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„Unbegrenzter Vorrat an transplantierbaren Organen“: Für ihre Vision benötigt Martine Rothblatt 3D-Drucker

Martine Rothblatt träumt von dem Tag, an dem transplantierbare und 3D-gedruckte Organe leicht verfügbar sein werden und unzählige Leben retten – auch das ihrer Tochter.

Von MIT Technology Review Online
12 Min.
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Illustration: Michael Byers

Als die US-Unternehmerin Martine Rothblatt 2015 zu einem Wissenschaftsmeeting in West Point einflog, landete sie ihren Hubschrauber selbst. Die Flugleistung der begeisterten Pilotin stand zu der Zeit im Guinness-Buch der Rekorde. In West Point wollte sie allerdings Technologien diskutieren, die die Verfügbarkeit von Transplantationsorganen verbessern könnten. Ihre Ankunft weckte dann auch Assoziationen zur Lieferung eines in Trockeneis verpackten Organs, das gerade noch rechtzeitig eintrifft, um das Leben eines Menschen zu retten.

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So dramatisch wie Rothblatts Auftritt ist auch ihre persönliche Geschichte. Sie war bereits eine erfolgreiche Unternehmerin in der Satellitenbranche, als bei ihrer Tochter Jenesis eine tödliche Lungenkrankheit diagnostiziert wurde. Daraufhin gründete sie das Biotech-Unternehmen United Therapeutics, um Medikamente zu entwickeln, die heute vielen Patienten wie Jenesis helfen zu überleben. Da ihre Tochter aber trotz der Medikamente womöglich eines Tages eine Lungentransplantation braucht, hat sich Rothblatt vorgenommen, auch dieses Problem zu lösen. Sie will Technologien entwickeln, um einen „unbegrenzten Vorrat an transplantierbaren Organen“ zu schaffen.

Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 2/2023 von MIT Technology Review erschienen. Hier könnt ihr das Heft als pdf-Ausgabe bestellen.

Warteliste für Transplantationen

Der Bedarf ist groß. Auf der Warteliste für Transplantationen stehen in den USA zu jeder Zeit etwa 100.000 Menschen. Selbst bei einer Rekordzahl von 41.356 Transplantationen im vorvergangenen Jahr in den USA starben 6.897 Menschen während der Wartezeit. Viele Tausend weitere haben es nie auf die Liste geschafft. In Deutschland warten laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation 8.500 Menschen auf ein neues Organ.

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Illustration: Michael Byers

In West Point zeigte die Unternehmerin die Architektenzeichnung einer Organfarm: Auf einem üppigen grünen Rasen waren deren röhrenförmige Abschnitte auf skurrile Weise in einem Schneeflockenmuster verbunden. Auf den Dächern gab es neben Solarzellen auch Landeplätze für elektrische Drohnen. Das Gebäude sollte 1000 genetisch veränderte Schweine beherbergen, die unter streng keimfreien Bedingungen leben. Dazu gab es einen Operationssaal und Tierärzte, die die Schweine einschläfern, bevor sie ihnen Herz, Niere und Lunge entnehmen. Diese lebensrettenden Organe, die mit dem menschlichen Organismus kompatibel sind, würden in Drohnen verladen und zu den Transplantationszentren geflogen.

Was damals nur eine Vision Rothblatts war, ist im September 2021 der Realität ein ganzes Stück näher gekommen. Zu dem Zeitpunkt verband der Chirurg Robert Montgomery von der New York University (NYU) eine Niere von einem gentechnisch veränderten Schwein aus Rothblatts Unternehmen mit einem hirntoten Menschen. Das Experiment sollte zeigen, ob die Niere überlebt. Das tat sie. Seitdem haben US-Ärzte weitere Transplantationen von Schweinen zu hirntoten Menschen unternommen.

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Beim „Trans-Everything CEO“

Die erste Transplantation an einem lebenden Menschen fand 2022 in Maryland statt, als ein 57-jähriger Patient mit schwerer Herzinsuffizienz namens David Bennett zwei Monate lang mit einem von Rothblatts Firma gelieferten Schweineherz lebte. Auch wenn Bennett schließlich starb, ging das Experiment dennoch als die erste lebenserhaltende Organtransplantation vom Schwein zum Menschen in die Medizingeschichte ein.

Im Mittelpunkt all dieser Ereignisse steht Rothblatt, eine Juristin mit einem Doktortitel in medizinischer Ethik, die das New York Magazine als „Trans-Everything CEO“ bezeichnet hat. Das liegt nicht nur daran, dass sie ab ihrem 40. Lebensjahr als Frau lebte, wie sie in ihrem Buch From Transgender to Transhuman erzählt. Sie arbeitet auch als Philosophin an einer Ethik der Zukunft. Sie setzt sich für die Bürgerrechte von Computerprogrammen ein, vergleicht die traditionelle Geschlechtertrennung mit der Rassenapartheid, hat die transhumanistische Religion Terasem gegründet und ist der Meinung, dass „der Tod optional und Gott technologisch ist“. Sie ist eine offene Befürworterin der menschlichen Unsterblichkeit, sei es durch die Schaffung von Softwareversionen lebender Menschen oder vielleicht durch den Ersatz ihrer Organe im Alter.

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Martine Rothblatt gründete das Biotech-Unternehmen United Therapeutics, nachdem bei ihrer Tochter Jenesis eine tödliche Lungenkrankheit diagnostiziert wurde. (Foto: Andre Chung)

Seit die Organtransplantationen bei Schweinen für Schlagzeilen sorgten, berichtet Rothblatt auf medizinischen Kongressen über ihre Arbeit. Anrufe von Journalisten, darunter auch von mir, lehnte sie jedoch ab. Der Grund: „Ich habe mir versprochen, keine Interviews mehr zu geben, bis ich etwas erreicht habe, das ich für erzählwürdig halte“, schrieb sie in einer E-Mail.

Der nächste große Schritt für Schweineorgane wird eine klinische Studie mit Menschen sein, um zu beweisen, dass sie dauerhaft Leben retten können. Über ihre Durchführung beraten United Therapeutics und zwei Konkurrenten, eGenesis und Makana Therapeutics, die jeweils über eigens angepasste Schweine verfügen, derzeit mit der US-Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration). Studien zu Nierentransplantationen werden wahrscheinlich die ersten sein. [Anmerk. d. Redaktion: Inzwischen gab es insgesamt drei Menschen mit implantierten Schweineorganen.]

Robert Montgomery ist angesichts der bisherigen Personen, die Schweineorgane erhielten, zwar optimistisch. Aber er erwartet nicht, dass Schweineorgane die Mensch-zu-Mensch-Transplantation ersetzen werden. Denn angesichts etwa der hohen Erfolgsrate von Nierentransplantationen, die in 98 Prozent der Fälle gelingen und oft zehn bis 20 Jahre halten, ist klar, dass Schweineorgane mit ziemlicher Sicherheit nicht so gut sein werden. Sollten Schweineorgane aber wirklich unbegrenzt zur Verfügung stehen, könnten plötzlich bedeutend mehr Menschen für eine Transplantation infrage kommen, die derzeit aufgrund von strengen Transplantationsvorschriften und -verfahren gar nicht erst berücksichtigt werden.

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„Viele Menschen kommen gar nicht auf die Warteliste, weil es an Organen mangelt. Nur die idealsten Patienten werden auf die Liste gesetzt – diejenigen, bei denen die Wahrscheinlichkeit am größten ist, dass es ihnen anschließend gut geht“, sagt Montgomery. „Wenn es unbegrenzt viele Organe gäbe, könnte man die Dialyse ersetzen, die Herzunterstützungsgeräte ersetzen und sogar Medikamente ersetzen, die nicht so gut wirken. Ich glaube, es gibt eine Million Menschen mit Herzinsuffizienz, und wie viele bekommen ein Transplantat? Gerade einmal 3.500.“

Ein krankes Kind

Vor ihrer Biotech-Karriere hatte Rothblatt ein Satellitenunternehmen gegründet; sie hatte früh erkannt, dass mit einem ausreichend starken Satelliten in einer stationären Umlaufbahn über der Erde Empfänger auf die Größe einer Spielkarte schrumpfen könnten. Aus dieser Idee wurde SiriusXM Radio geboren. Doch Anfang der Neunzigerjahre gerieten ihre Pläne ins Wanken, als bei ihrer kleinen Tochter eine pulmonale arterielle Hypertonie diagnostiziert wurde. Bei dieser seltenen Krankheit ist der Druck in der Arterie zwischen Lunge und Herz zu hoch. Die Krankheit verläuft innerhalb weniger Jahre tödlich.

Statt den Kopf in den Sand zu stecken, verließ Rothblatt die Intensivstation, auf der ihre Tochter lag, und las in der Krankenhausbibliothek alles über die Krankheit. Dabei erfuhr sie von einem Medikament mit dem Wirkstoff Treprostinil-Natrium, das den arteriellen Druck senken konnte, aber vom Pharmariesen Glaxo eingemottet worden war. Sie bedrängte das Unternehmen so lange, bis Glaxo ihr das Medikament für 25.000 US-Dollar und einer zehnprozentigen Gewinnbeteiligung verkaufte. Rothblatt erhielt im Gegenzug einen Beutel der Chemikalie, ein Patent und die Warnung, dass das Medikament niemals wirken würde.

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Tatsächlich wurde es 2002 zugelassen und beschert United seither einen Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Dollar. Zwar sind nur wenige Tausend Menschen von der Krankheit betroffen, aber diese nehmen den Wirkstoff nun regelmäßig ein, um zu überleben. Für Rothblatt ist das Medikament jedoch nur eine lebensverlängernde Brücke zu einer Lungentransplantation – für die es jedoch nicht annähernd genug menschliche Spenderlungen gibt, um allen Betroffenen zu helfen.

Zu dieser Zeit standen Xenotransplantationen, also die Übertragung von Tierorganen auf Menschen, noch unter keinem guten Stern, denn zu dem Zeitpunkt wurden Schweineorgane vom menschlichen Immunsystem noch in einer „hyperakuten“ Abstoßung innerhalb von Minuten oder maximal Stunden zerstört. Schuld an dieser extremen Abwehr ist vor allem ein für Schweinezellen typisches Zuckermolekül auf der Oberfläche aller Schweinezellen: Alpha-Gal.

2011 kaufte United Therapeutics für 7,6 Millionen Dollar das angeschlagene Biotech-Unternehmen Revivicor. Es hatte sich unter seinem früheren Namen PPL Therapeutics 1996 mit dem Klon-Schaf Dolly durch den schottischen Wissenschaftler Ian Wilmut einen Namen gemacht. Revivicor war auch auf das Alpha-Gal Problem aufmerksam geworden und züchtete bereits Schweine, auf deren Organen dieser Zucker fehlte – in der Hoffnung, dass damit die Abstoßung der Schweinezellen durch das menschliche Immunsystem weniger radikal ausfällt. Da Rothblatt bewusst war, dass Patienten wie Jenesis die Zeit davonlief, setzte sie sich eine zehnjährige Deadline, um weitere acht bis zwölf Gene für eine noch bessere Anpassung an den Menschen zu finden.

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Bis einschließlich vorletztes Jahr hatte United zehn Genveränderungen implementiert. Drei davon waren „Knockouts“, also Schweinegene, die stillgelegt wurden. Weitere sechs Modifikationen waren menschliche Genergänzungen, die als Tarnkappe die Unterschiede zwischen den Immunsystemen von Schweinen und Menschen überdecken sollten. Als letzter Feinschliff sollte ein Rezeptor deaktiviert werden, der auf Wachstumshormone anspricht. Schweineorgane sind größer als menschliche und diese Änderung sollte verhindern, dass die Spenderorgane zu groß werden.

Organe mit diesen Veränderungen haben sich bei Affen in Kombination mit neuen immunsupprimierenden Medikamenten als erfolgreich erwiesen. „Die genetischen Veränderungen sind unglaublich. Wir hatten Primaten, die ein Jahr lang mit einer gut funktionierenden Schweineniere gelebt haben“, sagt Leonardo Riella, Leiter der Nierentransplantation am Massachusetts General Hospital in Boston.

Einsatz im Menschen?

2021 waren dann einige Transplantationschirurgen bereit, die Organe an Menschen auszuprobieren – und auch Rothblatt stand bereit. Doch im Herbst verlangte die FDA weitere Affenversuche, die erst alle geplanten Verfahren, Medikamente und Tests standardisieren sollten. Die Behörde wollte auch den erwähnten konsistenten Beweis dafür sehen, dass die Organe im Affen ein halbes Jahr oder länger durchhielten.

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Dem Transplantationschirurgen Bartley Griffith zufolge, der das erste Schweineorgan in einen lebenden Menschen verpflanzt hatte, kostete jedes dieser Experimente allerdings 750.000 Dollar. Mehrere Ärzte waren zudem überzeugt, dass Affenversuche ihnen nicht mehr viel sagen konnten. „Wir verließen die Sitzung mit dem Gedanken: ‚Heißt das, wir sind für die nächsten Jahre dazu verurteilt, so weiterzumachen wie bisher?‘“, erinnert sich Griffith. Die Chirurgen wollten stattdessen wissen, wie sich die Organe in einem Menschen verhalten.

NYU-Chirurg Montgomery, der die erste United-Therapeutics-Niere eingesetzt hatte, erinnert sich an das stundenlange Gespräch mit Rothblatt, nachdem ihr Unternehmen dem Experiment an dem hirntoten, an ein Beatmungsgerät angeschlossenen Patienten zugestimmt hatte. Für hirntote Personen ist keine FDA-Zulassung erforderlich. „Das Problem bei einem Xenotransplantat ist, dass es viel komplexer ist als ein Medikament. Und das war bisher seine Achillesferse. Deshalb ist es bei Tiermodellen geblieben“, sagt Montgomery. „Dies war nun ein Versuch, einen Zwischenschritt zu gehen, um es in die Zieltierart zu bringen.“ Die Operation fand im September 2021 statt, und das Organ war nur 54 Stunden lang mit dem Patienten verbunden.


Chirurgen der Langone-Health-Klinik der New York University bereiten 2022 eines der gentechnisch angepassten Schweineherzen für die Transplantation in eine hirntote Person vor.
Foto: Joe Carotta for NYU Langone Health

Derweil entwickelte Griffith in Maryland eine andere Strategie. Er bat die FDA um die Genehmigung einer „compassionate use“-Studie – einer Behandlung aus Mitgefühl – und zu seiner Überraschung stimmte die Behörde zu. Anfang 2022 transplantierte er also ein Schweineherz in die Brust von David Bennett, einem Mann mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, der für eine menschliche Herztransplantation nicht infrage kam. Rothblatt zufolge wurde Bennett vor der Operation von vier Psychologen befragt, ob er sich über die Tragweite seiner Entscheidung bewusst sei.

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Der NYU-Bioethiker Arthur Caplan hält solche einzelnen Transplantationen zur Informationsgewinnung allerdings für ethisch problematisch. „Die Ärzte denken: ‚Der Typ ist todgeweiht, vielleicht können wir etwas lernen.‘ Aber der Mann denkt: ‚Vielleicht kann ich überleben und eine Brücke zu einem menschlichen Herzen bekommen‘“, sagt Caplan. Es sei ein Experiment durch die Hintertür.

Schweineviren, die die Transplantation gefährlich machen

Obwohl Bennett nur zwei Monate überlebte, verbuchte Rothblatt dies als Erfolg. Schließlich gab es selbst bei der Autopsie keine offensichtlichen Anzeichen dafür, dass das Organ abgestoßen worden war. Es war genau das Ergebnis, auf das sie hingearbeitet hatte. „Wir können nicht wissen, ob wir in der vorgegebenen Zeit ein besseres Herz hätten herstellen können. Aber dieses Herz mit zehn veränderten Genen schien sehr gut zu funktionieren“, sagte sie im April 2023 vor einem Ärztepublikum.

Allerdings hatte Rothblatt in ihren Vorträgen einen schwerwiegenden Fehler verschwiegen, von dem einige Ärzte vermuten, dass er für den Tod des Patienten verantwortlich ist. Als Bennett noch im Krankenhaus lag, entdeckten Forscher bei einem Bluttest, dass das transplantierte Herz mit einem Schweinevirus, dem porcinen Cytomegalovirus, infiziert war.


Mit ALIA-250-Elektrofliegern will United Therapeutics ab 2024 seine an den Menschen angepassten Schweineherzen an Krankenhäuser liefern.
Foto: Beta Technologies

Am nächsten kam Rothblatt einem öffentlichen Eingeständnis des Problems, als sie einem Rechtsausschuss der Nationalen Akademie der Wissenschaften sagte: „Wenn ich es mit den Worten eines Laien ausdrücken sollte, hat das Herz den Patienten nicht im Stich gelassen.“ Allerdings waren die Schweine von United angeblich getestet und frei von Keimen. Fragen dazu wollte Rothblatt nicht beantworten.

United Therapeutics baut nach eigenen Angaben derzeit eine neue, keimfreie Schweineanlage, die 2022 fertiggestellt sein und die für 2024 geplante klinische Studie unterstützen sollte. Rothblatt ist überzeugt, dass eine einzige Einrichtung das ganze Land mit Organen versorgen und diese mit vollelektrischen Organtransporten aus der Luft anliefern könnte. Im Sommer 2022 sei das Luftfahrtunternehmen Beta Technologies, in das sie investiert habe, mit einem Elektroflugzeug knapp 2.000 Kilometer von New York nach Arkansas geflogen.

Lungen nicht von Schweinen, sondern aus dem 3D-Drucker

Ironischerweise werden Schweine jedoch vermutlich nie die Lungen liefern, die Rothblatts Tochter bräuchte. Das liegt daran, dass Lungen empfindlich und anfälliger für Immunangriffe sind. Jedes Mal, wenn das Unternehmen die Schweine einer neuen Genveränderung unterzog, hielten die in Affen transplantierten Herzen und Nieren ein paar Wochen oder Monate länger. Die Lungen allerdings taten das nicht. Sie hielten nach der Transplantation in Affen stets gerade mal zwei Wochen und versagten dann plötzlich.

Zur Herstellung von Lungen setzt Rothblatt deshalb auf einen anderen Ansatz und baut ein Unternehmen auf, das die Organe per 3D-Druck herstellen soll. Derzeit arbeitet es in einer ehemaligen Textilfabrik in Manchester im Bundesstaat New Hampshire, wo Forscher detaillierte Lungenmodelle aus Biopolymeren drucken. Die Idee ist, diese Strukturen mit menschlichen Zellen zu besiedeln, die aus dem Gewebe von Patienten stammen. Das soll das Risiko einer Immunabstoßung minimieren.

Im vorvergangenen Frühjahr stellte Rothblatt eine Reihe von gedruckten Lungen vor, die sie als „die komplexesten bislang 3D-gedruckten Objekte“ bezeichnete. Nach Angaben von United umfasst die schwammartige Struktur von der Größe eines Fußballs 4000 Kilometer Kapillarkanäle, die Lungenbläschen detailliert nachahmen, und insgesamt 44 Billionen Voxel, also einzelne gedruckte Stellen.

Für den Druck richtet ein Projektor Lichtstrahlen auf ein Polymer, das an diesem Punkt fest wird. Zwar dauert das Drucken von so detaillierten Strukturen wie einer Lunge bis zu drei Wochen. Doch die Methode erlaubt die Herstellung jeder beliebigen Form, bis hinunter zur Größe einzelner Zellen. Das sei so präzise, als weiche ein Auto bei der Fahrt quer durch die USA nie mehr als um eine Haaresbreite von der Mittellinie ab.

„Ich glaube tatsächlich, dass es keinen Teil des Körpers gibt, der nicht in 3D gedruckt werden kann, einschließlich Dickdarm und Hirngewebe“, sagte Rothblatt bei der Präsentation der gedruckten Lungengerüste im Juni letzten Jahres in Kalifornien.

Nicht alle Wissenschaftler teilen ihre Überzeugung, sondern glauben, dass das Bioprinting ein Forschungsprojekt bleibt. Sie stellen sogar infrage, dass die leblosen Polymere, egal wie detailliert sie sind, mit einem echten Organ verglichen werden sollten. „Bis zu einer Lunge ist es noch ein weiter Weg“, sagt Jennifer Lewis, die sich an der Harvard University mit Bioprinting beschäftigt. „Ich möchte die Entwicklung nicht behindern, und es wurden erhebliche Investitionen getätigt, sodass einige kluge Köpfe darin eine Chance sehen. Aber aus meiner Sicht wurde das Ganze ziemlich aufgebauscht. Es ist ein Gerüst, eine schöne Form, aber es ist keine Lunge.“ Gemeinsam mit anderen Forschern bezweifelt sie, dass es möglich sein wird, den gedruckten Strukturen echtes Leben einzuhauchen. Wenn menschliche Zellen in ein Gerüst gesät würden, sei das keine Garantie dafür, dass sie sich zu funktionierendem Gewebe mit den komplexen Funktionen einer Lunge organisierten.

Rothblatt sieht statt Zweifeln ihre nächste Chance, Probleme zu lösen, die andere nicht lösen können. Während einer Ansprache vor Chirurgen im Jahr 2022 ratterte sie die Liste der bevorstehenden Herausforderungen herunter, einschließlich der Züchtung der Billionen von Zellen, die benötigt werden. „Was ich weiß, ist, dass dies nicht gegen die Gesetze der Physik verstößt“, sagte sie und prophezeite, dass die ersten gedruckten Lungen noch in diesem Jahrzehnt in die Brusthöhle eines Menschen eingesetzt würden.

Der Artikel stammt von Antonio Regalado. Er ist Redakteur bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review. Regalado schreibt über Themen aus der Biomedizin.
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