Eine Fahrt mit dem Vanmoof S6: Genügen diese Verbesserungen für ein Comeback?

Während Radfahrer:innen in Deutschland bisweilen hart um die Aufmerksamkeit von Autofahrer:innen kämpfen müssen, fährt es sich in Amsterdam deutlich entspannter. In der Stadt gibt es viele Fahrradstrassen, in 80 Prozent des Stadtgebiets ist die Höchstgeschwindigkeit für Autos auf 30 Kilometer pro Stunde begrenzt. Zudem nehmen Autofahrer:innen mehr Rücksicht. Denn für die kurze Strecke steigt man in Amsterdam aufs Rad, nur für längere Wege ins Auto. Man hat also mehr Verständnis füreinander.
Das sind die perfekten Voraussetzungen für eine Testfahrt mit dem Vanmoof S6. Es ist das erste neue E-Bike, das der Hersteller nach der Insolvenz und der Übernahme durch die McLaren-Applied-Tochter Lavoie auf die Straße bringt. Doch der Start könnte holprig werden. Schließlich hatte die Insolvenz auch Folgen für Kund:innen. Wer kurz vor dem Verfahren ein Fahrrad bestellt hatte, hat es unter Umständen nie bekommen. Wie will man diese Kund:innen zurückgewinnen?
Vanmoof und das Vertrauensproblem
„Es gab verschiedene Gruppen, zu denen wir das Vertrauen wiederaufbauen mussten, und jede Gruppe wollte, dass wir andere Dinge adressieren. Aber wir glauben, das haben wir in den vergangenen 18 Monaten geschafft“, sagt Scott Kennedy. Der Schotte ist als Chief Marketing Officer bei Vanmoof an Bord.
Doch nach dem Besitzerwechsel bekommen wohl nicht alle, die leer ausgegangen sind, den vollen Kaufpreis zurück. Leider sei man nie im Besitz des Geldes oder der betreffenden Fahrräder gewesen, versucht Kennedy zu erklären. Das sei eine schwierige Situation fürs Unternehmen gewesen, „da wir wirklich etwas tun wollten, um zu helfen.“

Mit dem Vanmoof S6 fährt man dank des Sattels bequem durch die Stadt – oder am Kanal entlang. (Foto: t3n)
„Einige Leute haben ihr Geld per Kreditkarte oder über Paypal zurückerhalten. Außerdem ist das Insolvenzverfahren noch im Gange, so dass es möglich ist, dass einige Forderungen teilweise ausgezahlt werden“, sagt Kennedy und fügt an: „Sobald das Unternehmen dazu in der Lage war, haben wir Gutscheine im Wert von 1.000 Euro angeboten, um sie so gut wie möglich zu unterstützen.“
Das mag zunächst großzügig klingen, denn rechtlich waren die neuen Vanmoof-Besitzer:innen nicht dazu verpflichtet. Dennoch kostete ein S5 3.298 Euro. Wenn man einen Großteil davon nicht zurückbekommt, ist das schon ärgerlich. Der eine oder die andere dürfte deswegen wohl zögern, noch einmal einen vierstelligen Betrag in ein E-Bike der Marke zu investieren. Schließlich ist auch das S6 nicht günstiger als seine Vorgänger.
Das Vanmoof fährt smooth
Das neue E-Bike muss also schon einige Argumente liefern, um das Interesse der Käufer:innen zu wecken. Die wichtigste Frage ist natürlich: Wie fährt sich das S6? Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, drehen wir mit einem Vorserienmodell ein paar Runden ums Lagerhaus in Amsterdam – in der Hoffnung, dass Passant:innen das Bike nicht zu genau in Augenschein nehmen. Obwohl den allermeisten wahrscheinlich ohnehin nichts ausgefallen wäre. Vieles am Bike wirkt vertraut. Es sieht den Vorgängerversionen sehr ähnlich, ist also klar als ein Vanmoof zu erkennen. Vom S5 übernimmt es die beiden Halo-Anzeigen links und rechts am Lenker.
Wichtig ist vor allem die rechte Seite. Über einen kleinen Knopf lässt sich der Grad der Unterstützung einstellen. Das Display zeigt das entsprechende Level dann farblich an. Darüber liegt ein weiterer Button, den Kenner:innen der Marke als Boost-Knopf ausmachen. Wer den drückt, wird innerhalb von kurzer Zeit auf die in Deutschland maximal erlaubten 25 Kilometer pro Stunde beschleunigt. Das verlieh auch älteren Versionen der Räder schon einen Hauch von der Actionserie The Fast and The Furios, nur dass hier kein Lachgas in den Motor gespritzt wird – und weniger explodiert. Beim neuen Vanmoof setzt sogar noch mehr Power hinter dem Knopf. Daran hat vielleicht sogar Vin Diesel Spaß. Auf den Straßen Amsterdams macht der Turbo auf jeden Fall viel Spaß.

Der Booksknopf das Vanmoof S6 bringt euch noch schneller auf die Höchstgewschwindigkeit. (Foto: t3n)
Was auffällt ist, wie gut die automatische Schaltung funktioniert. Bei älteren Bikes der Marke war die sprichwörtlich ein Knackpunkt. Das Vorserien-S6 schaltet dagegen zumindest auf der kurzen Testfahrt problemlos leise und sauber selbstständig durch die Gänge. Und sogar die Fahrt über holprige Straßen macht mehr Spaß als zuvor, denn der Sattel ist jetzt gefedert. Das ist allerdings optional. Das S6 ist wie seine Vorgänger hauptsächlich ein City-Bike für guten Asphalt.
Weitere Spielereien und sinnvolle Features sind nach wie vor an Bord. Geklingelt wird zum Beispiel auf Knopfdruck auf der anderen Lenkerseite. Den Ton kann man in der App selbst aussuchen. Natürlich gehört auch das Kicklock zum Umfang, ein Hinterradschloss, das sich mit einem kurzer Tipper der Fußspitze verriegeln lässt. Anschließen kann man das Rad auf diese nirgends. Das ist aber auch nicht nötig, denn zeitgleich wird ein Alarm scharf geschaltet. Außerdem können Suchende ihr Rad über Apples „Wo ist?“-Netzwerk orten. Alternativ bietet Vanmoof auch eine eigene Tracking-Funktion in der App an. Kommt das Bike trotz allem abhanden, können Fahrer:innen es aus der Ferne auch sperren lassen.
In der Anwendung können Fahrer:innen weitere Details einstellen. Soll sich etwa das Licht automatisch bei Dunkelheit einschalten oder doch lieber über die App? Künftig will Vanmoof weitere Features nachreichen. So ist eine eigene geplant, die bei der Routenführung ähnlich wie im E-Auto die restliche Akkuladung berücksichtigt. Die soll je nach Unterstützungsgrad bei 60 bis maximal 150 Kilometern liegen. Geladen wird das Bike dann zu Hause an der Steckdose.
Vanmoofs Fokus auf schnell erreichbaren Service
Abseits von allen technischen Verbesserungen will die Lavoie-Tochter künftig dafür sorgen, dass sich die Räder einfacher instand halten lassen. „Wir haben ein Partnernetzwerk aufgebaut. In ganz Europa haben wir 280 Servicepartner, die sich um die Instandhaltung der Bikes kümmern. Dazu kommen 170 Retail-Partner, die Produkte verkaufen und instand halten, erklärt Kennedy.
In Holland sei jeder innerhalb von 30 Minuten bei den Servicepartnern und das ganze Land sei abgedeckt, ergänzt Thijs Plug, der Pressechef von Vanmoof. „Das ist unser Ziel in Deutschland und wir sind auf dem Weg dorthin, aber wir bauen das Netzwerk schnell mit einem soliden lokalen Team auf.“

Das Vanmoof kommt in Blau, Mint und Schwarz. Für kleinere Personen gibt es das Rad auch eine Version mit niedrigerem Einstieg. (Foto: t3n)
Passend dazu soll sich das neue Rad leichter reparieren lassen. „Ein Problem, das das alte Vanmoof versucht hatte zu lösen, als man vom S3 zum S und X und 5 wechselte, war die Reparierbarkeit. Das S5 macht einen großen Fortschritt in diese Richtung und ist bereits eine radikale Verbesserung gegenüber dem S3“, sagt Plug. Das Unternehmen baue jetzt weiter darauf auf, durch Verbesserungen der Komponenten und Systeme, „zum Beispiel durch Verbesserung unseres Schaltsystems, unter anderem durch eine einfachere, responsiverer Technologie“, erklärt Plus.
In anderen Bereichen will das neue Management ebenfalls weitsichtiger vorgehen, denn Plug sagt: „Wir konzentrieren uns zuerst auf unsere Kernmärkte, machen dort alles richtig und stellen sicher, dass jeder Zugang zu einem lokalen Experten hat, der Dinge reparieren kann, bevor wir in neue Märkte eintreten.“ Das sind große Worte, an denen sich die Verantwortlichen nun messen lassen müssen.
Vorläufiges Fazit
Technisch scheinen die Weichen für ein gelungenes Comeback gestellt zu sein. Das Vanmoof S6 fährt butterweich über die Straßen, schaltet automatisch problemlos durch die Gänge, beschleunigt auf Knopfdruck sprichwörtlich in Windeseile auf die Höchstgeschwindigkeit. Das sind alles Eindrücke aus wenigen Minuten Fahrtzeit, die einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Nun ist es am neuen Management, auch Wort zu heilen und nicht nur ein gutes Bike sondern auch zufriedene Kund:innen auf die Straße zu lassen.
Die sollen fürs S6 schließlich 3.298 Euro auf den Tisch legen, müssen sogar eine Anzahlung von 150 Euro leisten, um sich jetzt ein Bike zu reservieren. Im August 2025 will Vanmoof es dann an die Kund:innen ausliefern.