Video-Advertising: Warum eine Marke mehr als 5 Sekunden verdient
Video-Advertising dominiert mittlerweile den digitalen Werbemarkt. Laut dem internationalen Branchenverband IAB wurden bereits im letzten Jahr 56 Prozent des digitalen Werbebudgets für Video-Anzeigen ausgegeben, Tendenz steigend. 2017 lag das Werbevolumen im Bereich Video in Deutschland bei 1,09 Milliarden Euro. Prognosen der Agentur Netzwerkreklame zufolge ist 2018 mit einer Steigerung von 190 Millionen Euro beziehungsweise 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu rechnen. Die Gründe liegen auf der Hand: In Videos lassen sich Geschichten und Emotionen besonders gut transportieren und das Nutzer-Engagement ist höher als in anderen Werbeformaten.
Das Diktat der Distribution
Die Kehrseite des Booms: Wir werden mittlerweile auf allen Websites und Plattformen von Videos überschwemmt. In sozialen Netzwerken, auf Videoplattformen oder auf Publisher-Seiten poppen ständig Videos auf oder zwingen uns in Form von Pre-Rolls, erst einmal eine Werbebotschaft anzuschauen, bevor wir endlich den von uns gewählten Content konsumieren dürfen.
Die Folge ist „Video-Blindness“. Nutzer ignorieren das Video und die beworbene Marke. Ergebnissen einer aktuellen Studie von Magna zufolge überspringen viele User skippable Video-Ads auf Youtube mittlerweile automatisch, ohne auf die Brand oder den Content zu achten. Im Schnitt kommt der Klick zum Überspringen der Anzeige in Deutschland bereits nach 2,3 Sekunden.
Zahlreiche Werbetreibende lassen sich bei der Gestaltung ihrer Video-Ads stark von diesen Kennzahlen beeinflussen. Sie blenden das Logo bereits in den ersten Sekunden ein und lassen das Video möglichst schnell zum Höhepunkt kommen.
Zudem werden die gleichen Videos einfach auf unterschiedlichen Plattformen in unterschiedlichen Formaten gestreut. So finden sich TV-Spots mit einem Untertitel versehen im Social-Feed und mehrere Minuten lange Videos erscheinen als Pre-Roll. Mit der Hoffnung, dass der Nutzer nicht auf „Skip Ad“ klickt. Aber ist dies wirklich die Art und Weise, wie sich eine Brand präsentieren will und wie Videos konsumiert werden sollten?
Gesehene vs. sichtbare Videos
Marken orientieren sich also an den Distributionsformaten, ohne zu hinterfragen, ob diese Distribution dem Nutzer und der Brand auch wirklich nutzt. Es scheint, als würden die Fehler der Bannerwerbung aus dem vorigen Jahrzehnt nun auch in der Videowerbung wiederholt werden: Sichtbarkeit um jeden Preis – ohne Rücksicht auf die User-Experience.
Aber was heißt Viewability im Video-Advertising überhaupt? International gilt normalerweise die von der IAB festgelegte 50/2-Regel für Videos: 50 Prozent der Pixelzahl eines Videos müssen für mindestens 2 Sekunden im sichtbaren Bereich des Nutzers zu sehen sein. Was bei Bannern (dort gilt die Regel 50/1) vielleicht noch Sinn ergibt, da sich eine Banner-Botschaft relativ schnell erfassen lässt, ist zum Beispiel bei einem 60-Sekunden-Video mehr als problematisch. In dem Fall zählen lediglich 1,6 Prozent der möglichen Kombination aus Dauer und Fläche des Videos schon als View.
Ein Video kann also viele Tausend „Views“ erzielen, ohne von einer nennenswerten Zielgruppe wirklich wahrgenommen zu werden. Eine Unterteilung zwischen echten Views, bei denen sich Nutzer wirklich auf ein Video konzentrieren und Visible-Ads, die nur sichtbar sind, ist zwingend erforderlich, um echte Kennzahlen zu erhalten.
Was können wir tun?
Einige sinnvolle Anpassungen können die Ergebnisse und Wirksamkeit von Video-Kampagnen deutlich erhöhen.
1. KPI genau analysieren – KPI sollten nicht starr für alle Kanäle gleichwertig ausgewählt und analysiert werden. Ein nicht überspringbares Pre-Roll wird zwangsläufig eine sehr hohe Completion-Rate erzielen. Eine Brand könnte sich damit aber den Unmut der Nutzer zuziehen, da sie gezwungen werden, das Video anzusehen. Bei Autoplay-Formaten sollte nach Möglichkeit eine anspruchsvollere Definition eines „Views“ als 50/2 vereinbart werden.
2. Zusätzliches Engagement einplanen – ein sehr guter Gradmesser für die Wirksamkeit einer Kampagne ist das Engagement, das nach dem Video erfolgt. Ein Call-to-Action, also ein zusätzlicher Link, der beispielsweise auf eine Produktseite führt, zeigt, ob die richtige Zielgruppe erreicht wurde und die Videos auch wirklich angesehen wurden und nicht nur sichtbar waren. Außerdem ob Pre-Rolls wirklich für Interesse gesorgt haben und der ROI der Maßnahmen auch wirklich stimmt.
3. Richtige Distributionskanäle wählen – der Boom im Video-Advertising hat zu einer großen Bandbreite an Anbietern geführt. Youtube und Facebook mögen die Standards sein. Nicht zu unterschätzen sind aber auch Publisher, die sichere und meist hochwertige Umfelder garantieren. Buchbar sind sie direkt oder über Plattformen.
4. Die passenden Formate wählen – Pre-Rolls, Autoplay, Click-to-Watch, Storys oder Streams: Unterschiedliche Formate eignen sich zum Erreichen unterschiedlicher Ziele. Marken sollten zuerst die Ziele definieren und dann die richtigen Formate für ihre Zwecke wählen.
5. Vorsicht beim Recyceln – den TV-Spot auf Facebook wiederzuverwenden ist sicher sehr einfach, aber oft nicht sehr wirkungsvoll, wenn das Video dann auf kleinen Smartphone-Bildschirmen ohne Ton abgespielt wird. Diese Ads müssen auch ohne Ton gut funktionieren und stellen besondere Herausforderungen an Kreativteams. Die Videos müssen an Kanäle und Formate angepasst werden.
Die fokussierten Nutzer
Brands sollten ein großes Interesse daran haben, Nutzer zu erreichen, die sich wirklich für ihre Marke und Produkte interessieren. Es sollte ihnen um echte Views gehen, nicht nur um Sichtbarkeit. Nur so können sie echtes Engagement erzielen und Geschäftsziele erreichen.
Noch hat Video-Advertising die Chance, die „Video Blindness“ zu kurieren und nicht das gleiche Schicksal zu erleiden wie Display-Werbung. Anbieter wie Marketer müssen sich endlich wieder auf die Grundsätze guten Marketings besinnen: Nutzer mit spannenden Themen und emotionalen Videos zu begeistern und sie nicht zu überfordern mit Videos auf jeder einzelnen Seite, die sie im Internet besuchen.