E-Scooter erobern Europa – bald auch in Deutschland?
Wer einen Einblick in die mögliche Zukunft der Mobilität in deutschen Innenstädten erhalten will, der ist in Kopenhagen genau richtig. Oder in Antwerpen, wo sich die Elektro-Tretroller ebenso im Stadtbild etabliert haben wie in Paris, Malmö oder Wien. Und in Deutschland?
Verkehrsminister Scheuer will E-Scooter zulassen
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will E-Scooter zulassen und sieht darin ergänzend zum öffentlichen Nahverkehr eine „echte zusätzliche Alternative zum Auto“. Ziel ist es, dass die nötigen Vorschriften nach Prüfung in Brüssel und Zustimmung des Bundesrates noch im Frühjahr in Kraft treten können. Ab dann soll das Modell E-Tretroller also auch in Deutschland Schule machen – und zwar nach klaren Regeln.
Die E-Scooter sollen rechtlich wie Fahrräder behandelt werden. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern sollen sie auf Radwegen fahren – wenn es keine gibt, darf auch die Fahrbahn genutzt werden. Bei weniger als zwölf Kilometern pro Stunde gehören die Gefährte auf Gehwege und gemeinsame Geh- und Radwege, nur innerorts geht notfalls auch die Fahrbahn. Eine Helmpflicht ist nicht geplant, aber verpflichtend ein Versicherungsaufkleber, Licht, Klingel und zwei Bremsen.
Tier Mobility will E-Scooter europaweit anbieten
Bis zum Inkrafttreten bleibt den Deutschen derzeit nur der Blick ins Ausland. Vielerorts konkurrieren bereits mehrere Anbieter miteinander, darunter oft das Berliner Startup Tier Mobility, das Stockholmer Unternehmen Voi sowie die kalifornischen Firmen Bird und Lime. Begonnen hat der Trend in San Francisco, mittlerweile können die kleinen Fahrzeuge in Dutzenden europäischen Städten gemietet werden. Andere mögliche Standorte wie Oslo verhandeln mit Anbietern über eine Kooperation. Und dort, wo es Roller gibt, wollen auch andere Firmen Fuß fassen. Der Markt wächst.
Der deutsche Anbieter Tier will bis zum Jahresende in 50 bis 100 Städten aktiv sein. „Wir wollen in allen relevanten Städten in Europa vertreten sein“, sagt Geschäftsführer Lawrence Leuschner. Am liebsten hätte das Startup seine E-Roller als Erstes in Deutschland gesehen. Weil es aber keine Verordnungen gab, schaute man sich zunächst in anderen Ländern um – und wurde in Österreich fündig.
„Wien war sehr offen dafür, alternative Fahrzeuge zuzulassen. Die Infrastruktur dafür ist da sehr gut“, sagt Leuschner. Gleiches gelte für den hohen Norden Europas. „Skandinavien ist ein sehr spannender Markt. Gerade Dänemark und Kopenhagen sind interessant. Die haben gute Radwege und sind sehr offen für alternative Mobilitätskonzepte.“ Ähnlich sieht es Voi-Sprecherin Carro Hjelm: „Kopenhagen hat eine großartige Infrastruktur mit großen Radwegen und jeder Menge Platz für andere Transportarten als Autos“, sagt sie.
Kopenhagen ist Vorbild bei der Rad-Infrastruktur
In der Tat gibt es in keiner deutschen Stadt solch eine Infrastruktur für Radfahrer wie in Kopenhagen, nicht einmal im als Fahrradstadt bekannten Münster. Durch die dänische Hauptstadt führen breite, meist makellos asphaltierte Radwege. Nur auf dem Kopfsteinpflaster im Zentrum wird die Rollerfahrt schwierig. Das Pflaster dürfte Nutzer der E-Scooter auch in deutschen Innenstädten vor Probleme stellen. Hinzu kommen in Städten wie Berlin, Bremen oder München die auch für Radler tückischen Gleise der Straßenbahnen.
Vielerorts wird ausgelotet, wie sich Probleme mit den E-Rollern vermeiden lassen. Im schwedischen Malmö sollen Polizei und Ordnungsamt E-Tretrollerfahrer auf Wunsch der Stadt öfter kontrollieren. Neben zu hohen Geschwindigkeiten und mangelnder Beleuchtung wird bei den rund 800 Rollern von Voi und Lime auch Falschparken und Fahren auf dem Fußgängerweg moniert, wie die Zeitung Sydsvenskan berichtet.
In Wien sind die Scooter seit Herbst auf den Straßen. Touristen und Geschäftsleute nutzen sie vor allem rund um die Altstadt. Vier Anbieter stellen laut Mobilitätsagentur Wien 2.800 Geräte. Rechtlich werden sie auch hier wie Fahrräder behandelt und dürfen daher nicht auf dem Gehweg fahren. Eine ursprünglich für Mieträder geltende Verordnung regelt, dass Fahrräder oder Roller außer in aufgestellten Ständern nicht auf Gehsteigen oder vor kulturell wichtigen Bauwerken abgestellt werden dürfen. Erfahrungen aus dem Boom um Leihräder seien genutzt worden, sagt Kathrin Ivancsits von der Mobilitätsagentur. „Daher war vieles mit Aufkommen der Roller schon geregelt.“
Pilotprojekt zu E-Scootern in Bamberg
Das beschauliche Bamberg könnte nun für den deutschen Markt eine Schlüsselrolle spielen. Bird will seine E-Tretroller dort zum Verleih anbieten, zunächst testweise, dann in einer Pilotphase im echten Betrieb. Laut Stadt und Anbieter ist Bamberg die erste deutsche Stadt, in der solche Roller verfügbar sein sollen. „Es muss nicht immer eine Großstadt sein“, sagt eine Bird-Sprecherin. Bamberg sei ein Ort, an dem man schnell Ergebnisse sehen könne, und auch wegen seiner Uni interessant.
Aus Sicht der Stadtwerke ist das Projekt eine Gelegenheit, neue Möglichkeiten der Mobilität auszutesten, damit Bürger auf ein eigenes Auto verzichten können. „Es soll ein ergänzendes Angebot sein – wenn Sie etwa an der Bushaltestelle aussteigen und dann noch nicht am Ziel sind“, sagt Sprecher Jan Giersberg. Zunächst wurden 15 Scooter von Bird auf Privatgrund ausprobiert. Bis zum Inkrafttreten der Verordnung sollen die ersten Fahrer in Bamberg mit Sondergenehmigung des Straßenverkehrsamts unterwegs sein – die steht aber noch aus. dpa