- 1987: Diashows werden nie wieder so groß sein
- Sechs Projektoren waren nur der Anfang
- Nachfrage nach eindrucksvollen Shows treibt Technik voran
- Der letzte Diaprojektor lief 2004 vom Fließband
- Die Erfindung von Powerpoint
- "Bevor es PowerPoint gab, kommunizierten die Leute in Schwarz-Weiß"
- "Massives Versagen des Geschmacks"
- Technologiekonzerne sind, wie PowerPoint selbst, explodiert
Was gab’s vor Powerpoint-Präsentationen? Wie Microsofts Programm aufwendige Diashows ablöste

Zur Markteinführung des Saab 9000 CD im Jahr 1987 flimmerten vor 2500 Zuschauern 7000 Dias über eine acht Meter hohe Leinwand aus 80 Projektoren.
(Foto: Douglas Mesney / Incredible Slidemakers)
Wir schreiben das Jahr 1948, und es ist kein gutes Jahr für Alkohol. Die Prohibition ist vorbei, und Alkohol ist wieder frei verkäuflich. Das zeigt sich auch bei der jährlichen Verkaufsveranstaltung von Seagram, einer kanadischen Destillerie. Sie findet in elf Städten statt und soll den landesweiten Absatz ankurbeln. Dabei werden keine Kosten gescheut: Es wird ein zweistündiges, professionell inszeniertes Theaterstück über das Leben eines Whiskey-Verkäufers aufgeführt. Schöne Auslagen im Vorraum. Kostenlose Getränke. Aber der eigentliche Höhepunkt ist eine Diashow.
Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 3/2023 von MIT Technology Review erschienen. Hier könnt ihr die TR 3/2023 bestellen.
Das Seagram-Vitarama nur als Diashow zu bezeichnen, wäre allerdings eine Untertreibung. Das Projektionsverfahren ist ein Erlebnis: Hunderte von Bildern des Destilliervorgangs sind mit Musik unterlegt und werden auf fünf 12 mal 4,5 Meter große Leinwände projiziert. „Es besteht aus Bildern, ist aber nicht statisch“, kommentiert ein begeisterter Zuschauer. „Die Gesamtwirkung ist großartig.“ Inspiriert von einer Eastman-Kodak-Ausstellung auf der Weltausstellung in New York von 1939 ist das Seagram-Vitarama die erste Audio/Video-Präsentation, die jemals bei einer Verkaufstagung gezeigt wurde. Es wird nicht die letzte sein.

(Foto: Douglas Mesney/Incredible Slidemakers)

Douglas Mesney, ein ehemaliger Werbefotograf, produzierte Shows mit Produktionsbudgets von mehreren Hunderttausend Dollar für Kunden wie IKEA, Saab, Kodak und Shell. (Fotos: Douglas Mesney / Incredible Slidemakers)
In den späten 40er-Jahren war Multimedia noch eine Neuheit. Doch Anfang der 1960er-Jahre setzten fast alle Unternehmen, die über ein nationales Werbebudget verfügten, Multimedia-Geräte wie 16-Millimeter-, Dia-, Filmstreifen- und Overhead-Projektoren in ihrer Verkaufsschulung und -förderung, für die Öffentlichkeitsarbeit und als Teil ihrer internen Kommunikation ein. Viele beschäftigten interne A/V-Direktoren, die sowohl Showmaster als auch Techniker waren. Denn obwohl Präsentationen den Ruf haben, Mühe zu machen, sind sie, wenn sie richtig gemacht werden, großes Theater. Die Geschäftswelt weiß das. Seit den Tagen des Vitarama haben Unternehmen die dramatische Kraft von Bildern genutzt, um der Welt ihre Ideen zu verkaufen.
1987: Diashows werden nie wieder so groß sein
Das Geräusch der klackenden Dias ist ohrenbetäubend. Aber das macht nichts, denn der Champagner fließt in Strömen und die Musikanlage ist laut. Für die 2500 Würdenträger und VIPs im Publikum wird eine einstündige Operette über luxuriöses Reisen aufgeführt: Auf der Bühne tummeln sich ein riesiger Chor, die gesamte Stockholmer Philharmonie und etwa 50 Tänzer und Darsteller um ein Paar Saab-9000-CD-Limousinen. Atemberaubende Bilder von verchromten Details, Ledersitzen und freien Straßen tanzen über eine acht Meter hohe Leinwand hinter ihnen. Die Bilder hier sind alle analog: fast 7000 Dias, die sorgfältig in einem Raster von 80 Kodak-Projektoren angeordnet sind. Wir schreiben das Jahr 1987, und Diashows werden nie wieder so groß sein wie hier.
Vor Powerpoint und lange vor digitalen Projektoren waren 35-Millimeter-Dias der Renner. Größer, klarer und preiswerter in der Herstellung als 16-Millimeter-Film und farbiger und hochauflösender als Video, waren Dias das einzige Medium für die Art von eindrucksvollen Präsentationen, die CEOs und Führungskräfte bei jährlichen Versammlungen für Aktionäre, Mitarbeiter und Vertriebsmitarbeiter hielten. Diese in der Branche als „Multi-Image“-Shows bekannten Präsentationen erforderten eine kleine Armee von Produzenten, Fotografen und Mitarbeitern für die Live-Vorführung. Zunächst musste die gesamte Show geschrieben, ein Storyboard für sie erstellt und vertont werden. Bilder wurden aus Sammlungen ausgewählt, Fotoshootings arrangiert, Animationen und Spezialeffekte produziert. Mit weißen Handschuhen montierte und entstaubte ein Techniker jedes Dia, bevor er es in das Karussell legte. Tausende von Stichwörtern wurden in die Computer zur Steuerung der Show programmiert – und dann getestet und nochmals getestet. Denn Computer stürzen ab. Projektorlampen brennen durch. Dia-Rundmagazine klemmen.
„Wenn man an all die Maschinen, die Verbindungen und die verschiedenen Teile denkt, ist es ein Wunder, dass diese Dinger überhaupt funktionierten“, sagt Douglas Mesney, ein Werbefotograf, der zum Diaproduzenten wurde, und dessen Firma Incredible Slidemakers die Einführung des Saab mit 80 Projektoren produzierte. Heute ist er 77 Jahre alt und hat es sich zur Aufgabe gemacht, das inzwischen in Vergessenheit geratene Dia-Geschäft zu archivieren.
Mesney wechselte Anfang der 1970er-Jahre zur Produktion von Multibildshows, nachdem er auf der New York Boat Show 1972 auf eine beeindruckende Anlage mit sechs Bildschirmen gestoßen war. Er fotografierte damals für Penthouse und Autozeitschriften und schleppte gelegentlich einen oder zwei Kodak-Projektoren zu Besprechungen mit Werbekunden. „Plötzlich siehst du sechs Projektoren und was sie alles können, und denkst: Heiliger Strohsack“, erinnert er sich.
Sechs Projektoren waren nur der Anfang
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere benötigte Mesney für seine Shows bis zu 100 Projektoren, die er in schwindelerregenden Gestellen miteinander verband. Mit mehreren Projektoren, die auf dieselbe Leinwand gerichtet waren, konnte er nahtlose Panoramen und komplexe Animationen erstellen. Das Risiko einer Katastrophe war immer hoch, doch wenn sie es schafften, verblüfften seine Shows das Publikum und ließen die Anzugträger in den Unternehmen wie Giganten aussehen. Zu Mesneys Kunden zählten IKEA, Saab, Kodak und Shell; er verfügte über Produktionsbudgets in Höhe von mehreren Hunderttausend Dollar.
In der Multi-Image-Branche war das billig. Größere A/V-Inszenierungsfirmen wie Carabiner International verlangten bis zu einer Million Dollar für die Inszenierung von Firmentreffen und peppten ihre generischen Multi-Image-„Module“ mit Laserlicht-Shows, Tanznummern und damaligen hochkarätigen Musikern wie Hall & Oates oder den Allman Brothers und sogar den Muppets auf. „Ich vergleiche es mit einem Leben als Rock’n’Roll-Roadie, aber ich bin nie im Tourbus mitgefahren“, erklärt Susan Buckland, eine Dia-Show-Programmiererin, die die meiste Zeit ihrer Karriere hinter dem Bildschirm bei Carabiner verbracht hat.
Von ihrer Gründung im Jahr 1976 bis Mitte der 1980er-Jahre wuchs die Association for Multi-Image, ein Berufsverband für Dia-Produzenten, von null auf 5000 Mitglieder. Auf ihrem Höhepunkt beschäftigte die Multi-Image-Branche etwa 20.000 Menschen und unterstützte mehrere Festivals und vier verschiedene Fachzeitschriften. Eine dieser Zeitschriften verfasste 1980 ein strahlendes Porträt von Douglas Mesney; auf die Frage, wie er die Zukunft der Dias einschätze, antwortete er: „Wir könnten ein Vermögen machen oder in einem Jahr aus dem Geschäft sein.“ Er hatte nicht unrecht.
Nachfrage nach eindrucksvollen Shows treibt Technik voran
Damals buhlten etwa 30 Hersteller von elektronischen Dia-Programmiergeräten um den Multi-Image-Dollar. Um der Nachfrage nach eindrucksvollen Shows zu begegnen, hatte sich die Technik schnell entwickelt: von manuellen Überblend-Geräten und einfachen Steuersystemen – die mit Lochstreifen und später mit Audiokassetten programmiert wurden – zu speziellen Diasteuerungscomputern wie dem AVL Eagle I, der 30 Projektoren gleichzeitig fahren konnte. Der Eagle, der mit Textverarbeitungs- und Buchhaltungssoftware ausgestattet war, war ein echter Geschäftscomputer – so sehr, dass Eagle, als es Anfang der 80er-Jahre von seiner Muttergesellschaft Audio Visual Labs abgespaltet wurde, zu einem der vielversprechendsten Computer-Start-ups im Silicon Valley wurde. Eagle ging im Sommer 1983 an die Börse und machte seinen Präsidenten, Dennis R. Barnhart, sofort zum Multimillionär. Nur wenige Stunden nach dem Börsengang durchbrach Barnhart mit seinem brandneuen kirschroten Ferrari eine Leitplanke in der Nähe des Firmensitzes in Los Gatos, Kalifornien, überschlug sich in der Luft, stürzte in eine Schlucht und starb. Das Multi-Image-Geschäft sollte bald folgen.

Mit Tausenden von Stichwörtern wurden die Computer programmiert, die die einzelnen Dias zu einer Show zusammenfügten.
(Fotos: Douglas Mesney / Incredible Slidemakers)

In manchen Shows wurden bis zu 100 Projektoren in gewagten Gestellen zu gigantischen Projektionswänden zusammenmontiert.
(Foto: Douglas Mesney/Incredible Slidemakers)

Jeder der Projektoren wurde über ein programmiertes Carousel mit Dias gefüttert, sodass aus statischen Bildern bewegte Shows werden konnten.
(Foto: Douglas Mesney/Incredible Slidemakers)
Douglas Mesney sagt gerne: Wenn Sie noch nie eine Diashow gesehen haben, werden Sie es auch nie. Die Geräte, mit denen sie gezeigt wurden, sind auf dem Müll gelandet. Die Dias selbst wurden nur selten archiviert. Gelegentlich tauchen in einem Lagerraum ein paar Kisten mit einem alten Multi-Image-„Modul“ auf, und gelegentlich sind sie sogar unbeschädigt. Doch mit Ausnahme einiger weniger Hobbyisten und pensionierter Programmierer ist das Know-how zur Restaurierung und Inszenierung von Multi-Image-Diashows rar gesät. „Wir sind alle am Boden zerstört, weil keines der Module überlebt hat“, sagt Susan Buckland. „Im Grunde habe ich keine Vergangenheit, weil ich sie nicht erklären kann.“ Die ganze Industrie, die an einem unerwarteten Schnittpunkt zwischen analoger und Hightech-Kunst existierte, kam und verschwand in wenig mehr als 20 Jahren.
Der letzte Diaprojektor lief 2004 vom Fließband
Präsentationen haben, ebenso wie Pornografie, die Technologie immer weiter vorangetrieben. In den Multi-Image-Zeiten haben Produzenten wie Mesney das Dia bis zum Äußersten ausgereizt und jedes verfügbare Werkzeug genutzt, um größere und kühnere Shows zu gestalten. Mesney behauptet, mit einer dreiminütigen Diashow mit 2400 Dias den Geschwindigkeitsrekord für eine Diapräsentation aufgestellt zu haben, aber selbst bei Höchstgeschwindigkeit sind Dias statisch. Die Computer, die sie steuerten, waren es jedoch nicht – und es dauerte nicht lange, bis sie sich über das Medium hinaus entwickelten. „Damals waren die Computer schnell genug, um den Dias zu sagen, was sie tun sollten, aber sie waren nicht schnell genug, um die Bilder selbst zu erzeugen“, erklärt Steven Michelsen, ein ehemaliger Dia-Programmierer, der in seiner Garage in Delaware alte Multibildshows restauriert. „Es dauerte weitere 10 bis 15 Jahre, bis man eine Show direkt vom Computer aus starten konnte und die Bilder auch wirklich sehenswert waren“, fügt er hinzu.
Der letzte Diaprojektor, der jemals hergestellt wurde, lief 2004 vom Fließband. Die Innenseite des Gehäuses wurde von Fabrikarbeitern und Kodak-Managern signiert, bevor das Gerät an das Smithsonian Institut – das größte Museum der Welt – übergeben wurde. Trinksprüche und Reden wurden gehalten, aber zu diesem Zeitpunkt waren es eher Lobreden, denn PowerPoint hatte die Welt bereits aufgefressen.
Die Erfindung von Powerpoint
Das Hotel Regina ist ein Wunderwerk des Jugendstils mit Blick auf den Pariser Tuileriengarten und den Louvre. Doch an diesem Tag im Jahr 1992 wurden seine Tagungsräume mit moderner Videotechnik nachgerüstet. Der Farbprojektor im hinteren Teil des Raums, so groß wie ein kleiner Kühlschrank, kostete über 100.000 Dollar und braucht eine Stunde zum Aufwärmen. Ein Team von Technikern hat den größten Teil der letzten 48 Stunden damit verbracht, sicherzustellen, dass nichts schiefgeht, wenn Robert Gaskins, der anspruchsvolle Architekt einer neuen Software namens PowerPoint 3.0, den Raum betritt. Er wird einen Laptop unter dem Arm tragen, und wenn er das Rednerpult erreicht, wird er ein Videokabel nehmen, es anschließen und zum ersten Mal etwas demonstrieren, das seither milliardenfach reproduziert wurde: eine Videopräsentation, die direkt von einem Laptop läuft, in voller Farbe. Das Publikum, bestehend aus Microsoft-Mitarbeitern aus ganz Europa, wird ausflippen. Sie „begriffen sofort, was die Zukunft für ihre eigenen Präsentationen bringen würde“, schrieb Gaskins später. „Es gab ohrenbetäubenden Applaus.“

Mit mehreren Projektoren, die auf dieselbe Leinwand gerichtet waren, konnten die Produzenten nahtlose Panoramen und komplexe Animationen erstellen, die alle auf Magnetband synchronisiert waren.
(Fotos: Douglas Mesney / Incredible Slidemakers)

(Foto: Douglas Mesney/Incredible Slidemakers)
Es ist heute schwer, sich ohrenbetäubenden Applaus für eine PowerPoint-Präsentation vorzustellen – fast so schwer, wie es ist, sich jemanden anderen als Bob Gaskins vorzustellen, der an diesem speziellen Rednerpult steht und das PowerPoint-Zeitalter einläutet. Präsentationen liegen ihm im Blut. Sein Vater leitete eine A/V-Firma, und die Familienurlaube beinhalteten in der Regel einen Ausflug zur Eastman Kodak-Fabrik. Während seines Studiums in Berkeley tüftelte er an maschineller Übersetzung und programmierte computergenerierte Haiku – traditionelle japanische Kurzgedichte. Er floh ins Silicon Valley, um sein Glück zu finden, bevor er seine drei Promotionen in Englisch, Linguistik und Informatik abschließen konnte. Dennoch brachte er eine tiefe Wertschätzung für die Geisteswissenschaften mit und besetzte sein Team mit gleichgesinnten Polyglotten, darunter eine unverhältnismäßig große Anzahl von Frauen in technischen Positionen. Da Gaskins dafür sorgte, dass seine Büros – damals die einzige Microsoft-Abteilung im Silicon Valley – eine museumswürdige Kunstsammlung beherbergten, verbrachten die Architekten von PowerPoint ihre Tage zwischen Werken von Frank Stella, Richard Diebenkorn und Robert Motherwell.
Gaskins’ Aufschlag für PowerPoint aus dem Jahr 1984, den er als Vizepräsident für Produktentwicklung beim Start-up Forethought in Sunnyvale verfasste, ist ein Manifest in Aufzählungspunkten. Es skizziert die schlummernde, weitgehend verborgene 3,5-Milliarden-Dollar-Industrie für Geschäftspräsentationen und ihren enormen Bedarf an klaren, effektiven Folien. Es listet Technologietrends auf – Laserdrucker, Farbgrafiken, „WYSIWYG“-Software („What You See Is What You Get“) –, die auf einen aufstrebenden Markt für Desktop-Präsentationen hinweisen. Es ist ein durchweg erstaunlich vorausschauendes Dokument. Aber Gaskins hat nur einen einzigen Aufzählungspunkt kursiv gedruckt.
Vorteile für den Nutzer: Ermöglicht es dem Urheber des Inhalts, die Darstellung zu kontrollieren.
Dies ist die wichtigste Erkenntnis von Gaskins: Die Botschaft einer Präsentation wird unweigerlich verwässert, wenn ihre Produktion ausgelagert wird. In den frühen 80er-Jahren meinte er das wörtlich. Die ersten beiden Versionen von PowerPoint wurden entwickelt, um Führungskräften zu helfen, ihre eigenen Overhead-Folien und 35-Millimeter-Dias zu produzieren, anstatt diese Aufgabe an ihre Sekretärinnen oder ein Dia-Büro abzugeben.
„Bevor es PowerPoint gab, kommunizierten die Leute in Schwarz-Weiß“
„In den 50er-, 60er- und frühen 70er-Jahren war der Informationsfluss eng“, erklärt Sandy Beetner, ehemalige CEO von Genigraphics, einem Unternehmen für Geschäftsgrafik, das mehrere Jahrzehnte lang Branchenführer für professionelle Präsentationsgrafiken war. Ihre Kunden waren in erster Linie Fortune-500-Unternehmen und Regierungsbehörden, die über die Ressourcen verfügten, farbige Diagramme, 3D-Renderings und andere High-Tech-Bilder auf diesen Dias zu erstellen. Alle anderen waren auf Acetat-Overheadfolien und Worte beschränkt. „Bevor es PowerPoint gab“, sagt sie, „kommunizierten die Leute in Schwarz-Weiß. Dadurch ging einfach so viel verloren.“
Beetner überwachte das nationale Netzwerk der Genigraphics-Servicebüros, die sich in jeder größeren amerikanischen Stadt befanden und 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, mit Grafikern besetzt waren, die bereit waren, Dias zu produzieren, zu polieren und zu drucken. Das Unternehmen war so wichtig für die Präsentationskultur, dass Gaskins einen Vertrag aushandelte, um Genigraphics zum offiziellen 35-Millimeter-Diaproduktionsdienst für PowerPoint 2.0 zu machen; ein Menübefehl „Send to Genigraphics“ war bis 2003 in PowerPoint integriert. Etwa zur gleichen Zeit stellte Kodak die Produktion seiner Rundmagazine für großformatige Dias – die Carousel-Projektoren – ein.
Zehn Jahre zuvor, 1993, ging Gaskins bei Microsoft in den Ruhestand und zog nach London. Als er 2003 in die USA zurückkehrte, als Experte für antike Konzertinas – sechs- oder achteckige Handzuginstrumente – war PowerPoint bereits zu einem Synonym für die verdummenden Unannehmlichkeiten des Büroalltags geworden: Der Statistiker Edward Tufte, bekannt für seine eleganten Monographien über Datenvisualisierung, machte bekanntlich eine miserable PowerPoint-Folie für die Katastrophe der Raumfähre Columbia im Jahr 2003 verantwortlich. Gaskins’ Software, so Tufte, produziere unbarmherzig sequenzielle, hierarchische, sloganhafte, überbewertete Präsentationen voller „Diagrammschrott“, denen es an wirklicher Bedeutung fehle. Kein Wunder, dass die Softwarekonzerne sie liebten.
„Massives Versagen des Geschmacks“
Robert Gaskins hat bemerkenswerte Sympathien für diese Ansichten, nicht zuletzt deshalb, weil Tuftes Mutter, die Renaissance-Expertin Virginia Tufte, ihn als Studenten an der Universität von Südkalifornien in der englischen Abteilung betreute. In einer zum 20. Jahrestag der Einführung von PowerPoint verfassten Reflexion räumte Gaskins ein, dass „immer mehr geschäftliche und akademische Vorträge wie armselige Verkaufspräsentationen aussehen“, ein Phänomen, das er sowohl auf ein „massives Versagen des Geschmacks“ als auch auf PowerPoint selbst zurückführte, ein Werkzeug, das so mächtig sei, dass es alle vorher bestehenden Kontexte zum Einsturz bringe.
Nicht alles ist eine Verkaufspräsentation, und das sollte es auch nicht sein. Aber PowerPoint machte es leicht, informelle Gespräche mit Multimedia-Effekten zu versehen, und gab Laien die Möglichkeit, stilistische Entscheidungen zu treffen, die früher nur Profis vorbehalten waren. Um eine frühe PowerPoint-Werbung zu paraphrasieren: Jetzt machte die Person, die die Präsentation hielt, die Präsentation. Dass diese Leute darin nicht immer besonders gut waren, schien keine Rolle zu spielen.
Wichtig war, dass Präsentationen nicht mehr nur für Jahresendbesprechungen und große Ideen reserviert waren, die den Aufwand und die Kosten für die Erstellung von Farbfolien wert waren. „Die Skalierbarkeit der Informationen und des Publikums, die PowerPoint mitbrachte, war ziemlich unglaublich“, sagt Beetner, deren Unternehmen als Geist in der Maschine in Form von PowerPoint-Vorlagen und Clip-Art überlebt hat. „Es hat die Kanäle dramatisch geöffnet, und zwar ziemlich schnell. Es gibt keinen Schüler, der noch nie eine PowerPoint-Präsentation gesehen hat, egal auf welchem Niveau.“ In der Tat wird PowerPoint in religiösen Predigten verwendet, von Schulkindern, die Buchvorstellungen vorbereiten, bei Beerdigungen und Hochzeiten. Im Jahr 2010 gab Microsoft bekannt, dass PowerPoint auf mehr als einer Milliarde Computern weltweit installiert war.
Technologiekonzerne sind, wie PowerPoint selbst, explodiert
In diesen Größenordnungen ist der Einfluss von PowerPoint darauf, wie die Welt kommuniziert, unmessbar. Aber etwas lässt sich messen: Microsoft wuchs um das Zehnfache während der Jahre, in denen Robert Gaskins den Geschäftsbereich Grafik leitete, und ist seitdem um das Fünfzehnfache gewachsen. Technologiekonzerne sind, wie PowerPoint selbst, explodiert. Das gilt auch für ihre großen Präsentationen, die nicht länger hinter verschlossenen Türen stattfinden. Sie sind jetzt halböffentliche Veranstaltungen, verfolgt – willentlich und enthusiastisch – von Verbrauchern auf der ganzen Welt. Niemand muss sich mehr Sorgen um klemmende Dia-Carousels machen, aber trotzdem geht immer wieder etwas schief, von fehlerhaften Tech-Demos bis hin zu schlecht durchdachter Theatralik.
Wenn alles funktioniert, kann eine gute Präsentation die Märkte ankurbeln und die Reputation stärken. Natürlich war diese besondere Entwicklung nicht ausschließlich Microsofts Werk. Denn die vielleicht denkwürdigste Unternehmenspräsentation aller Zeiten – Steve Jobs’ Ankündigung des iPhone auf der Macworld 2007 – war gar keine PowerPoint-Präsentation. Es war eine Keynote – das Apple-Pendant zu PowerPoint.