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Kosmisches Rätsel: Unser Universum verhält sich anders als gedacht

Eine neue Studie gibt Hinweise darauf, dass bisher unbekannte physikalische Kräfte einen Einfluss auf die Entwicklung des Universums haben könnten, die bisherige Modelle nicht ausreichend erklären können.

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Die Teleskope des Speculoos Southern Observatory unter dem Nachthimmel über der Atacama-Wüste in Chile. (Bild: Eso/P. Holárek)

Die Art und Weise, wie sich kosmische Strukturen bilden und im Laufe der Zeit entwickeln, gilt nach dem theoretischen Modell als geklärt. Allerdings weisen neue Beobachtungen eines Forschungsteams der Universität von Pennsylvania im US-amerikanischen Philadelphia darauf hin, dass sich das strukturelle Wachstum des Universums auf eine Weise verlangsamt hat, die aktuelle Modelle dann doch nicht vollständig erklären können.

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Chaotisch: Kosmos verhält sich nicht modellkonform

In ihrer jüngst im Journal of Cosmology and Astroparticle Physics und auf dem Preprint-Server arXiv veröffentlichten Studie kommen die Wissenschaftler:innen um Joshua Kim und Mathew Madhavacheril zu der Einschätzung, dass unser Universum in den rund 13,8 Milliarden Jahren, die es bereits existiert, „chaotischer und komplizierter“ geworden ist. Damit meinen sie, dass eine an sich nach den Modellen zu erwartende Verdichtung der Materie nicht in dem vorhergesagten Maße stattgefunden hat.

„Unsere Arbeit hat zwei Arten von Datensätzen aus sich ergänzenden, aber sehr unterschiedlichen Erhebungen miteinander in Beziehung gesetzt“, sagt Madhavacheril und fügt hinzu: „Dabei haben wir festgestellt, dass die Geschichte der Strukturbildung größtenteils bemerkenswert gut mit den Vorhersagen von Einsteins Gravitation übereinstimmt. Wir haben einen Hinweis auf eine kleine Diskrepanz in der erwarteten Verdichtung in den letzten Epochen, vor etwa vier Milliarden Jahren, gesehen, die es interessant sein könnte, weiterzuverfolgen.“

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Die Erkenntnisse des Teams aus Mitarbeiter:innen der Universität von Pennsylvania und dem Lawrence-Berkeley-Nationallabor mit Sitz im US-Bundesstaat Kalifornien basieren auf den kombinierten Daten des Atacama-Kosmologie-Teleskops (ACT) in Chile und jenen aus dem ersten Jahr des Dark Energy Spectroscopic Instrument (DESI), dem „spektroskopischen Instrument für Dunkle Energie“, am Kitt-Peak-Nationalobservatorium im US-Bundesstaat Arizona.

Folienbild des Universums erlaubt genaueren Blick

Wie Madhavacheril erklärt, konnte das Team durch die Kombination dieser Daten die kosmische Zeit gewissermaßen in Schichten darstellen. Das können wir uns so vorstellen, als würden wir Transparentfolien mit alten kosmischen Fotografien über neuere legen. Dadurch entstand eine mehrdimensionale Perspektive des Kosmos.

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„ACT, das etwa 23 Prozent des Himmels abdeckt, zeichnet ein Bild von den Kinderschuhen des Universums, indem es ein fernes, schwaches Licht verwendet, das seit dem Urknall unterwegs ist“, so der Erstautor der Arbeit, Joshua Kim. Er ergänzt: „Formell wird dieses Licht als kosmischer Mikrowellenhintergrund (CMB) bezeichnet, aber wir nennen es manchmal einfach das Babybild des Universums, weil es eine Momentaufnahme aus der Zeit ist, als es etwa 380.000 Jahre alt war.“

Dabei sei der Weg des Lichts durch die Epochen der Alterung des Universums nicht etwa geradlinig verlaufen, erklärt Kim. Gravitationskräfte von Strukturen wie Galaxienhaufen im Kosmos würden das CMB verzerren, ähnlich wie ein Bild verzerrt wird, wenn es durch eine Brille betrachtet wird.

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Dieser „Gravitationslinseneffekt“ wurde bereits vor über 100 Jahren von Albert Einstein vorhergesagt und gilt seither als Grundlage für die Rückschlüsse, die Kosmolog:innen auf die Verteilung der Materie und ihr Alter ziehen.

Forscher:innen führen kosmischen „CT-Scan“ durch

Die Daten von DESI hingegen konzentrieren sich auf die Abbildung des heutigen Kosmos. Das Instrument kartiert die dreidimensionale Struktur des Universums, indem es die Verteilung von Millionen von Galaxien untersucht, insbesondere die von sogenannten leuchtkräftigen roten Galaxien (LRGs). Weil diese Galaxien so leuchtstark sind und gut beobachtet werden können, fungieren sie als kosmische Orientierungspunkte und ermöglichen es Wissenschaftler:innen, die Ausbreitung der Materie über Milliarden von Jahren zu verfolgen.

„Die LRGs von DESI sind wie ein neueres Bild des Universums, das uns zeigt, wie Galaxien in unterschiedlichen Entfernungen verteilt sind“, erklärt Kim. Daraus ergebe sich „eine eindrucksvolle Möglichkeit zu sehen, wie sich Strukturen von der CMB-Karte bis zu den heutigen Galaxien entwickelt haben.“

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Legt man nun die Daten des ACT und jene des DESI übereinander, sollte sich nach den Modellen eine einigermaßen homogen erklärbare Darstellung ergeben. Die zeigte sich indes so nicht.

„Dieser Prozess ist wie ein kosmischer CT-Scan“, sagt Madhavacheril, „bei dem wir durch verschiedene Schichten der kosmischen Geschichte blicken und verfolgen können, wie sich die Materie in verschiedenen Epochen zusammenballte. So können wir direkt sehen, wie sich der Gravitationseinfluss der Materie über Milliarden von Jahren verändert hat.“

Abweichungen könnten auf Dunkle Energie hindeuten

Dabei fanden die Forscher:innen heraus, dass sich die zu erwartende Verdichtung nicht in allen Epochen mit den Vorhersagen in Einklang bringen ließ. Den gewonnenen Erkenntnissen zufolge könnte sich das strukturelle Wachstum des Universums auf eine Weise verlangsamt haben, die aktuelle Modelle nicht vollständig erklären können.

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Allerdings, so Kim, sei die Abweichung von den Modellen „nicht stark genug, um auf neue Physik zu schließen – es ist immer noch möglich, dass diese Abweichung rein zufällig ist.“ Sollte es sich indes nicht um Zufall handeln, könnte das eben doch ein Hinweis auf eine bisher nicht berücksichtigte Physik sein, die die Art und Weise, wie sich Strukturen bilden und im Laufe der kosmischen Zeit entwickeln, beeinflusst.

Bei dieser „nicht berücksichtigten Physik“ könnte es sich etwa um die Dunkle Energie handeln, von der angenommen wird, dass sie die beschleunigte Expansion des Universums antreibt. Das Team will die Erkenntnisse nun unter Verwendung leistungsstärkerer Teleskope überprüfen und setzt dabei vorrangig auf das im Bau befindliche Simons-Observatorium, das ebenfalls in der chilenischen Atacama-Wüste entsteht und in den kommenden Jahren in Betrieb genommen werden soll. Die verbesserten Instrumente dieses Observatoriums erlauben eine höhere Präzision der Messungen und werden so einen klareren Blick auf kosmische Strukturen ermöglichen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 24.01.2025 veröffentlicht, interessiert jedoch immer noch sehr viele unserer Leser:innen. Deshalb haben wir ihn aktualisiert und hier nochmals zur Verfügung gestellt.

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