Unfaire Bewertungen werden zum Problem: Was Händler dagegen unternehmen können
Die dystopischen Visionen, die Onlinehändler des Nachts verfolgen, lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Stellt euch vor, es soll bewertet werden und keiner macht’s – und wenn doch, dann werden unwahre oder bestenfalls unzutreffende Bewertungen abgegeben. Die Bewertungssituation ist aktuell heikel: Nur wenige Kunden tun überhaupt noch ihre Meinung kund, viele Händler kämpfen um jede Bewertung. Kommt dann doch mal eine, dann kann es unter Umständen gleich richtig krachen: Der Händlerverband Händlerbund hat in einer Umfrage ermittelt, dass 95 Prozent der Händler unfaire Bewertungen erhalten. Bei 72 Prozent davon soll der Kunde komplett lügen.
Die Bewertungssituation heute
In der Regel geht es bei diesem Thema weniger um Bewertungen in den eigenen Onlineshops von Händlern, sondern auf Marktplätzen, Preisvergleichsportalen oder externen Bewertungsdiensten. Die Bereitschaft der Kunden, eine schriftliche Beurteilung zu formulieren, hat extrem nachgelassen, wie t3n Redakteur Jochen G. Fuchs in einem Kommentar kürzlich schrieb.
Die sinkende Zahl hat dazu geführt, dass in der Vergangenheit eine ganze Industrie zur Generierung entstanden ist. Von komplett gekauft bis hin zu zusätzlichen Anreiz existierte jede Spielart. Das zehrt an der Glaubwürdigkeit, weshalb Marktplatzbetreiber Amazon seit einiger Zeit mit harten Bandagen gegen den Bewertungsmissbrauch kämpft.
Viele Händler klagen in Facebook-Gruppen und Foren regelmäßig über unfaire Bewertungen. Auch wenn es Fälle gibt, an denen sich die Geister scheiden und der Händler auch mal die Schuld trägt, zeigt die Umfrage vom Händlerbund, dass das Problem signifikant ist. Und steigt: 42 Prozent der Händler beklagen sich, dass es schlimmer geworden ist, bei 50 Prozent ist es zumindest „nur“ gleich geblieben. Lediglich 8 Prozent der Händler geben an, dass das Problem kleiner geworden sei.
Zeigt sich bei eBay beim Umgang mit ungerechtfertigten Bewertungen vergleichsweise eher eine Tendenz zum Händler, geht es dagegen beim Marktplatzbetreiber Amazon eher in Richtung Kunden: Hier wird deutlich seltener aufgrund einer Händleranfrage gelöscht, im Kontrast dazu fallen einige positive Bewertungen auch ungerechtfertigt den konsequenten Aufräumaktionen von Amazon zum Opfer. Die ganze Branche leidet unter schwarzen Schafen, die gekaufte Bewertungen nutzen.
Händlerbund: Umfrage sieht 95 Prozent der Händler mit unfairen Bewertungen konfrontiert
Der Händlerbund definiert unfaire Bewertungen als solche, die „unwahre, unsachliche, beleidigende Aussagen enthalten, bei denen die Produktbeschreibung nicht gelesen wurde, der Käufer das Produkt anders verwendet als vorgesehen, die Bewertung als Druckmittel gegen den Händler dient oder die Bewertung von Umständen erfolgt, auf die der Händler keinen Einfluss habe“.
An der Umfrage haben 1.013 Händler teilgenommen, davon leiden 95 Prozent der befragten Händler unter unfairen Bewertungen. Die betroffenen Händler haben angegeben, dass rund 15 Prozent ihrer Bewertungen unfair seien. Mehr als die Hälfte der Kritik beziehe sich auf den Service des Paketzustellers.
Die Folgen: Umsatz und Sichtbarkeit auf dem Marktplatz geht verloren
Die unmittelbare Folge von negativen Bewertungen sei neben dem schwer messbaren Imageverlust ein spürbarer Umsatzverlust, so die befragten Händler. Außerdem geben die Teilnehmer der Umfrage an, dass die Sichtbarkeit der eigenen Angebote auf dem Marktplatz geringer würde.
Viele Händler und Experten bestätigen die hier beschriebenen Folgen. Es entsteht also ein spürbarer Schaden durch unfaire Bewertungen. Aber Klagen alleine hilft hier nicht weiter – betrachten Händler die geläufigsten Gründe für unfaire und negative Bewertungen, dann finden sich auch Ansätze, um etwas dagegen unternehmen.
Was Händler gegen unfaire Bewertungen unternehmen können
Die umfangreiche Umfrage des Händlerbundes führt alle Gründe auf, die zu einer unfairen Bewertung führen können. Zum Glück gibt es Möglichkeiten, diese Probleme zu beheben – auch wenn das sicher nicht in jedem Einzelfall funktioniert.
Die wichtigste Maßnahme: Versandbenachrichtigungen einführen
50 Prozent der unfairen Bewertungen erhalten Händler wegen des Paketdienstes, deshalb ist die wichtigste, erste Maßnahme: pro-aktive Versandbenachrichtigungen. Damit ist nicht die simple Mail „Ihr Paket wurde versandt“ gemeint, sondern eine pro-aktive Kommunikation mit dem Kunden. Dass eine Tracking-Nummer des Anbieters zur Verfügung gestellt wird, ist angesichts der Bewertungslage leider nicht mehr ausreichend. Der Versand sollte überwacht werden – treten Probleme oder Verzögerungen auf, kann der Kunde dann unmittelbar benachrichtigt werden.
Dazu gibt es zwei Möglichkeiten:
- Einen Prozess einführen, der die Versandleistung des Paketdienstes anhand der Track-and-Trace-Daten überwacht. Bei kleinen Versandmengen kann der Versender einmal täglich nach Problemfällen suchen und Kunden manuell benachrichtigen. Bei größeren Versandmengen ist das nicht mehr möglich, sondern es muss ein automatisierter Prozess eingerichtet werden, der beispielsweise die Funktion für Versandbenachrichtigungen mit dem Plugin des Versanddienstleisters verknüpft.
- Alternativ bietet es sich an, auf die Dienste eines spezialisierten SaaS-Dienstes zurückzugreifen, der Daten aus den Track-and-Trace-Systemen der Versanddienstleistern nutzt, anreichert und mit verschiedenen Aktionen verknüpft. Dienstleister wie Parcellab oder Paqato bieten dafür fertige Lösungen an. So können individuelle Nachrichten über verschiedene Kommunikationskanäle an die Kunden versandt werden, beispielsweise bei Verzögerungen. Empfehlenswert kann auch eine Incentivierung von Problemfällen sein. Wer seinen Kunden ein kleines Goodie anbietet, sobald Probleme auftreten – noch bevor der Kunde sich beschwert – hinterlässt einen freundlichen und kompetenten Eindruck.
Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist: Gegenmaßnahmen bei negativen Bewertungen
- Den Kunden kontaktieren. Bei Amazon muss dazu unter Umständen mit Hilfe einer Analytics-Software erst identifiziert werden, welcher Kunde bewertet hat. Besonders auf Marktplätzen ist jetzt Vorsicht geboten: Der Kunde darf aufgrund der Verkäuferrichtlinien weder bedrängt noch bestochen werden. Der erste Kontakt sollte also ganz alleine dem Ziel dienen, das Problem aus der Welt zu schaffen. Was will der Kunde? Erst, wenn das erledigt ist, kannst du in einer zweiten Nachricht, nach der Lösung des Problems, den Kunden darum bitten, die Bewertung zu korrigieren oder zu löschen. Diese Möglichkeit hat jeder Kunde: einfach die Rezension anschauen und auf den Link darunter klicken.
- Der Kunde ist nicht zufrieden und du kannst das Problem nicht lösen – die Bewertung bleibt? Dann frage bei Amazon oder Ebay nach einer Löschung. Beachte dabei die Bewertungsrichtlinien für Kunden bei Amazon und Ebay. Nur wenn der Kunde gegen diese Richtlinien verstößt, kannst du vielleicht mit einer Löschung rechnen. Sei bei der Kontaktaufnahme maximal höflich, schimpfe nicht über den Kunden. Lege sachlich den Verstoß gegen die Richtlinien dar, den der Kunde mit der Bewertung begeht. Wie fair oder unfair das ganze ist, spielt dabei keine Rolle. Du willst von dem Amazon- oder Ebay-Mitarbeiter kein Mitleid, sondern eine Löschung.
- Wenn alles nichts hilft: Kommentiere sachlich öffentlich. Zeige alle Lösungsvorschläge auf, die du unternommen hast, damit nachfolgende Kunden sehen können, dass du dich bemüht hast und einen guten Kundendienst bietest.
Die komplette Umfrage „Unfaire Kundenbewertungen 2017“
Die komplette Umfrage steht beim Händlerbund zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Vor einiger Zeit habe ich auf Amazon eine Schere bestellt. Markplatz-Artikel. Irgendein Lieferant hat mir das Teil zu geschickt.
Soweit – Sogut.
Eben erreicht mich die obligatorischen Bettelmail des Lieferanten “Bewerte mich bitte. Positiv.”
Mal ganz ehrlich: Es ist Dein verdammter Job, mir dieses Produkt, dass Du verkaufen möchtest, zeitnahe und problemlos zu liefern. Du packst das Ding in einen Karton, bringst den zur Post und fertig. Dafür lobe ich Dich nicht.
Das erhoffte Lob bekommst Du, wenn aussergewöhnliche Aufgaben erfüllt werden. Oder wenn Du mein Problem (Garantiefall z.B.) zu Deinem machst und es für mich löst.
Alles andere ist ein Hygienefaktor! Nur das Fehlen eines solchens führt zu Unmut.