mit dem mittleren Alter. Nicht jede:r wird sie also mitbringen.
Resilienz lässt sich durchaus stärken. Das beginnt schon dabei, dass Führungskräfte oder Kolleg:innen mit Einfluss ihren Teammitgliedern spiegeln können, dass sie an ihre Fähigkeiten glauben. Resilienz kann weder angeordnet noch angelesen werden. Resilienz ist eine Folge von Persönlichkeitsmerkmalen und Umweltbedingungen. Und auf die hat jede:r Einfluss – am stärksten aber jene Menschen, die eine Teamkultur gestalten können.