Voice kommt bisher vor allem im Auto so richtig in Fahrt
Für Anne Toth, Director Alexa Trust bei Amazon, ist die Sache eigentlich ganz klar: Alexa habe in Deutschland gerade erst den Kindergarten verlassen, sagte Toth vor Kurzem im t3n Podcast. Dementsprechend sei die Technologie auch noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung. „Ich kann mir vorstellen, dass es in den nächsten fünf Jahren Anwendungsfälle geben wird, über die wir noch gar nicht nachgedacht haben“, meint Toth.
Geht es nach der aktuellen Yougov-Studie zum Smartspeaker-Markt und der Voice-Technologie, dann wird es diese Anwendungen aber auch brauchen, soll Voice tatsächlich das allgemein zugesprochene Potenzial entfalten. Bisher sitzt Alexa zusammen mit den Kindern aus den Familien von Apple, Google, Samsung und weiteren im Klassenzimmer und findet in erster Linie wohlwollendes Interesse. Eine Dominanz der displaylosen Gadgets ist aktuell noch nicht zu erkennen. So richtig Fahrt scheint die Technologie derzeit vor allem in einem Bereich aufzunehmen.
55 Prozent nutzen bereits Sprachanwendungen
Immerhin zeigt die zum dritten Mal von der Berliner Digitalagentur Beyto beauftragte Studie: 55 Prozent der über 18-Jährigen setzen mindestens gelegentlich die Stimme ein, um Informationen abzufragen, die Navigation zu bedienen oder andere Voice-Apps zu verwenden. Besonders groß ist das Interesse nicht ganz überraschend bei den 18- bis 34-jährigen Deutschen. Von ihnen setzen bereits zwei Drittel für verschiedene Aktivitäten ihre Stimme ein.
Sprachanwendungen lassen sich laut Studie nach ihrem jeweiligen Interaktionslevel strukturieren. Es zeige sich, dass komplexe Formate wie Spiele (19 Prozent), Shopping-Apps (18 Prozent) oder Anwendungen zum Lernen (15 Prozent) deutlich seltener eingesetzt werden. Einfache Voice-Angebote, die einen geringeren Grad an Interaktion erfordern, dominieren demnach bei der Nutzung. An erster Stelle steht die Abfrage von Informationen (38 Prozent), gefolgt von der Navigation oder anderer Steuerungs-Apps zum Beispiel für das Joggen oder Kochen (35 Prozent). Auf Platz drei findet sich die Aktivierung von Services per Sprachbefehl (29 Prozent) – beispielsweise das Bedienen der Suchfunktion beim TV-Gerät oder das Regulieren eines Smarthome-Heizungsthermostats. Für alle Anwendungen gilt, dass die Gruppe der über 55-Jährigen seltener zu den Nutzern gehört. Auch sind Frauen bei Voice noch etwas zögerlicher als Männer.
Smartspeaker: Stagnation trotz großem Potenzial
21 Prozent der Deutschen besitzen einen oder mehrere Smartspeaker. Damit stagniert die Verbreitung auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr. Viele Deutsche haben sich in den anderthalb Jahren der Corona-Pandemie ihren ersten oder weitere Smartspeaker angeschafft, wohl auch beeinflusst durch den erzwungenen Rückzug ins eigene Zuhause. Fest steht nach Ansicht der Studienmacher aber, dass das Potenzial für die smarten Lautsprecher nach wie vor groß ist, denn ein Viertel der Bevölkerung zeigt sich offen für die Anschaffung oder plant diese bereits.
Voice-Commerce kommt nicht in Schwung
Anders sieht die Sache bei Voice-Commerce aus. Weniger als 20 Prozent der Deutschen kaufen aktuell mit der Stimme ein – und auch unter den Smartspeaker-Besitzern ist der Anteil der Voice-Shopper nur geringfügig höher.
Ernüchternd für die Branche ist auch, dass mögliche Anreize oder niedrigschwellige Angebote rund um das Thema Shopping das Interesse dafür nicht steigern. Gefragt wurde nach Geräten mit zusätzlichem Display als Unterstützung, nach hinterlegten Profildaten favorisierter Onlineshops oder Serviceleistungen wie dem Voice-Abruf der Paketnachverfolgung. Etwas macht jedoch Hoffnung: 22 Prozent der Bevölkerung zeigen Interesse an Voice-Commerce. Und unter den Smartspeaker-Besitzern gehört sogar ein Drittel zu diesen potenziellen Nutzern.
Voice-Apps bisher ungenutzte Chance
42 Prozent der Bevölkerung halten Voice für komfortabel. Und trotz der oft festgestellten deutschen Datenschutzbedenken findet es ein Drittel gut, das intelligente Sprachassistenten sich persönliche Vorlieben merken. Doch wenn es um Voice-Apps geht, fühlen sich nur 31 Prozent der Befragten gut informiert. Besonders die technikaffinen Smartspeaker-Besitzer beklagen fehlende Informationen und bemängeln die Qualität des vorhandenen Angebots. Dabei könnten Voice-Apps sich auch zu einem neuen Audio-Werbekanal entwickeln, denn fast 60 Prozent der Deutschen würden in interessanten Alexa-Skills oder Google-Actions gesprochene Werbung akzeptieren.
Voice im Auto auf der Überholspur
Ob im Auto, zu Hause oder unterwegs: In mindestens einem dieser Bereiche wird die Voice- Technologie zukünftig eine wichtige Rolle im Alltag spielen – davon sind zwei Drittel der Deutschen überzeugt. Große Einigkeit besteht bei der Bewertung der Relevanz von Voice für das Auto: Dieses Szenario wird von den Befragten unabhängig von Alter und Geschlecht an erster Stelle genannt, egal, ob sie zu den Autofahrern zählen oder nicht.
Von der Sprachbedienung der Navigation über die Steuerung von Musik und Telefon bis hin zum Öffnen des Smarthome-Garagentors: 38 Prozent der Deutschen nutzen zumindest gelegentlich eine dieser Möglichkeiten und weitere 31 Prozent zeigen sich interessiert daran. Je jünger, desto häufiger wird Voice im Auto bereits heute eingesetzt: In der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen liegt der Anteil der Nutzer mit 52 Prozent bereits bei mehr als der Hälfte, wobei Männer eine größere Affinität zur Technologie aufweisen. Bisher hat sich allerdings noch kein Sprachassistent im Auto durchgesetzt. Mehr als 40 Prozent der Nutzer von Voice im Auto haben sogar mehr als einen Assistenten im Einsatz – den im Cockpit installierten Assistenten des Wagens ebenso wie Amazon Alexa, Google Assistant oder Apple Siri.
Experte: Es fehlt die Initialzündung
Die vorliegende Studie zeigt deutlich, dass die Nutzung von Voice nicht an den Besitz eines Smartspeakers gekoppelt ist. Außerdem ist die große Mehrheit überzeugt, dass die Technologie zukünftig im Alltag eine wichtige Rolle einnehmen wird, vor allem im Auto. Skeptisch sind die Deutschen immer noch, was das Shopping mit der Stimme betrifft.
Beyto-Geschäftsführer Claudius Herz sagt dazu: „In der Anfangszeit des Smartphones konnte sich auch niemand vorstellen, mit dem Telefon einzukaufen. Man sollte sich von der momentanen Zurückhaltung nicht täuschen lassen. Auch Voice-Commerce wird kommen, denn Deutschland ist grundsätzlich bereit für Voice – in welchem Maß, hat uns selbst überrascht.“ Der Voice-Experte gibt sich überzeugt: „Sobald Bewegung in den Markt kommt und die positiven Nutzererfahrungen zunehmen, wird es sehr schnell gehen. Ist Voice erst im Alltag der Menschen angekommen, wird niemand mehr einen Schritt zurückgehen wollen. Der Paradigmenwechsel für die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine steht vor der Tür – es fehlt nur noch die Initialzündung.“